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[Review] Valiant Hearts: The Great War

C

c137

Gast
Nach langem Warten ist am 25.06.2014 endlich Valiant Hearts: The Great War von Ubisoft (Publisher und Entwickler) für Xbox One, 360, PC, PS3 und PS4 erschienen.
Ich habe es gleich auf meine Xbox One geladen, denn schon seit ich von dem Spiel erfahren habe wollte ich es unbedingt spielen.
Hier nun meine Eindrücke zum Spiel, als eine Art User-Review. (Ich werde versuchen, möglichst nicht zu spoilern.)


Was ist das besondere an Valiant Hearts?

Nun, zunächst setzt es wie Child of Light auf das UbiArt-Framework und bringt mit seinem Comicstil ein detailreiches, bedrückendes, karikaturistisches Artdesign mit. Die Zeichnungen sind allesamt gut gemacht, die Hintergründe sind teilweise wirklich beeindruckend, der Detailgrad ist perfekt für ein solches Comic-Adventure.

Dann wäre da natürlich das Thema: der Erste Weltkrieg, dessen Beginn sich heuer zum hundertsten Male jährt. Es gibt kaum Spiele, die sich mit ihm beschäftigen. Aktuelle sowieso nicht, da scheint man fest auf den Zweiten Weltkrieg fixiert zu sein; da hat Valiant Hearts definitiv ein Alleinstellungsmerkmal.
Außerdem hat Valiant Hearts den Anspruch, historisch korrekt zu sein. Ubisoft unterhielt sich daher mit Historikern und sichtete viele zeitgenössische Dokumente und Gegenstände, welche auch Einzug ins Art Design finden.
Über 100 historische Objekte gibt es zum Sammeln (natürlich bekommt man ein Achievement mit 200 Gamerscore wenn man alle gefunden hat, 125GS für 50 gefundene Teile). Dazu kann man sich im Menü geschichtliche Fakten ansehen, die mit Originalfotos bebildert sind.
Von dieser Perspektive aus ist Valiant Hearts mehr Edutainment als ein normales Videospiel. Es lädt jedenfalls definitv dazu ein, sich ernsthaft mir der Geschichte im frühen 20. Jahrhundert auseinanderzusetzen.

Zur Story verraten die Trailer eigentlich alles, was man zunächst wissen muss: Es geht um eigentlich ganz normale Menschen, die in der Herausforderung eines unmenschlichen Krieges bestehen müssen.
Karl ist Deutscher, lebt aber mit seiner Frau Marie, seinem Sohn und seinem Schwiegervater Emile in Frankreich. Als der "Große Krieg" beginnt ("Erster Weltkrieg" ist natürlich eine Bezeichnung, die erst weit im Nachhinein eingeführt wurde) wird er des Landes verwiesen und vom Deutschen Heer eingezogen. Kurz darauf wird auch Emile von der Armée de terre einberufen. Er lernt bald den US-amerikanischen Freiwilligen Freddie kennen und begegnet dann dem Sanitätshund Walt, der alsbald treuer Begleiter wird. Schließlich lernen sie die belgische Tierärztin Anna kennen, die sozusagen als Sanitäterin aushilft. Selbstverständlich kreuzen sich die Pfade all dieser Charakter.
Im Prinzip ist der Feind aller der Krieg. Allerdings personifiziert sich dieser im deutschen Bösewicht Baron von Dorf. Dieser ist mehr eine Karikatur - und passt meiner Meinung nach daher stilistisch ganz hervorragend (auch wenn dies einige andere Reviews anscheinend anders sehen).
Dieser hat Annas Vater entführt, um seine wissenschaftlichen Erkenntnisse für moderne Kriegführung einzusetzen. Freddie hat auch noch eine persönliche Rechnung mit ihm zu begleichen.
Im dritten Kapitel wird man von Dorf recht schnell endgültig los. In den Kapiteln vorher aber gibt es zwei beinahe nervige, etwas unpassende "Bosskämpfe".

Aber: Bei von Dorfs überzeichnet-grimmigem "Vorwärts Marsch!" hätte ich mich fast weggeworfen vor Lachen.
Ganz humorig sind auch die Stereotypisierungen der Deutschen (Wurst und Bier) und Franzosen (Wein).
Es gibt vier Kapitel, in denen man alle Protagonisten steuert und mehrere Rückblenden erlebt. Insgesamt braucht man für die Story etwa 6-8 Stunden, während der man Kriegsdienst leistet, flieht, Soldaten und Zivilisten rettet und selbst um's Überleben kämpft.
Dabei erlebt man den Bewegungs- und den Grabenkrieg, Kämpfe in Tunneln und mit Panzern, Luft- und Giftgasangriffe, Artilleriebeschuss, Kriegsgefangenenlager, Zerstörung und die Folgen des Krieges für die Zivilbevölkerung. Zentrale Themen sind Liebe, Freundschaft, Aufopferung/Hilfsbereitschaft aber auch Not und Leid.

