Netzteile: Technik und Marketing erklärt

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Florian Haaf
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Sonstiges

Japanische Kondensatoren

Kein Buchstabe hat die Marketingkultur bei Netzteilen so beeinflusst, wie das C im Schaltplan. Die Rede ist vom Kondensator, der Energie in einem elektrischen Feld speichert und – wie erwähnt – die Ausgangsspannung glätten kann. Nun werben viele Hersteller damit, dass sie auf japanische 105-°C-Modelle setzen. Eine Temperaturfestigkeit bis 105 °C soll bei guten Modellen gewährleistet sein und jeder Käufer kann erkennen, dass konventionelle 85 °C geringer und damit schlechter sind.

Allerdings wird der Leser dadurch aufs Glatteis geführt, denn zur Temperaturangabe muss immer die Zeitangabe berücksichtigt werden. Es ist also prinzipiell nicht falsch, dass ein 105-°C-Kondensator besser ist, aber nur sofern eine Dauer die Vergleichbarkeit erlaubt. Selbst nach Ablauf der Angabe von z. B. 2000 Stunden geht das Bauteil zwar mitnichten kaputt. Viel mehr beschränkt sich die Angabe darauf, dass die Kapazität dann um 20 % abnimmt. Zudem sollte man bedenken, dass im PFC-Bereich durch die verhältnismäßig geringen Ströme kaum Verluste auftreten und einen thermisch einwandfreien Arbeitsplatz für den Kondensator bedeuten. Zumindest im Falle des aktiven PFC wird das Siebglied entlastet und man kann ihn einfacher, kleiner und günstiger wählen. 105 °C werden dort in der Regel nie erreicht. Derartige Angaben gelten auch für Platinen oder Halbleiter, welche erst unter hohen Bedingungen Leiterbahnschäden bzw. Funktionsstörungen aufzeigen.

Japanische Modelle haben ihre PR-Popularität daher, dass sie eine gute Elektrolytformel (Elektrolyt = Kathode des Elektrolytkondensators) verwenden und gut abgedichtet sind, wodurch das flüssige Material um die Folien nicht so schnell austreten kann und der Kondensator generell unempfindlicher ist. Dabei wird unterschlagen, dass ein teures taiwanisches Modell mit einem günstigen japanischen Fabrikat durchaus mithalten kann. Nur weil ein Bauteil aus Japan kommt, muss man die „Güteklasse“ also auch an verschiedenen Qualitätsklassen festmachen, nicht nur anhand der Herkunft. Unser Bild zeigt einen typischen 105-°C-Kondensator von Nippon-Chemicon aus Japan.

Primärkondensator
Primärkondensator

Wie Vitamin C gegen Erkältungen hilft ein wertiger Kondensator den Verkaufszahlen des Herstellers. Vitamine sind gesund, das ist allgemein bekannt, man kann es aber auch übertreiben. Bis ein Kondensator kaputt geht, ist der Lüfter durch die mechanische Bewegung bereits mehrfach verschlissen. Zudem wird oft argumentiert, dass ein japanisches Modell die Spannungsqualität beeinflusst. Bei der Restwelligkeit beispielsweise spielen in der Formel aber Kenngrößen eine Rolle, die prinzipiell erst einmal nichts damit zu tun haben. Viel mehr ist die Kapazität je nach Strombelastung und Frequenz entscheidend, um ein sauberes Bild zu erhalten. Manche Hersteller nutzen den positiven Effekt dreist und löten ein Modell sichtbar an einen Leitungsstrang. Natürlich wird das Spannungsbild durch die zusätzliche Kapazität verbessert, es spielt aber keine Rolle, ob man ihn intern anbringt oder außen, wo man ihn für PR-Zwecke nutzt.

Im eng bestückten Sekundärschaltkreis hat das Bauteil dennoch Sinn. Ob ein japanisches Modell also nun ein Wunder ist oder als zwecklos bezeichnet werden kann, muss jeder selbst für sich entscheiden. Wir jedenfalls meinen, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

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