Leserartikel From Dusk till Dawn - Ageias Physik Traum

andi_sco

Legends of Tomorrow
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From Dusk till Dawn


Im Jahre 1981 betrat der IBM PC die Weltbühne, ausgestattet mit einer 8088 CPU. Für die Grafikausgabe gab es Steckkarten, die die einfarbige Darstellung von Text ermöglichten (Monochrom Display Adapter). CGA Karten, die bei 320x200 Pixeln 4 Farben boten, folgten rasch.
Für Gleitkomma Berechnungen gab es die Möglichkeit, eine 8087 CPU zu nutzen. Damit war einer der ersten Spezialprozessoren geboren, der aber schon mit intels 486 in die CPU wanderte.

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@Zombieeee (386?)

Die weitere Entwicklung der PCs schritt immer weiter voran, der nächste Quantensprung waren die Pentium CPUs, deren Konkurrenz AMD K5 auch nicht von schlechten Eltern war. Denn ab diesem Punkt kopierte man nicht mehr intel, man entwarf eigene Designs.
Auf dem Grafikkartenmarkt gab es eine unzählige Zahl von Wettbewerbern, die da wären, ATi, nVidia (GPUs ohne Markterfolg II - nVidias nv1 | ComputerBase Forum), dazu kamen noch NEC / Imagination Technologie (NEC PowerVR PCX – Wikipedia), S3, Number Nine und viele mehr.
Lange konzentrierten sich die Kanadier auf den Office Bereich, während die Kalifornier einen der ersten, wenn nicht sogar den ersten 3D Grafikchip für den Consumer entwarfen. Der absolute Flop nv1 war geboren.
Im Hintergrund scharrte aber eine weitere Kalifornische Firma mit den Hufen. Und was Ford mit seinem Modell T ist, war 3Dfx für spezialisierte Grafikchips: der Start in den Massenmarkt.
Die Voodoo Graphics und die Voodoo 2 brauchten beide noch eine 2D Karte, für die Bildausgabe abseits von 3D Anwendungen. Dafür waren die groben Pixelbilder nun in Auflösungen bis zu 1024 x 768 Pixeln möglich, inklusive Texturierung.

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Voodoo 1

In den nächsten Jahren erlebten wir immer schönere Bilder, der Himmel bewegte sich je nach Uhrzeit, Wasser plätscherte an den Strand und dieses wurde durchsichtig. Grashalme wogten im Wind.
Die Computer Gegner wurden nicht nur detaillierter, sie agierten auch immer schlauer. In Star Wars Dark Forces I und II können diese einen schon mal vergessen, wenn man nur hinter einer Kiste verschwindet.

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Star Wars Jedi Knight: Dark Forces II



Was haben wir bis jetzt erreicht:
  • 3D Level Design mit entsprechender Grafik
  • Tag / Nacht Wechsel
  • Beleuchtung inklusive Schatten
  • Detaillierte Modellierung der Charaktere
  • Sound
  • Ein gewisses Maß an KI

Was fehlt für den nächsten Sprung?
Physik, einfachste Physik

Doch jede Berechnung erforderte eine Menge Aufwand, der von der CPU erledigt werden musste.
Obwohl wir Taktraten über 3 GHz erreichten, Hyper Threading erschuffen, Dual-Core CPUs einführten. Die Rechenleistung war immer noch zu gering, um mehrere Physikeffekte Live auf den Bildschirm zu zaubern.
An Quad Cores war nicht zu denken und auch eine Erhöhung auf über 5 GHz war reine Utopie. Der Pentium 5 (was für ein Wortspiel – Penta für 5, gefolgt von einer weiteren 5), Codename Tejas+ hätte eventuell Taktraten über dieser magischen Grenze erlaubt.
Dafür hätte man die Pipeline Zahl auf massive 50 Stufen erhöhen müssen, was im ungünstigsten Fall ordentlich Leistung frisst. Der P3 hatte gerade mal 10, der erste P4 Willamete schon 20, der Prescott dann 31.

