Wird Arbeiterkindern tatsächlich das Studieren von Staatsseite aus erschwert?

Haben Arbeiterkinder die gleichen Chancen zum Studium wie Akademikerkinder?

  • ja, gleiche Chancen

    Stimmen: 40 71,4%
  • nein, Arbeiterkinder werden benachteiligt

    Stimmen: 16 28,6%

  • Umfrageteilnehmer
    56
  • Umfrage geschlossen .
In der Arbeiterklasse (Mittelschicht) kann heutzutage jeder tun was er will.

vielleicht schimpfen gerade deswegen viele auf das System.
man hat alle Möglichkeiten, aus irgendwelchen gründen konnte man die aber nicht Nutzen.
Jetzt könnte man sich selber sie schuld geben, oder man gibt die schuld einfach "denen da oben"
 
Ich sehe den Grund für die geringere Anzahl an Studierenden aus dem Arbeiter-Mileu nicht auf staatlicher Seite sondern eher im familiären Umfeld. Das erlebe ich hautnah auch in meinem Bekanntenkreis: Da werden hochintelligente Kinder, die das Abi locker schaffen würden und studieren könnten, von den Eltern auf die Realschule geschickt weil da die Freunde des Kindes auch hingehen und weil eine Lehre ja schließlich auch "reichen" würde...
Diese Entwicklung liegt aber außerhalb des Verantwortungsbereiches und der Einflussmöglichkeiten des Staates. Gleiche Bildungschancen für alle sind meines Erachtens weitestgehend vorhanden.
 
Ich seh es ähnlich, dass alle die gleichen Chancen haben. Es gibt soviel finanzielle Förderungen, Bafög, Wohngeld (kann man auch + Bafög beziehen in Städten wo die Mieten hoch sind), Stipendien und Werkstudententätigkeiten. Immer mehr Unis bieten Teilzeitstudiengänge an, ich selber habe ein 50% Studium an der TUM gemacht, da ich nebenbei noch gearbeitet habe um es mir überhaupt leisten zu können. Meine Eltern haben weder für meinen Bachelor (dual in Hamburg) noch für mein Master (an der TUM) Geld bezahlt - was ich auch überhaupt nicht gewollt hätte, meine Eltern verdienen selber recht wenig, die sollen das Geld lieber für sich behalten.

Wer der Meinung ist, dass die Arbeit der Eltern die eigentlichen Möglichkeiten beschränken würde, der sucht nur nach einer Ausrede.
 
Es geht hier nicht nur um das Geld. In manchen Familien bzw. Freundeskreisen ist studieren nunmal immer noch verpönt und wird auch so vermittelt.
Mein Onkel hatte vor Jahren auch als quasi erster der Familie eine höhere Schule abgeschlossen und wollte nach ein paar Jahren Arbeit doch noch studieren. (Nach der Schule wäre es undenkbar gewesen, er war ja jetzt eh schon so lange in der Schule). Seine Familie/Freunde haben ihm aber davon abgeraten, er verdiene doch gut, warum soll er das jetzt aufgeben und ein Studium ist sowieso sinnlos etc. Am Ende hat ers nicht gemacht und heute bereut er es, auch wenn jetzt kein riesiger Nachteil entstanden ist.

Wobei ich nicht diesen Schritt als Hauptproblem sehe, zu dem Zeitpunkt bin ich erwachsen und sollte selber entscheiden - auch wenn man Fehler macht. Wichtiger ist wohl die Frage ob man ein Abi macht oder nicht, denn ohne gestaltet sich die Studiumsfrage ungleich schwieriger (auch wenns möglich ist) und das ist eine Entscheidung bei der dann doch eher das Umfeld bzw. die Eltern zum Großteil einflussgebend sind.
 
Erst einmal sollten wir uns alle hier auf eine Frage einigen, von der einige leider sehr stark abweichen.
Ausgang war folgende Frage: "Haben Arbeiterkinder die gleichen Chancen zum Studium wie Akademikerkinder?".

Die Antwort auf diese Frage lautet ganz klar nein.
Jedoch liegt die Ursache wie viele hier scheinbar denken nicht ausschließlich auf der finanziellen Ebene, sondern stärker noch am Umfeld.

ayngush hat die Ursachen für die niedrigere Beteiligung der Arbeiterkinder schon sehr schön dargestellt. Das Problem besteht nicht erst beim Übergang von der weiterführenden Schule an die Hochschule, sondern schon in der Grundschule.

