Seid ihr auch immer öfter von technologischen Fortschritt desillusioniert?

Hmmmm...

Desillusioniert vom technologischen Fortschritt?
Diesen Gedanken hatte ich zugegebenermassen auch schon etliche Male...

Bei genauerer Betrachtung muss ich allerdings antworten: Nein.

Je differenzierter ich darüber nachdenke, desto eher komme ich stattdessen zu dem Schluss dass ich eigentlich viel eher von Menschen desillusioniert bin die technischen Fortschritt benutzen.
Und ich möchte klarstellen, dass das natürlich nicht als Verallgemeinerung gilt.

Beispiel:

Was mir beim Internet als technologischer Meilenstein aufgefallen ist, fällt mir derzeit gerade beim Thema KI wieder auf. Der technologische Schritt ist ein anderer, was mich desillusioniert ist aber dasselbe.

Beides ist im Grunde ein fantastisches Werkzeug, das bei richtiger Anwendung unheimlichen Mehrwert bieten kann.
Aber wie es mit grundsätzlich jedem Werkzeug ist, bei falscher oder bewusst misbräuchlicher Anwendung kann es mehr schaden als nutzen.

Ich denke es ist der gleiche Menschenschlag der bei mir seinerzeit Kopfschütteln ausgelöst hat, wegen Aussagen wie "Aber ich hab's doch im Internet gelesen!", der heute so etwas sagt wie "Aber die KI hat's doch gesagt!".

Und das ist eher das was mich desillusioniert.

Manch technologischer Fortschritt verleitet einige Menschen dazu willentlich:
  • sich selbst immer weiter zu entmündigen
  • aufzuhören selbst nachzudenken
  • aufzuhören Informationen und Quellen zu hinterfragen
  • immer unselbständiger zu werden

Und DAS macht mir persönlich mehr Kummer als es der technologische Fortschritt als solcher je könnte.
 
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fram schrieb:
Beides ist im Grunde ein fantastisches Werkzeug, das bei richtiger Anwendung unheimlichen Mehrwert bieten kann.
Aber wie es mit grundsätzlich jedem Werkzeug ist, bei falscher oder bewusst misbräuchlicher Anwendung kann es mehr schaden als nutzen.
Richtig, dies galt auch für die durch die Industrialisierung ausgelöste Massenproduktion. Erstmals war es möglich, Abermillionen Menschen außerhalb der Eliten ausreichend zu ernähren, medizinisch zu versorgen, flächendeckend zu impfen und Konsumgüter für einen würdevollen Alltag bereitzustellen. Das war eine große Errungenschaft.

Gleichzeitig ließ sich nicht mehr nur hundert Geschütze im Monat bauen, sondern zehntausend. Nicht mehr hundert Granaten, sondern zehn Millionen. Und nicht mehr zehntausend Soldaten ausheben, sondern über eine Million. Die Folgen sind bekannt.

Vermutlich hat auch der Menschenschlag, der einst jubelnd in die Schützengräben zog, Kopfschütteln ausgelöst, so wie es heute die oft peinliche Selbsterniedrigung auf TikTok tut. Ich würde sogar sagen, dass Social Media und KI für die Gesellschaft eine deutlich geringere Herausforderung darstellen als damals das Eindämmen der negativen Folgen der Produktivitätsexplosion nach 1900. Die Art der Herausforderung ist heute nur eine andere.

Ich sehe das daher weniger als „Doomerlike“, als es in den Medien häufig klingt. Technischer Fortschritt ist weder schwarz noch weiß und geht immer mit einem Anpassungsprozess einher, der kontinuierlich stattfindet. Es ist eben doch etwas anderes als in einem Civilization.
 
Ich würde mich auch nicht als desillusioniert bezeichnen. An manchen Themen, die mich früher stark interessiert haben, habe ich halt das Interesse verloren - aus diversen Gründen. Sei es an PC-Hardware und deren Entwicklung weil ich schlicht persönlich nichts davon habe. Wenn ich mal ein Spiel anwerfe, dann macht das der Einfachheit halber die Playstation. Die Workstation am Arbeitsplatz wird alle paar Jahre getauscht, da kümmert sich unser Admin drum.
Smartphones können seit (Modell)Generationen deutlich mehr als ich brauche.

In meiner Schlosserlehre vor 25 Jahren war das Akku-Schweißgerät irgendwas zwischen Witz und Traum. Heute kann man sowas a) für Überschaubares Geld kaufen und b) wieder erwarten alleine tragen. Da wo man früher für eine einfache Reparaturschweißung teilweise ne Stunde Vor- und Nacharbeit hatte geht man jetzt mit so einem Ding hin und ist in 5 Minuten fertig.

3D-Druck ist ein weiteres Thema das mich persönlich reizt und wo die Fortschritte sowohl im Markt der Consumer bzw Spielzeugdrucker, als auch im Markt der professionellen Lösungen, sehr schnell sind. Sei es durch solche Geschichten wie Core XY Drucker als Nachfolger der Bettschüttler, Mehrfarbdrucker, ein immer breiter werdendes Spektrum an Filamenten usw. Aus Zeitgründen komme ich da aber tendenziell nur im Winter zu.

Im Bereich Auto betrachte ich auf der einen Seite fasziniert die zügige Entwicklung der E-Autos und Akkutechnologie und bin auf der anderen Seite eigentlich immer genervt wenn ich modernes Auto fahre, in dem mir alle möglichen Assistenzsysteme was vorpiepsen. Am Ende hat mir der gleiche Mistkarren, der mich vorher immer erbost ermahnt hat wenn ich mal 2-3 km/h zu schnell war, urplötzlich in die Leitplanke gelenkt. Die gelben Fahrbahnmarkierungen auf der Autobahn machten ja einen Bogen... Toller Fortschritt, der mir das Lenkrad aus der einen Hand reißt und einen Unfall verursacht.

Mein Kontakt zu KI beschränkt sich auf eine App zu Fertigungsmaschinen, die Anhand von Fotos mehr oder weniger erfolgreich Teile identifizieren kann. Aber dafür, das KI ein doch eher junges Thema ist, funktioniert das auch mit bewusst ungünstig gemachten Bildern erstaunlich gut.

Auf der anderen Seite habe ich mit meinen 43 Jahren halt auch erlebt wie disruptiv die Kombination aus Smartphone und Internet unsere Kommunikationsgewohnheiten verändert hat.
 
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