Microblogging-Dienst: Amazon weist Klagepunkte von Parler zurück

Michael Schäfer
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Microblogging-Dienst: Amazon weist Klagepunkte von Parler zurück
Bild: AzamKamolov | CC0 1.0

Die Auseinandersetzung zwischen Parler und Amazon geht in die nächste Runde. Nachdem Amazon das Soziale Netzwerk von seinen Servern verbannt hatte, versucht dieses per einstweiliger Verfügung gegen die Abschaltung vorzugehen. Amazon hat nun die darin enthaltenen Punkte zurückgewiesen.

Dazu hatte Parler bereits am Montag vor einem US-Bezirksgericht in Seattle eine Kartellbeschwerde gegen Amazon eingereicht, nachdem Amazon das Portal am vergangenen Wochenende wegen mehrfachen Verstoßes gegen die Geschäftsbedingungen offline genommen hatte.

Der Online-Riese sah sich zu dem Schritt gezwungen, da Parler der Erklärung nach nicht in der Lage gewesen sein soll, Inhalte, die zu Gewalt gegen andere ermutigen oder aufstacheln, effektiv zu identifizieren und zügig zu entfernen.

Dienst soll wieder hergestellt werden

In der Klage bekräftigte CEO John Matze die Vorwürfe, dass hinter dem Rauswurf vor allem politische Motive stehen würden. Mit seinem Vorgehen hätte Amazon dem vor allem in rechten Kreisen zunehmend gerne genutzten Portal den, seiner Aussage nach, „Todesstoß“ versetzt, als es die Webhosting-Dienste am Sonntagabend abrupt abschaltete und seiner Meinung nach dabei vorgegebene Kündigungsfristen nicht eingehalten haben soll. Weiter wirft Matze Amazon Heuchelei vor, da diese bei einem auf Twitter kürzlich veröffentlichten und hoch in den Trends platzierten Tweet, der forderte, Mike Pence, den amtierenden US-Vizepräsidenten, „zu hängen“, nicht mit ähnlichen Sanktionen vorgegangen sei. Mittels einer gerichtlichen Verfügung will Parler Amazon dazu verpflichten, sein Konto wieder einzurichten und das Portal weiterhin zu hosten.

Amazon sieht Vertragsbruch

Amazon verteidigt dagegen weiterhin sein Vorgehen. In einer Erklärung zu den Vorwürfen ließ das Unternehmen verlauten, dass ein Bestandteil des Vertrages vorgesehen hätte, dass Parler Beiträge mit rechtswidrigen Inhalten unverzüglich zu löschen habe, wenn es von ihnen erfahre. Das Netzwerk ist diesem aber mehrfach nicht nachgekommen. Als Beleg führt der Online-Riese in seiner Klageschrift einige der auf dem Portal beanstandeten Beiträge an, in denen unter anderem zur Ermordung von Politikern und Polizisten aufgerufen wurde. In der Klageschrift führte das Unternehmen zudem an, dass Matze in einem persönlichen Gespräch zugegeben hätte, das rund 26.000 Hinweise auf mutmaßlich rechtswidrige Äußerungen noch nicht bearbeitet worden seien. Laut Amazon habe sich der Parler-CEO anscheinend bewusst dafür entschieden, angebliche Fakten nicht zu überprüfen.

Online-Händler zieht weitere Konsequenzen

Amazon zieht auch andere weitreichende Konsequenzen aus dem Vorfall. Wurde dem Unternehmen eine sonst recht laxe Einstellungen mit der Kontrolle der auf der Verkaufsplattform angebotenen Produkten vorgeworfen, hat dieses nun damit begonnen, den Verkauf von Waren zu blockieren (Paywall), die sich auf eine grundlose Verschwörungstheorie beziehen. Zu diesen gehören auch Erzeugnisse mit dem Bezug auf QAnon, welche T-Shirts mit dem Slogan „We Are Q“ sowie Baseballmützen oder Strampler für Babys mit dem Gesicht von Präsident Trump innerhalb des Buchstaben Q führen.

Dieser Vorgang könnte laut Sprecherin Cecilia Fan mehrere Tage in Anspruch nehmen. Drittanbieter, die versuchen, Amazons Systeme zu umgehen, um weiterhin QAnon-Waren anbieten zu können, könnten ihre Verkaufsprivilegien entzogen bekommen, so Fan weiter.

FBI erhielt tausende von Hinweisen

Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 hatte das FBI vermehrt um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten, die helfen könnten, an dem Aufruhr teilgenommene Menschen zu identifizieren. Bis Dienstag habe die Behörde nach eigenen Angaben mehr als 100.000 digitale Hinweise erhalten. Es ist zwar noch nicht ersichtlich, wie viele dieser Hinweise redundant sind, doch wurden bereits 170 Fälle vom FBI eröffnet, welche in 20 Fällen zu Anklagen durch den US-Staatsanwalt des Districts of Columbia führten.

Videos von Parler-Nutzern ausgewertet

Zu den Beweisen sollen laut einem Bericht auf Gizmodo auch Daten gehören, welche im Zusammenhang des Datenabgriffes von den Parler-Servern am vergangenen Wochenende stehen. Dafür wurden seitens Gizmodo bisher die GPS-Koordinaten aus 618 Parler-Videos analysiert und die Ergebnisse dem FBI zur Verfügung gestellt, welches die Daten bereits ausgewertet haben soll. Ob die bisherigen Verhaftungen in diesem Zusammenhang stehen ist nicht bekannt.

Um an die nötigen Daten zu gelangen, wurden im Zuge der Analyse rund 70.000 geografisch verortete Parler-Posts kartiert, aus denen wiederum Hunderte Einträge isoliert wurden, die am 6. Januar in der Nähe des Kapitols veröffentlicht wurden. Die Daten sollen zudem belegen, dass Parler-Nutzer den ganzen Tag über Beiträge veröffentlichten, die ihren Marsch von der National Mall zum Capitol Hill dokumentieren.

Die angewandte Methode besitzt aber auch ihre Grenzen: So können die Analysten nicht angeben, auf welcher Etage sich die Eindringlinge im Kapitol aufgehalten haben, auch fällt die Genauigkeit des Aufenthaltsortes mit rund 10 Metern eher gering aus.

Schwindende Zeit beim Datenabgriff

Der Artikel liefert zudem weitere Hintergründe über das Vorgehen zum Abgriff der Daten durch Internetaktivisten und das letztendliche Ausmaß der Aktion. Diese sollen zunächst am Montag damit begonnen haben, auf Parler veröffentlichte Posts zu archivieren, um belastendes Material gegen dessen Nutzer zu sammeln. Als sie jedoch davon erfuhren, dass Amazon die Server aller Wahrscheinlichkeit nach bald stilllegen werde, mussten die Bemühungen aufgrund der knappen Zeit deutlich erhöht werden.

Das führte zur Erstellung von Millionen Konten mit Administrationsrechten und dem Einsatz von Docker-Images, um die Last auf so viele Aktivisten wie möglich zu verteilen. So sollen am Ende mehr als 99 Prozent der jemals auf Parler veröffentlichten Beiträge gesichert worden sein, zu denen auch von den Nutzern angeblich gelöschte Einträge gehören. Die Anzahl der erbeuteten Videos, welche aufgrund der schlampigen Sicherheitseinstellungen beim Upload nicht die sensiblen Metadaten entfernten, soll mehrere Millionen betragen.