Hasskriminalität im Internet: Bundesministerium plant Passwort-Abfrage

Update 2 Sven Bauduin
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Hasskriminalität im Internet: Bundesministerium plant Passwort-Abfrage
Bild: inyucho | CC BY 2.0

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet beinhaltet die Passwort-Abfrage durch Behörden. Wie ein Dokument (PDF) des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz jetzt deutlich macht, will die Politik hierbei weit über die Grenzen des NetzDG hinausgehen.

Wie bereits ihr Vorgänger, CSU-Politiker und Innenminister Horst Seehofer, verfolgt auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht in Überwachungsfragen einen harten Kurs, wie aus dem Entwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ hervorgeht, der deutlich über das umstrittene Netzdurchsetzungsgesetz hinausgeht.

Passwort-Abfrage durch Behörden

Geht es nach dem Willen der Bundesjustizministerin und ihrer Bundesbehörde, sollen WhatsApp, Gmail & Co. zukünftig Passwörter auf Anfrage herausgeben müssen, denn wer „geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung daran vermittelt“, soll Bestands- und „Nutzungsdaten zur Erfüllung von Auskunftspflichten“ gegenüber den berechtigten Stellen und Behörden verwenden dürfen, heißt es im Referentenentwurf des Gesetzestextes, den FAZ-Redakteur Hendrik Wieduwilt via Twitter veröffentlicht hatte. Wie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in seinem Entwurf betont, sollen die Anbieter dazu aufgefordert werden, die Informationen an die entsprechenden Behörden „unverzüglich und vollständig zu übermitteln“. Auch hochvertrauliche Passwörter sollen ohne richterlichen Beschluss herausgegeben werden. Hendrik Wieduwilt nennt diesen Vorstoß in der FAZ einen „Angriff auf die digitale Privatsphäre“ und den Entwurf „schlicht verfassungswidrig“.

NetzDG wird sukzessive ausgebaut

Erst vor kurzem hatten sich Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht, die bereits im September ein schärferes NetzDG gefordert hatte, auf einen Entwurf für ein erweitertes Netzwerkdurchsetzungsgesetz verständigt und beschlossen – die Meldepflicht für Facebook & Co. kommt.

Die Meldepflicht für Hassbeiträge in sozialen Netzwerken hatte der auf dieses Feld spezialisierte Staatsanwalt Christoph Hebbecker bereits im Vorfeld heftig kritisiert und dazu angeregt, nur Extremfälle mit einer Meldepflicht zu versehen.

Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, kurz Bitkom, hat sich bereits in einer offiziellen Pressemitteilung zum Gesetzentwurf geäußert und diesen stark kritisiert. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder äußerte sich wie folgt:

Das jetzt vorgestellte Gesetz wirft Grundwerte über Bord, die unser Zusammenleben online wie offline seit Jahrzehnten prägen.

Statt das NetzDG gewissenhaft auf Wirkungen und Nebenwirkungen zu überprüfen, kommt kurz vor Weihnachten und auf den letzten Drücker der nächste überhastete Vorstoß gegen ein lange bekanntes Problem.

Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer

Laut Bitkom werde es sich nicht vermeiden lassen, dass auf diesem Weg Inhalte und Daten von unbescholtenen Nutzern an das Bundeskriminalamt weitergeleitet würden. Damit seien unverhältnismäßige Eingriffe in die Privatsphäre der Nutzer geradezu vorprogrammiert.

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Scharfe Kritik aus Politik und Verbänden

Der Referentenentwurf „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ im Internet, mit dem Bundesjustizministerin Christine Lambrecht von der SPD nicht nur das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verschärfen, sondern unter anderem auch die Strafprozessordnung (StPO) und das Telemediengesetz (TMG) ändern will, stößt in Politik, Wirtschaft und Verbänden gleichermaßen auf Ablehnung und Kritik.