Kinder aus Arbeiterfamilien werden einfach weniger gefördert, da sich ihre Eltern nicht gleichermaßen wie Akademiker im Schulsystem auskennen, sie weniger eigenständig bei Schwierigkeiten helfen können und weniger Geld vorhanden ist um Förderung zu bezahlen.
Außerdem fördern die Eltern aus Arbeiterfamilien ihre Kinder meist weniger, da sie nicht den Sinn darin sehen. Es ist schlicht und ergreifend die Gewohnheit, dem Kind den gleichen Lebensstandard ermöglichen zu wollen den man selbst hat und deshalb fördern Eltern ihre Kinder meist so, dass der familiäre Status erhalten werden kann und nicht so, dass es einen Statusaufstieg gibt.

Aufgrund dessen sind die schulischen Leistungen von Arbeiterkindern häufig schlechter, als die anderer Kinder. Natürlich gibt es auch sehr viele Arbeiterkinder bei denen dies nicht der Fall ist und die sogar besser sind als die Kinder von Akademikern, dann tritt jedoch meist der Fall ein, dass die Eltern versuchen ein Studium auszureden bzw. die Situation als schwierig darstellen, sodass sich dagegen entschieden wird.
Die Eltern entscheiden beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarschule meist ohne das Kind, welcher Bildungsweg eingeschlagen wird und mit der Wahl der Realschule für ein sehr begabtes Kind liegt schlicht und ergreifend eine Benachteiligung vor, die jedoch keine finanzielle Basis hat.


Diese Aussage stimmt so nicht. Die Kosten-Nutzen-Abwägung macht einen sehr großen Teil der Bildungsentscheidung aus, in Kombination mit dem jeweiligen Habitus, also den Gewohnheiten einer Person.
Die Prägung durch das Umfeld, der Einfluss den die Eltern und Freunde auf jemanden ausüben, entscheidet sehr stark darüber ob eine Person studieren geht oder nicht.

Jemand der die Schule immer leicht geschafft hat und bei Problemen einfach einen Nachhilfelehrer für private Nachhilfe bekommen hat oder dem die Eltern einfach unter die Arme gegriffen haben wird sich eher für ein Studium entscheiden als jemand der bei Problemen in der Schule keinen Rückhalt hatte und dessen Eltern sich keine Nachhilfe leisten konnten.

In dieser Hinsicht ist es also auch ein finanzielles Problem.

@Müs Lee:
Und grade dort liegt eben auch der von dir beschriebene Artikel falsch, der übrigens kein Artikel, sondern nur ein Kommentar ist.
Konsens in der Bildungsforschung ist heutzutage, dass grade die Kosten-Nutzen-Abwägung einen sehr großen Teil bei der Bildungsentscheidung ausmacht.

Was aber dann? Es ist das Verdienst des Münchner Bildungsökonomen und Ifo-Forschers Ludger Wößmann, diesem Rätsel beharrlich nachzugehen. Liegt es womöglich daran, dass in Arbeiterhaushalten nicht bekannt ist, welches Einkommen ein Studium bringt? Wissen die Leute nicht, dass staatliche Universitäten keine Studiengebühren verlangen und begabte Kinder Zugang zu einer Vielzahl von Stipendien haben? Wößmann hat das alles empirisch getestet und herausgefunden: Es ist kein Wissensproblem. Unterschiede in der Einschätzung von Kosten und Nutzen können die große Kluft im Bildungswillen zwischen Akademikern und Nichtakademikern nicht erklären.


Grundsätzlich erklärt wird die Lücke bei den Akademikern heute über die Werterwartungstheorie.
Kurz erklärt gibt es dort zwei Faktoren, die Bildungsmotivation und das Investitionsrisiko.

Bildungsmotivation beschreibt den Wert mit dem die Bildung gesehen wird. Als Kind eines Arztes möchte ich eher den Lebensstandard meiner Eltern als den meiner Putzfrau halten, daher gehe ich Studieren da es ohne Studium nicht bzw. viel schwerer ist diesen Standard zu halten.
Ist mein Vater dementsprechend Elektroniker, mache ich eine gleichwertige Ausbildung um den Standard zu halten.

