Bundesregierung: Upload-Filter kommen mit einem „roten Knopf“

Andreas Frischholz
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Bundesregierung: Upload-Filter kommen mit einem „roten Knopf“
Bild: Carsten | CC BY 2.0

Die Bundesregierung hat heute die Reform für das Urheberrecht präsentiert. Damit soll die europäische Richtlinie umgesetzt werden, die durch die Upload-Filter-Regelungen für massiven Protest sorgte. Mit enthalten ist zudem das neue Leistungsschutzrecht für Presseverlage.

Um eine Woche hatte sich der finale Entwurf verschoben, nun ist er aber da. Die Kernpunkte sind die bekannten aus der europäischen Richtlinie: Künftig sollen Plattformen mit Nutzer-Uploads die Inhalte von Rechteinhabern lizenzieren, um diese an den Einnahmen zu beteiligen. Und den Rechteinhabern soll es ermöglicht werden, den Upload von bestimmten Inhalten zu untersagen. Im Mittelpunkt steht nun also, wie die umstrittenen Upload-Filter-Regeln umgesetzt werden. In der Begründung des Gesetzes (PDF) heißt es:

Will der Rechtsinhaber keine Lizenz erteilen, muss die Plattform dafür sorgen, dass Inhalte, deren Nutzung nicht erlaubt ist, nicht verfügbar sind („take down“, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch „stay down“). Plattformen können sich nicht länger auf das Hostprovider-Privileg („Safe Harbour“) der E-Commerce-RL berufen.

Wie das Juristenportal Legal Tribune Online (LTO) analysiert, präsentierte die Bundesregierung einen „ziemlichen Eiertanz“, um das Problem zu lösen. Sofern demnach ein Sperrvermerk eines Rechteinhabers vorliegt, wird der Nutzer zunächst informiert und kann eine Beschwerde einlegen („False Copyright Claim“). Über die müssen Plattformbetreiber binnen einer Woche entscheiden, solange sind die Inhalte erst einmal nicht verfügbar. Möglich ist aber auch, dass sich der Nutzer auf eine „mutmaßliche erlaubte Nutzung“ beruft – dann sind die Inhalte verfügbar und der Rechteinhaber kann eine Beschwerde einlegen („False Flagging“).

„Mutmaßlich erlaubte Nutzung“ – die Bagatellgrenzen und der rote Knopf

Was unter „mutmaßliche erlaubte Nutzung“ fällt, regeln die Bagatellgrenzen – in diesem Rahmen lassen sich urheberrechtlich geschützte Inhalte verwenden, weil es sich nur um eine geringfügige Nutzung handelt. Diese Ausnahmen sollen Zitate, Memes oder Parodien schützen. Es ist also der Versuch, den Ausgleich zwischen Rechteinhabern sowie der Meinungs- und Kunstfreiheit der Nutzer zu schaffen. Das gilt vor allem dann, wenn kleinere Auszüge mit anderen Inhalten kombiniert werden. Die Grenzen sind:

  • 15 Sekunden für Filme
  • 15 Sekunden für Tonspuren
  • 160 Zeichen für Texte
  • Maximal 125 Kilobyte für ein Foto oder eine Grafik

Diese „mutmaßlich erlaubte Nutzungen“ können Rechteinhaber aber ebenfalls unterbinden – und zwar mit einem „roten Knopf“. So wird die Funktion beschrieben, durch die „vertrauenswürdige“ Rechteinhaber bestimmte Inhalte sofort blockieren können. Um ein Ausnutzen der Funktion zu verhindern, sollen Rechteinhaber aber vorübergehend gesperrt werden, wenn diese die Funktion missbrauchen. Nutzer selbst müssen die Grenzwerte auch nicht beachten, wenn sie längere Inhalte etwa legitim als Zitat oder Parodie verwenden – es dürfen aber nicht mehr als 50 Prozent des Originalwerks sein und sie müssen die Inhalte als legal kennzeichnen. In diesem Fall sind dann aber wieder Einsprüche der Rechteinhaber möglich.