So bezeichnet der Verband für Internetwirtschaft eco den Entwurf in einer ersten Stellungnahme (PDF) als „Lauschangriff“ und übt scharfe Kritik. So sagte der Vorstandschef Oliver J. Süme, „Die am Freitag vom Bundesjustizministerium bekannt gewordenen Pläne zur Bekämpfung von Hasskriminalität gehen weit über die ursprüngliche Intention des NetzDG hinaus“ und ergänzte anschließend, „Hier geht es nicht mehr nur um die Bekämpfung von Hasskriminalität, sondern um die Einrichtung umfassender Überwachungsrechte für Staat und Behörden“.

Das ist der große Lauschangriff im Netz, den keiner, dem Bürgerrechte und Verfassung irgendetwas bedeuten, wirklich wollen kann. Ich appelliere daher an die Bundesregierung, dieses Vorhaben nicht Realität werden zu lassen.

Oliver J. Süme, Vorstandschef von eco

Am heutigen Tag legte der Verband noch einmal nach und veröffentlichte eine weitere Pressemitteilung (PDF) unter dem Titel „eco zu Plänen zur Bekämpfung von Hasskriminalität: auf dem Weg zum gläsernen Menschen“. Darin erneuerte eco seine Kritik am „Eingriff in Datensicherheit und Bürgerrechte“.

Gegenüber Heise äußerte sich auch Konstantin von Notz, Vizechef der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, zum Gesetzesentwurf und sagte, dass die Koalition zentrale Punkte des NetzDGs auf die lange Bank schiebe „und nun weit über das Ziel hinaus“ schieße. Für den Grünen-Politiker stellten sich damit „auch verfassungsrechtlich tiefgehende Fragen“.

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CDU/CSU und SPD halten Passwort-Abfrage für maßvoll

Während einer Debatte im Deutschen Bundestag kam es in der Aktuellen Stunde zum Thema „Vorfahrt für Bürgerrechte und IT-Sicherheit – Passwörter müssen geheim bleiben“ zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Regierungsparteien und der Opposition.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verteidigte den Referentenentwurf des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz noch einmal und sagte, „Wir müssen die Spirale von Hass und Gewalt stoppen. Wer im Netz hetzt und droht, der wird härter, effektiver verfolgt“. Zudem wolle sie daran festhalten, dass Diensteanbieter Passwörter nach der DSGVO verschlüsselt speichern müssten. Nach einem Terroranschlag hätten die Behörden trotzdem die Chance, die „Daten mit extrem hohem Aufwand selbst zu knacken“.

Dass IP-Adressen nebst Port-Nummern künftig an eine BKA-Zentralstelle weitergeleitet werden müssten, sei laut der Ministerin bereits von der staatlichen Dienststelle für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, Financial Intelligence Unit, bekannt. Volker Ullrich (CSU) ergänzte, nun gelte es „Leitplanken für eine ordentliche und auch anständige Diskussion im Netz“ einzuziehen. Der Konsens der Regierungsparteien laute, „die NetzDG unterstützt die Meinungsfreiheit“.

Opposition spricht von einem Trojanischen Pferd

Das sieht die Opposition im Bundestag anders. Stephan Thomae (FDP) sagte, „Auch ein guter Zweck heiligt nicht jedes Mittel“ und konstatierte, „Wir brauchen keine Notstandsgesetzgebung, um den Rechtsstaat zu schützen“. Der FDP-Politiker betonte, „Passwörter sind der Generalschlüssel zu unserem Leben“ und merkte an, dass der Referentenentwurf „weiter als jede Telekommunikations- oder Wohnraumüberwachung“ gehe. FDP-Innenexperte Konstatin Kuhle sieht durch die Passwortherausgabe-Pflicht gar „eine Grenze überschritten“. Der Vorgang stelle eine „Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür“ dar und hätte „etwas von Minority Report“, so Kuhle.

Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) sagte – das Wort an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gerichtet –, „Sie schieben ein trojanisches Pferd in den Raum“.