Die Bedienung mit dem Controller geht meist leicht von der Hand, Rumble wird bei Explosionen sinnvoll eingesetzt.
Man läuft mit dem linken Analogstick, der Hund wird nie direkt gesteuert; der Spieler gibt ihm Kommandos, indem er die Schultertaste drückt hält, worauf sich die Spielwelt schwarz-weiß (ent)färbt, dann können einzelne Befehle, immer gebunden an Gegenstände) erteilt werden. Das Zielen beim Werfen von Gegenständen wird mit dem Ziehen eines Triggers eingeleitet, wonach man eine gepunktete Wurfbahn wie bei Angry Birds zu sehen bekommt, welche mit dem Analogstick verändert werden kann; geworfen wird dann mit A.
Die Rhythmus-Reaktionsspielchen (praktisch Quicktime-Events auf ABXY), die man als Anna durchmachen muss, um Verletzte zu verarzten, führen möglicherweise zu einer komischen Controllerhaltung, um zuverlässig zwei Knöpfe gleichzeitig drücken zu können.
Die Autofahr-Missionen - Ausweichen zu stimmungsvoller klassischer Musik (z.B. Ungarischer Tanz Nr. 5) - spielen sich am leichtesten mit dem D-Pad.
Die Rätsel sind allesamt recht klassisch gehalten. Logisch aufgebaute Schalter- und Rohrrätsel sowie Hole-dies-dann-bekommst-du-das-Aufgaben sind die Regel.
Es gibt auch meist einfache Schleichmissionen, bei denen nur das Timing des Versteckens wichtig ist. Dennoch sind gerade diese emotional mitreißend inszeniert.
Wenn man mit Karl aus dem französischen Kriegsgefangenenlager flüchtet, bekommt man richtig Angst vor diesen Leuchtkugeln.
Auch das Verstecken hinter einer Vogelscheuche (und etwas anderem, das ich hier jetzt selbst mit Spoilerwarnung nicht spoilern will) bringt viel Stimmung mit.

Emotional wird die Rettung von französischen und auch deutschen Soldaten während des Tunnelkriegs durch Emile.
Gerade dort fragt man sich schon, warum Menschen auf andere Menschen schießen müssen, wo sie doch eigentlich nichts gegeneinander haben.
Wirklich schwer ist das Spiel nicht, wobei es schon auch ein, zwei ganz knackige Stellen gibt. (Zum Ende hin gibt es schon eine nicht ganz einfache Stelle - diese kann leider sogar frustrierend sein.) Schwer will und soll es aber auch nicht sein - Valiant Hearts will seine Geschichte erzählen, mitreißen und zum Nachdenken bringen. Das schafft es allemal.

Die emotionale Bindung an die Charaktere ist schnell recht hoch, obwohl oder gerade weil sie während des Spiels nicht wirklich sprechen.
Es gibt persönliche Tagebucheinträge, vorgelesene Briefe und einen Erzähler, der die einzelnen Levels in einen Zusammenhang, auch geschichtlicher Art, setzt. Sonst gibt es Sprechblasen mit Symbolen und ein paar Wortfetzen in der jeweiligen Muttersprache der Protagonisten.
Eine allzu tiefe Hintergrundgeschichte sollte man sich nicht erwarten, man erfährt aber genug um sich in die Lage der Figuren zu versetzen und mitzufühlen. Durch die eher allgemeine Ausgangssituation wird einem auch klar gemacht, dass das Schicksal in einer solchen Situation jeden treffen kann.

Die Zeichnungen sind liebevoll, die Animation passend. Hervorragend. Mehr gibt's dazu nicht zu sagen.

Die Story ist ein bisschen 08/15 (themenbezogene Redewendung!), aber dann auch wieder nicht. Ein paar Elemente könnten aus jedem Hollywood-Kriegsfilm stammen, aber die Kombination und die Erzählweise sind anders, als man es von derartigen Filmen und Spielen gewohnt ist. Das Setting jedenfalls ist unverbraucht, die Erzählung gut. Es gibt keine krassen Lücken, Abwechslung wird auch geboten; das Tempo ist dem Thema angemessen nicht zu schnell. Man bekommt schon ein Gefühl, wie es im Krieg so zuging; nicht auf dieselbe Art wie bei Band of Brothers, aber ein gewisser schockierend-deprimierender Effekt ist schon vorhanden.
Dazu gibt es humoristische Einlagen passend zum visuellen Stil und berührende Momente, die zusammen den Eindruck verstärken anstatt sich gegenseitig abzuschwächen.
Moralisch-didaktisch richtig wird übrigens bei der Rettung von Verletzten und Verwundeten nicht zwischen Freund und Feind unterschieden. Gegner werden auch nicht getötet, sondern maximal bewusstlos geschlagen, wobei die Folgen dieser Gewaltanwendung durch den Spieler ausgeblendet werden. Muss man mal etwas sprengen, merken das die gegnerischen Soldaten und fliehen rechtzeitig vor der Explosion. Die Beschreibung "wir töten nicht, sondern der Krieg tötet" passt hier also.
Die Charaktere sind sowohl metaphorisch als auch im wörtlichen Sinne detailreich und liebevoll gezeichnet. Ihre Motive sind nachvollziehbar, ihre Stimmung verständlich. Hund Walt avanciert dabei schnell zum Liebling des Spielers.
Bedeutet: Hat man einmal angefangen, lässt einen Valiant Hearts nicht mehr los.

