Falsche Netzteil-Zertifikate: Diese Rechte hat der Käufer

Maximilian Schlafer (+1)
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Falsche Netzteil-Zertifikate: Diese Rechte hat der Käufer

80Plus

Schöne Theorie

Die Idee hinter 80Plus ist einfach: Netzteilhersteller können ihr Produkt in ein unabhängiges Labor einsenden. Ecova und EPRI, die Macher hinter 80Plus, testen das Netzteil bezüglich seines Wirkungsgrades. Erfüllt das Netzteil die Anforderungen einer 80Plus-Stufe, so wird das Netzteil in eine offizielle Liste auf der Internetseite 80Plus.org eingetragen. Der Hersteller erhält zudem das Recht, das Produkt mit dem offiziellen 80Plus-Logo zu bewerben.

Die klare Kennzeichnung von Netzteilen mit unterschiedlichem Wirkungsgrad durch eine unabhängige Organisation konnte Verbraucher weltweit überzeugen. Bis heute sind über 4.200 Netzteile mit den fünf verschiedenen Effizienzstufen von Standard bis Platinum zertifiziert. Jeder Kaufinteressent kann sich so leicht über den Wirkungsgrad eines angebotenen Netzteils informieren.

Egal ob am Netzteil-Typenschild, auf der Verpackung, auf der Internetseite des Herstellers oder der Produktbeschreibung des Händlers: das Effizienz-Logo ist geradezu omnipräsent. Das vorher schwer einschätzbare Entscheidungskriterium Energieeffizienz wird damit für die Verbraucher greifbar, der Vergleich zwischen verschiedenen Angeboten einfach. Das Programm wurde inzwischen sogar auf Netzteile für den Betrieb in Rechenzentren erweitert. Der anhaltende Trend zu energieeffizienten Rechnern beeinflusst die Kaufentscheidungen insbesondere bezüglich des Spannungswandlers.

So viel zur schönen Theorie.

Traurige Praxis

Denn mit dem versprochenen Effizienzniveau nehmen es einige Hersteller in der Praxis nicht übermäßig genau. Die Lücken im System 80Plus werden schamlos ausgenutzt. Wie unsere exakt nach der Methodik der offiziellen 80Plus-Richtlinien durchgeführten Netzteil-Tests zeigen, gibt es im Handel unzählige Netzteile, die die Anforderungen des jeweiligen Siegels nicht erfüllen. Teilweise werden die 80Plus-Siegel sogar komplett ohne sachliche Grundlage beworben: die verkaufte Version des Netzteils wurde von Ecova selbst nie getestet.

So werden Netzteile mit 80Plus beworben, bei denen bereits ein Blick auf das Typenschild und die offizielle Liste zertifizierter Modelle genügt, um die Schummelei aufzudecken. Xigmateks Tauro 400 Watt wird beispielsweise als 80Plus-Bronze-Netzteil beworben. Sucht man das Netzteil in der in Europa verkauften Version XTK-TB-400B in der offiziellen Liste, sucht man vergebens. Lediglich die in den USA verkaufte Version mit anderer Produktbezeichnung ist gelistet. Betrachtet man dann noch das Datenblatt unseres Testmusters der EU-Variante, stellt man fest, dass die EU-Version nicht einmal 115-Volt-kompatibel ist und schon alleine deswegen das Zertifikat nicht zu Recht tragen kann - denn 80Plus testet nur bei 115 Volt. Dass das Netzteil dann in unserem Lasttest das Minimum für 80Plus Bronze meilenweit verfehlt, rundet das desolate Ergebnis ab.

Nach Rücksprache mit dem Deutschland-Distributor Caseking wurde unser Ergebnis auch von Xigmatek bestätigt, die Schuld liegt angeblich beim Auftragsfertiger. Caseking nahm das Netzteil etwas später als Reaktion auf unseren Test aus dem Programm.

Xigmateks Tauro ist dabei kein Einzelfall, mangelhafte Netzteile sind weit verbreitet. Unser Test des LC-Power Gold Series 400 Watt zeigt ein sehr ähnliches Bild: Das bei Ecova eingereichte Muster ist mit dem verkauften Produkt nicht identisch. Schon ein Vergleich des Typenschilds zeigt die Unterschiede, unsere Messungen zeigen einen zu geringen Wirkungsgrad. Auch LC-Power schiebt die Schuld auf den Auftragsfertiger, das Netzteil ist immer noch im deutschen Handel verfügbar.

Dritter und vierter Hersteller, dasselbe Spiel: Xilence mit dem SQ 450 Watt und Sharkoon mit dem SHA350M. Und auch das Silentmaxx 550 Watt war in unserem Test auffällig und verfehlt bei mittlerer bis hoher Last die Anforderungen. In der offiziellen Liste zertifizierter Netzteile gibt es gar keinen Eintrag zu dieser Netzteilmarke – das 80Plus-Gold-Logo wird komplett zu Unrecht geführt, das Netzteil wurde nie im Testlabor bei Ecova getestet.

Neben diesen offensichtlichen „Unstimmigkeiten“ stellen wir darüber hinaus immer wieder fest, dass die im Handel angebotenen Exemplare, anders als das bei Ecova eingereichte Muster, die Anforderungen der jeweiligen Effizienzstufe nicht erfüllen. In diesen Fällen können wir zwar nicht belegen, dass die bei Ecova getesteten Netzteile technisch unterschiedlich sind, unsere Testergebnisse sprechen jedoch eine klare Sprache:

LC-Power Silver Shield und Cougar A300 konnten den versprochenen Wirkungsgrad nicht liefern. Vergleicht man unsere Messungen mit früheren Tests anderer Medien, lässt sich vermuten, dass bei diesen Produkten die ersten Lieferungen noch die Anforderungen erfüllten. Die jetzt verkauften Exemplare können den nötigen Wirkungsgrad hingegen nicht erreichen.

Dass wir von solchen Produkten im Rahmen unserer Testberichte abraten, versteht sich von selbst. Nicht immer aber stolpern Netzteilkäufer rechtzeitig über unseren Artikel, und schon steckt der Blender möglicherweise bereits im eigenen Rechner.

Die zentrale Frage dieses Berichts lautet deshalb: Was kann ein betroffener Kunde dann tun?

Besteht für denjenigen, der ein zertifiziertes Netzteil erworben hat, ein generelles Recht auf „Nachbesserung“ durch den Händler, wenn unsere Tests zeigen, dass die beworbene Effizienz bei den Testexemplaren nicht erreicht wird? Oder bedarf es eines Nachweises an seinem konkreten Gerät? Und welche Konsequenzen kann der laxe Umgang mit den Zertifikaten sonst noch haben? Die folgenden Seiten geben Auskunft.

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