Mit der Havok Physik Engine führte man eine Softwarebibliothek ein, um diese zusätzlichen Effekte schnell und unkompliziert in die Software zu integrieren. Anfangs musste auch hier alles von der CPU gestemmt werden. Doch mit Einführung von Havok FX konnte man es auf jeder Shader Modell 3.0 Karte ausführen lassen.
Die ersten Vorteile sind klar ersichtlich, die massive Parallelisierung auf den GPUs erlaubte eine schnelle Abarbeitung der Aufgaben und auch die Kollisionsberechnung wurde Kartenintern abgefertigt.
Sämtliche Karten ab Geforce 6 und Radeon X1000 konnten mit den Bibliotheken umgehen.
Nur leider hatte der neue Eigentümer keine eigene GPU Linie – so stampfte intel die FX Engine ein und die Suche begann von neuem.

Parallel zu Havok FX reifte eine andere Lösung: spezialisierte Chips. Wie einst die GPUs, sollte es jetzt eine PPU ermöglichen.
  • P
  • P
  • U
Physics processing unit

Die Firma NovodeX war hier der Anfang.

Nach dem Sprung in 3D Welten, optisch wie auch Sound technisch, wäre dies die 3te Dimension in Hardware gewesen.

Eines der schlechtesten Beispiele für verkorkste Physik ist in meinen Augen Mafia 1 von 2002. Während die Story, das Flair, die Grafik vollkommen überzeugen konnte, tat die Physik das absolute Gegenteil. Kisten lagen auf einer spitzen Kante, Autos fuhren gegen den Bordstein und machten einen Salto – Realismus schaut anders aus

Das wollten die Schweizer ändern.
NovodeX war eine Ausgründung der ETH Zürich und bildete nach dem Aufkauf durch ageia (oder AGEIA) die Keimzelle der Hardware beschleunigten Physik. Wir erinnern uns, das Havok „nur“ freie Kapazitäten der GPUs nutzte.
Begonnen haben die Schweizer um das Jahr 2002 damit, Ihr Physik SDK Namens Steel zu vermarkten, dass im Einstiegssegment mit schlanken 95 US$ beworben wurde, das entspricht heute 157 US $.
Wollte man jedoch eine Win32 Anwendung schreiben, und benötigte eine einmalige Lizenz, lag man zwischen 9.500 und 39.500 US $, was 15.700 – 65.000 US $ nach heutigem Wert wären.
Die Lizensierung der Quake 2 Engine schlug im Jahr 2000 mit 125.000 US $ zu Buche, Quake III lag schon bei 300.000 US $ + 8% vom Verkaufspreis (215.000 und 516.000 US $).

Quellen:
NovodeX - Spieleentwicklungstechnologie (archive.org)
id Technology Licensing Program (archive.org)

SO nebenbei: warum zum Geier übersetzt Microsoft den März mit Verderben, auf archive.org???

NovodeX hatte aber keine reine Physik Engine nur für Spiele wie Unreal, sondern auch Forschungsinstitute nutzten diese.
Wobei selbst Fritz Schach 9 zu den Nutznießern gehörte – wo auch immer.

AGEIA schuf also einen Chip, der mit 125 Millionen Transistoren etwas größer als ATi’s R300 und nVidia’S nv30 war.

Dell Ageia PhysX ES Sample (4-2).JPG


Die technischen Daten:
  • 125 Mio. Transistoren
  • 130nm
  • 28W TDP
  • Chiptakt nicht gesichert
  • 32 Bit PCI 3.0 oder PCIe x1 (1.0?)
  • 128 MB GDDR3 @ 733 MHz
  • 128 Bit Speicherinterface
  • 12 GB/s Speicherbandbreite
  • 2 Tbit/s interne Chip Kommunikation, ca. 232 GB/s
  • 20 Milliarden Anweisungen pro Sekunde
  • Sphere – Sphere Kolliosionen von 530 Mio./s
  • Convex – Convex (komplexere) von 533.000/s