Als zweites das Investitionsrisiko, dass den Quotienten aus Bildungskosten und Erfolgswahrscheinlichkeit beschreibt.
Die Bildungskosten sind im Grunde genommen für alle gleich hoch (Lernutensilien, Nachhilfe, Bücher, etc.) nur dass sie für jemanden dessen Eltern 5.000€ verdienen einfacher zu tragen sind als für jemanden dessen Eltern 1.500€ verdienen.
Weiterhin ist die Erfolgswahrscheinlichkeit bei Akademikerkindern größer, da die Eltern bereits einen akademischen Abschluss haben und demnach Erfahrung im Schulsystem vorweisen und bessere Förderung ermöglichen können.

Damit also jemand aus der Arbeiterschicht studieren geht, muss der Gewinn durch die zusätzliche Bildung subjektiv als sehr hoch angesehen werden, da andernfalls von der Entscheidung zum Studium abgesehen wird.


Erklärt wird dies ganz gut durch Hartmut Esser oder andere Bildungsforscher.

Das finanzielle Problem mit direktem Studienbezug wiegt dabei mehr oder minder.
Je nach Situation reicht Bafög einfach nicht aus und ist ein Nebenjob nicht möglich, außer das Studium wird über die Regelstudienzeit hinaus verlängert. In diesem Fall herrscht jedoch auch eine Benachteiligung.
 
Übrigens sehe ich es auch nicht als gravierenden Nachteil bzgl. der Studienchancen an, wenn ein Kind nach der Grundschule auf eine Realschule statt auf ein Gymnasium kommt (hab grad keine Statistik zur Hand, kann mir aber gut vorstellen, dass Akademikereltern ihre Kinder eher auf's Gymnasium stecken.) Aber erstens kann ja während der schulischen Laufbahn zwischen Realschule und Gymnasium gewechselt werden und zweitens kann man nach der Realschule ja einfach ein berufliches Gymnasium (TG, WG) besuchen und hat danach ebenso die allgemeine Hochschulreife bzw. wenn keine zweite Fremdsprache unterrichtet wurde die Fachhochschulreife. Ebenso kann nach der Hauptschule noch die 10. Klasse für die mittlere Reife gemacht und dann mit einem beruflichen Gymnasium angeknüpft werden. Und länger als das Gymnasium ab Klasse 5 dauert das auch nicht mal.
 
Wenn Du einmal drin bist...
 
ich habe mal einen lehrer kennengelernt der einen sehr interessanten werdegang hinter sich hatte und vorbild für seinen schüler ist/war.

geschichte des lehrers:
- hauptschulabschluss -> mittlere reife
- lehre -> arbeit
- arbeit -> nebenbei abendschule gemacht für abi
- abi bestanden -> lehramtsstudium für hauptschule
- heute lehrer an einer hauptschule und für einige das vorbild, dass man nicht immer direkt auf eine bessere schule gehen muss, sondern auch mit viel fleißarbeit dort hingelangen kann
- der meistrespektierte lehrer an der ganzen schule (auf grund des werdegangs)

aber dürfte eine der wenigen ausnahmen sein, die so einen weg hinter sich haben.
 
Es geht auch noch über den Weg des Meistergrades eines Lehrberufes. Seit 2009 (imho) erhält man mit dem Meistertitel oder einen vergleichbar hohen Berufsabschluss auch die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung.
 
Ich kann noch zu mir ergänzen -> als Arbeiterkind wurde ich auf die Realschule geschickt. Bin nach der 10 Klasse dann auf das Gymnasium gewechselt ... es geht also. Man muss es nur als Kind wollen.
 
Man kann es auch später als junger Erwachsener wollen.
Nach Realschule und Lehre kann man dann FOS/BOS machen mit elternunabhängigem geschenktem Schüler Bafög.
Hat man mit 16+3+1 = 20 auch die FHR, Abitur dann 1 Jahr noch mehr.

Geht alles.
Schadet auch nicht vorher ne Lehre gemacht zu haben, wenn man sich die ganzen Abiturienten anguckt, die oft nix autte bekommen und dann meinen, ja mit 19 was soll man denn da schon wissen...
Realschüler "müssen" das mit 16.
 
In Deutschland stehen jedem alle Türen offen. Solange die Eltern keine Assis sind. Bin selber "Arbeiterkind" mit 3 Geschwistern und bin über die Realschule, FOS an die Uni. Solange einem die Eltern keine Steine in den Weg legen, hat bei uns jeder alle Chancen. Und den negativen Einfluss mancher Eltern könnte man nur ausschalten, wenn man eine DDR 2.0 etabliert und sämtliche Erziehungsmaßnahmen dem Staat überträgt ... Nein Danke!
 