Es ist diese Mischung aus Sperrvermerken, Beschwerden und als legal gekennzeichneten Inhalten, die künftig zu Problemen führen dürften, heißt es daher etwa auch in der Analyse von LTO.

Wie die Plattformen die Blockaden umsetzen, schreibt das Gesetz nicht vor – es gibt also keine direkte Upload-Filter-Vorgabe. Stattdessen heißt es in einem FAQ zu dem Gesetz, auf diese soll „soweit wie möglich“ verzichtet werden. Die Entscheidung wird also letztlich an die Plattformen delegiert. Aufgrund der Vorgaben haben die Plattformen aber praktisch keine Wahl. Es kommt also das, was Kritiker seit dem Beschluss der Reform befürchtet haben.

Betroffene Plattformen

Unklar ist laut LTO zudem, welche Plattformen überhaupt betroffen sind. Grundsätzlich betrifft das Gesetz solche Anbieter, die als Hauptzweck „eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten (…) speichern und öffentlich zugänglich (…) machen“. Es gibt diverse Ausnahmen, die betreffen etwa Startups sowie kleinere Anbieter mit einem Umsatz von weniger als 1 Millionen Euro. Ebenso gilt das Gesetz nicht für Online-Marktplätze, reine Cloud-Anbieter oder nicht gewinnorientierte Angebote wie Online-Enzyklopädien.

Ziemlich betrifft das Gesetz laut LTO also YouTube. Twitter selbst sieht sich aber als nicht betroffen an, Facebook beklagt die Unklarheit. Mittelfristig soll es laut der Begründung des Gesetzes 13 Dienstanbieter geben, die (automatisierte) Verfahren entsprechend der Vorgaben anwenden müssen.

Deutliche Kritik an knappen Grenzwerten

Insbesondere die Bagatellgrenzen waren es, die für Diskussionen sorgten. Bei älteren Entwürfen lagen diese etwa noch bei 20 Sekunden für Filme, 1.000 Zeichen für Text sowie maximal 250 Kilobyte für Fotos. Dagegen protestierten Künstler. Wie konträr die Positionen sind, verdeutlicht ein Streitgespräch zwischen dem FAZ-Herausgeber Carsten Knop und dem YouTuber Rezo in der Zeitung Die Zeit. Vor allem durch eine Kampagne der Presseverlage soll die Grenze für Texte zuletzt nochmals deutlich gesenkt worden sein, berichtet Netzpolitik.org.

Angesichts der nun festgelegten Grenzen kritisiert der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), die Nutzerrechte wären mit dem Entwurf unverhältnismäßig geschwächt worden. „Nutzerrechte sind kein notwendiges Übel, das 'irgendwie' abgehakt werden muss. Starke Nutzerrechte waren, sind und bleiben das wichtigste Mittel um den vorgegebenen Interessenausgleich zwischen Plattformen, Rechteinhabern und Nutzern herzustellen“, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller. Ebenso merkt Rezo an, dass mit 160 Zeichen nicht einmal ein vollständiger Twitter-Beitrag übernommen werden könne.

Kritisiert wird der Entwurf auch von Wirtschaftsverbänden. So erklärt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsführung: „Auch wenn es die Bundesregierung so nicht nennen möchte, die Upload-Filter sollen kommen.“ Erstmals gebe es für Betreiber von bestimmten Online-Plattformen eine allgemeine Überwachungspflicht für die Nutzerinhalte, die automatisiert gescannt werden müssen. Der Bitkom bezweifelt zudem, dass die Kreativen von dem Gesetz profitieren. „Es ist hochwahrscheinlich, dass sie künftig in Summe weniger Lizenzeinnahmen erzielen als nach den alten Regeln“, so Dehmel.

Der Entwurf geht nun in den Bundestag. Sowohl der vzbv als auch Netzaktivisten wie Julia Reda fordern, die Abgeordneten müssten nun die Rolle der Nutzer stärken.