Ein starker Chip, mit Potential, der nur durch eines ausgebremst wurde: der Verkauf an nVidia.
Warum war das so schlimm? Schließlich brachte es nVidia auf die GPUs und war gleichzeitig auch ein Finanzstarker Partner, was der Weiterentwicklung helfen sollte.
Auch konnte Ageia über 60 Publisher, Entwickler und Technologie Partner für Ihr Projekt gewinnen.
Ja, die Funktionen der PPU landeten auf GPUs, leider nur auf die aus Santa Clara. ATi/AMD, PowerVR und co. waren außen vor.
Es heißt, das ATi/AMD zu viel Technologie offenlegen sollte, und das aus nachvollziehbaren Gründen nicht wollte.
So wurde eine gute Idee zu einer Randerscheinung. Denn die diskreten Beschleuniger wurden eingestampft, man konnte schließlich eine zweite Geforce für die Berechnungen nutzen. Theoretisch und praktisch auch im Verbund mit ATi/AMD. Letzteres scheitert bei mir zurzeit. So will die Ageia Karte nicht mit einer Radeon HD 4850 zusammenarbeiten.

Jahre später testete die PCGH PhysX auf moderneren GPU-Beschleunigern. Hier konnte der alte Chip sein volles Potential zeigen. Sobald die Physik auf einer Geforce GTX 260 lief, war die Ageia 30% schneller. Lagerte man die Berechnungen auf eine zweite Geforce aus, wurde die Geforce 9600 GT geschlagen und man näherte sich der 9800 GT.
Hier muss man sich vor Augen führen, dass die diskrete Karte mit 28W angegeben ist, während 9600 und 9800 jeweils 95W mit 500 Mio. und 125W mit 750 Mio. Transistoren gelistet sind.

XFX Grafik Triple (1-001) 16zu9.JPG

XFX Fatal1ty 7600 GT, im Hintergrund XFX Geforce GTX 260

Gigabyte Passiv X1600 Pro (1-2) 16zu9.JPG

Gigabyte Radeon X1600 Pro


Wäre der Einführungspreis mit 300€ nicht so hoch gewesen, hätte sich die Technik weitaus stärker durchsetzen können.
Zum Vergleich: meine Radeon 9700 hat Anfang 2003 320€ gekostet. Eine Radeon X1600 Pro 110€, eine Geforce 7600 GT 210€ und eine Dual GPU Karte a la 7950 GX2 lag bei günstigen 540€.

Heute spricht keiner mehr über dieses vergessene Leistungswunder, lasst es uns ein letztes Mal aufleben, bevor es komplett in den dunklen Ecken der Vergangenheit landet.


From Dusk till Dawn - Von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen

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Schöne Erinnerungen hatte ich an meine Physx Karte (BFG) auch wenn der Lüfter alles andere als gut war. Das eine AMD und Nvidia nicht zusammen laufen wollen könnte eine absichtliche Blockade im Nvidia Treiber sein (zumindest meine ich davon vor Jahren mal gelesen zu haben).
 
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holdes schrieb:
Schöne Erinnerungen hatte ich an meine Physx Karte (BFG) auch wenn der Lüfter alles andere als gut war. Das eine AMD und Nvidia nicht zusammen laufen wollen könnte eine absichtliche Blockade im Nvidia Treiber sein (zumindest meine ich davon vor Jahren mal gelesen zu haben).


War eine absichtliche Blockade, die jedoch mit DX12 wohl fallen gelassen wurde.
Was dann auch der Grund war, wieso es danach kaum noch PhysX-Titel gab. Imo hat Nvidia das PhysX-SDK auch zu OpenSource erklärt.
 
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Schöner lesenswerter Artikel, vielen Dank dafür. Gerade erstmal beim Kaffee zu Gemüte geführt :daumen:
 
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Ja nicht schlecht, wobei für die Überschrift halt der Fokus des Artikels doch recht breit gefächert und der Inhalt relativ...allgemein gehalten ist. Hatte auf etwas mehr "Tiefe" gehofft. Hier steht jetzt nix, was man als halbwegs Hardware-affiner PC User nicht schon irgendwie im Laufe der Zeit aufgeschnappt hätte.
Für Hardware-Einsteiger/Neulinge aber bestimmt ein guter Einblick. Ist ja auch schon wieder ein paar Tage her :)
 
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