Ist das "Ende" der Globalisierung nahe? Folgen?

gaunt

Lt. Commander
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Hi
vor einigen Tagen titelten etliche Medien, dass das Ende der Globalisierung nahe sei. Dabei stützen sie sich (fast alle) auf einen Bericht der Welt am Sonntag. Diese Nennt als Quellen "Weltweit anerkannte Ökonomen". Namentlich genannt werden: David Kohl, Simon Evenett, Gabriel Felbermayr und Jagdish Bhagwati.
Aber auch vor den Meldungen der letzten Tage gab es immer wieder "mahnende" Worte, einige Studien stammen allerdings sogar aus der Zeit kurz vor dem zuletzt identifizierten Peak der Globalisierung.

http://www.welt.de/wirtschaft/artic...-prognostizieren-Ende-der-Globalisierung.html
http://www.focus.de/finanzen/news/k...n-das-ende-der-globalisierung_id_5893536.html
http://www.manager-magazin.de/polit...ist-die-globalisierung-am-ende-a-1110813.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/welthandel-die-globalisierung-stoesst-an-grenzen-14007124.html

Zusammengefasst gibt es folgenden O Ton:
Höhepunkt der Globalisierung (laut "Globalisierungsindex") sei 2007 gewesen. Die Wirtschaftskrise(n) hätten dazu geführt, dass mehr Länder Protektionistische Maßnamen ergriffen haben. Zudem habe die Medienpräsenz von Terror und Bürgerkriegen die Bevölkerung in den Industriestaaten verunsichert. Gefördert wurde dadurch ein Trend hin zum Nationalismus.
Belegt wurde dies mit Hinweisen auf TTIP wo die Verhandlungen trotz Geheimhaltung und eigentlich perfekten Bedingungen (an den Verhandlungen nehmen primär Wirtschaftsvertreter teil) bestenfalls halbherzig geführt würden. Angeführt werden auch diverse Maßnahmen wie Schutzzölle, Währungsmanipulationen, Handelsbeschränkungen u.ä.. China und die USA werden hier primär genannt.
Aber auch TTIP selbst wird als Grund für die Skepsis angeführt. Aufgrund seiner Ausmaße und unkalkulierbaren Folgen gepaart mit dem undurchsichtigen Verhandlungsmodus habe es zu einer Grundlegend ablehnenden Haltung der Bevölkerung (nicht nur in Europa) geführt.
Einige "Experten" folgern, dass ein TTIP somit nunoch unter Obama Ratifiziert werden können, da Trump strikt dagegen und Clinton zumindest sehr skeptisch sei.
Ein weiterer Punkt der angeführt wurde sei, dass der Trend zum Outsourcing rückläufig sei. Die Löhne ziehen auch in Entwicklungsländern an und zudem wäre der Faktor dank zunehmender Automatisierung nicht mehr so relevant wie noch vor 20 Jahren. Hinzu kämen insbesondere politische, soziale und wirtschaftliche Unwägbarkeiten.

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Das eine gewisse Skepsis vorherrscht ist nicht neu und zeigt sich in vielen anderen Threads. Aber wie seht ihr das:
- Schwenkt die Welt weg von einem zusammenwachsen (primär aus wirtschaftlichen Gründen) hin zum Protektionismus und Nationalismus?
- Oder seht ihr die gegenwärtigen Indikatoren eher als kurzfristigen Dämpfer?
- Wie soll Deutschland damit umgehen? Unabhängig davon wieviel beim Bürger ankommt und wie es verteilt ist. Unumstritten ist das Deutschland Volkswirtschaftlich von der Globalisierung enorm profitiert.
- Welche Risiken schätzt ihr gewichtiger ein. Die durch die Globalisierung oder die durch Protektionismus und Nationalismus?
- Werden globaler Klimaschutz und andere globale Probleme damit unlösbar?
- Gibt es Alternativen? Also analog zur sozialen Marktwirtschaft eine soziale Globalisierung?
...

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Ich sehe es so:
Wirtschaftlich hat Deutschland sowohl von der Globalisierung als auch von den Wirtschaftskrisen in Summe im Vergleich zu unseren Nachbarn volkswirtschaftlich profitiert. Wir sind international sehr Konkurrenzfähig. So sehr das wir für unseren Handelsüberschuss heftig kritisiert werden. Leider sind die Gewinne ungleich verteilt. Die unteren Schichten profitieren garnicht sondern leiden unter den Folgen. Wer heute nen guten Job hat profitiert aktuell, sieht aber einer ungewissen Zukunft entgegen. Wirklichen Benefitt haben nur wenige.
Die Lösung globaler Probleme wird schwieriger. Egal ob es um Umweltthemen oder Krisenherde geht. Es werden sich vermehrt kleine und volatile Koalitionen bilden um kurzfristige Interessen durch zu setzen.
Protektionismus wird neue Konfliktherde schaffen. Der Nationalismus in den Ländern kann dann dazu führen, dass sich kleine Problemchen hochkochen bis keiner mehr einen Rückzieher machen kann ohne im Inland sein Gesicht zu verlieren. Das sehe ich durchaus als Risiko an.
Neben den Risiken gibt es aber auch Vorteile einer gebremsten Globalisierung. Evtl. können z.B. Bauer mit geringerer Konkurrenz ihre Produkte teurer vermarkten. Klar, erstmal doof für die Kunden, aber die Preise insbesondere für Lebensmittel sind hierzulande enorm günstig.
Von einer gedämpften Globalisierung könnten allerdings die dritte Welt Länder profitieren. In den diversen Freihandelsabkommen sind sie i.d.R. nicht involviert, oder werden aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit unter gebuttert.
Schlussendlich sehe ich die aktuelle Entwicklung jedoch nicht als Ende der Globalisierung sondern bestenfalls als eine Bremse. Die Kräfte welche für eine Globalisierung sind haben enormen Rückhalt sowohl in der Politik als auch erst recht in der Wirtschaft. Wirklich stoppen kann man die Globalisierung in meinen Augen nicht, auch wenn einige Experten anderes behaupten. Dafür sind die Verflechtungen bereits zu intensiv. Allerdings kann die Kombination aus Verflechtungen und Protektionismus auch den großen Knall verursachen. Europa und Ostasien stehen hier in meinem Auge im Focus. Im Moment versuchen die USA noch Asien und Europa gegeneinander auszuspielen. Aber die Amis haben sich schon mehr wie einmal verzockt.

Fazit:
Ein bisschen auf die Bremse treten, innehalten und Nachdenken ob zügellose Globalisierung gepaart mit einem gnadenlosem Raubtierkapitalismus wirklich das non plus ultra ist Beführworte ich durchaus. Allerdings sehe ich enorme Risiken in Bezug auf die politische Stabilität großer Regionen woraus globale Konflikte entstehen können.
Wünschen würde ich mir eine soziale Globalisierung, halte das aber für unrealistisch.

PS: Bitte kein primitives "Die Amis sind eh an allem Schuld" oder Verschwörungsgebashe.
 
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