Stellenweise ist das Spiel ein wenig frustrierend, was hauptsächlich die Speicherpunkte betrifft. Einmal bin ich durch Bombardement gestorben, das Spiel wurde aber unpraktischerweise so wieder geladen, dass ich keine Chance hatte zu entkommen. Daher bin ich an dieser Stelle noch ein paar mal umgekommen, bis irgendwann plötzlich die Hälfte der Bomben nicht mehr fiel.
Die mehrstufige Hinweis-Funktion, die mit einem begrenzenden Timer eigentlich gut gelöst ist, kam bei mir praktisch nie zum Einsatz. Nur als ich sie einmal meinte zu brauchen, erklärte sie mir zunächst das Offensichtliche, nicht das was ich zur Lösung eigentlich benötigte - aber das mag ja individuell sein bzw. vielleicht v.a. für jüngere Spieler gar nicht mal schlecht. Das hätte Ubisoft Montpellier trotzdem etwas flexibler gestalten können.
Ein Clippingfehler ist mir auch aufgefallen: da schaute plötzlich der halbe Hund durch die Holzwand im ersten Stock eines Hauses.

Das alles ist jedoch nicht schlimm, denn die tiefe Atmosphäre und Authentizität wiegen (im positiven Sinne!) viel schwerer.
Habt ihr nach vier Kapiteln das hochemotionale Ende erreicht, empfehle ich euch, den Abspann ganz bis zum Ende anzusehen.

Jugendschutz: Obwohl das Spiel nur als Downloadtitel erhältlich ist (Xbox Store, UPlay, Steam und Playstation Store) wurde eine USK-Prüfung durchgeführt. Valiant Hearts erhielt die Freigabe ab 12.
Das ist meiner Meinung nach auch in Ordnung, immerhin geht es hier um einen menschenverachtenden industriellen Krieg, allerdings eben doch im Comic-Stil. Mit diesem [Krieg (nicht Comic-Stil)] beschäftigt man sich im heutigen Geschichtsunterricht aber kaum ausführlich genug - auf eine gewisse Art und Weise kann Valiant Hearts hier einen Bildungsauftrag erfüllen.

DRM: Wie bereits erwähnt ist das Spiel nur als Download erhältlich. Bei allen Plattformen wird es daher an den Account des Käufers gebunden und kann nicht weiterverkauft oder verliehen (Ausnahme: Steam, in Zukunft vll. auch Family Sharing bei Xbox) werden.


Fazit: Lohnt sich das Spiel?
Definitiv ja! 15€ ist ein angemessener Preis; es ist zwar kein perfektes Spiel, aber sicher eines, das man gespielt haben sollte.
 
Zuletzt bearbeitet: (Grammatik)
Danke für die Review, aber ich hab das Gefühl, dass dieses Spiel ein perfektes Gratisspiel für PS+ Besitzer ist. Ich wird wohl erst mal ein paar Monate warten.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es von Ubisoft schon mal was Gratis gab bei PS+.
 
Das habe ich mir auch gedacht, dass es bestimmt irgendwann gratis mit Xbox live Gold zu bekommen sein wird.
So oder so finde ich Valiant Hearts empfehlenswert. Spätestens wenn es gratis ist, gibt es keine Ausrede mehr :D

Aber ehrlich, die 15€ finde ich OK und gut investiert.

Edit 16.09.2014:
Bis zum 22. September 2014 gibt's für Goldmitglieder 33% Rabatt für die Xbox-One-Version, auf die für die 360 sogar 50%: http://majornelson.com/2014/09/16/weeks-deals-gold-10/
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für das lesenswerte Review. Sehe es wie Yibby, das Game schreit geradezu nach einem PS+ Release - irgendwann :).
 
Ja, es passt in das Raster "Games with Gold"/"PS+".
Aber nicht vom Radar verlieren ;)

Side Note: die "großen" Reviews wären sicher besser ausgefallen, wenn es sich um ein echtes Indiespiel gehandelt hätte.
 
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