Ich bin auch ein Arbeiter- bzw. Arbeitslosen- und Scheidungskind und für mich lief vom Staat her alles einwandfrei. Ich bin auch froh nicht direkt nach dem Abi mit dem Studium angefangen zu haben. Ich hatte erst noch die Möglichkeit das 2. Lehrjahr einer Ausbildung bei mir an der Schule zu machen(berufliches Gymnasium), womit ich dann schon mal eine schulische Ausbildung hatte, und war danach erst noch bei der Bundeswehr, wenn auch nur das mickrige halbe Jahr :D
Dann war ich 21 und hatte mich auch bewusst für das Studium entschieden, nicht so wie offenbar viele jüngere, auch wenn's nur 2-3 Jahre sind, die dann aber in der Vorlesung oder Übung sitzen und nur labern, stören und ohnehin nicht aufpassen. Von denen sind dann auch etliche in den ersten paar Semestern verschwunden.

Ich bin in meiner Familie auch der erste, und in der direkten Familie bleibe ich auch der einzige, der Abitur und in ein paar Monaten endlich(das liegt rein an mir ;)) einen Universitätsabschluss hat.

Also abschließend: Nein, der Staat legt einem keine Steine in den Weg. Eher man selbst oder die Eltern, wenn sie ein solches Ziel nicht als "würdig" empfinden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich frage mich ob hier generell über zwei unterschiedliche Themen diskutiert wird. In jedem zweiten Beitrag steht der Staat ermöglicht allen das gleiche oder der Staat behindert niemanden.

Die Frage lautet jedoch: Haben Arbeiterkinder die gleichen Chancen zum Studium wie Akademikerkinder? und da geht es nun einmal nicht nur um Geld vom Staat.
 
@ Smash32

Die Diskussion und das Thread Thema hatten aber genau das Thema "Wird Arbeiterkindern tatsächlich das Studieren von Staatsseite aus erschwert". Gerne wird ja von der linken Seite behauptet, dass dies der Fall ist.
 
So eine Diskussion (bevorteilt der Staat menschen gewisser Herkunft) wäre aber unsinnig, da von Staatswegen her niemand wegen seiner Herkunft usw. diskriminiert werden darf. Hat wohl irgendwas mit den Grundrechten und den Artikeln unserer Verfassung zu tun. Von daher kann es gar nicht sein und ist auch nicht so, dass der Staat zwischen "Arbeiterkindern" und "Akademikerkindern" unterscheidet und dem einen mehr Chancen einräumt als den anderen.

Die Frage nach einer generellen Aussage über die Chancengleichheit ist jedoch eine ganz andere und wurde hier ausgiebig ausgeführt.
 
Smash32 schrieb:
...Die Frage lautet jedoch: Haben Arbeiterkinder die gleichen Chancen zum Studium wie Akademikerkinder? .

Das war nur die Kurzfassung für die Umfrage, die Ausgangsfrage im Titel war, ob von Staatsseiten Hindernisse in den Weg gelegt werden. Und dass wurde mehrheitlich verneint und ich sehe es ebenso. Von daher denke ich, haben alle das gleiche Thema im Sinn.

Was mir auffällt ist, dass oftmals ganz individuelle Schicksale aufgezeigt werden mit Verhalten einzelner Lehrer die falsche Empfehlungen geben. Von organisierter Hinderung kann wohl keine Rede sein.
 
Dann könnte man aber auch darüber diskutieren, was der Staat BESSER machen können um
dieser Diskrepanz entgegen zu wirken. Auch wenn es keine aktive Hinderung ist, ist das Ergebnis ja bekannt.
 
Sorry, aber was soll der Staat da noch besser machen? Sollen jetzt die Eltern bevormundet werden? Wie viel Eingriff in die Entscheidungsfreiheit ist völlig in Ordnung und was ist übergrifflich??? Statt Impfpflicht gibt es dann Studiumspflicht oder wie stellst du dir das vor?

Wir haben hier im Thread festgestellt, dass es fast ausschließlich am Elternhaus liegt, welche Empfehlung dem Kind mitgegeben wird. Weiterhin haben die Kinder immer noch die Möglichkeit frei zu entscheiden ob sie studieren wollen oder nicht ... im Alter von 16 oder 18 Jahren sollte man sich auch schon mal pro und contra von Studium und Ausbildung beschäftigt haben.

Sozialistische Verhältnisse brauchen wir wirklich nicht mehr ... wo der Staat immer alles besser wusste was für das Volk gut war und wovor es geschützt werden musste. :freak:
 
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