Das ForumBase-Journal: Eine Community, ein Buch, keine Grenzen

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Das ForumBase-Journal: Eine Community, ein Buch, keine Grenzen

Aller Anfang ist schwer

Hasskommentare, Missgunst und Betrug – das ist das Internet. Schön, dass es Ausnahmen gibt. Eines davon reicht bis in das Jahr 2006 zurück. Die Community von ComputerBase schickte sich gerade an, sieben Jahre alt zu werden, da kam unserem Mitglied Mr. Incredible eine auf den ersten Blick zum Scheitern verurteilte Idee:

Ich kaufe ein kleines Büchlein, schreibe was rein und versende es dann per Post an ein ForumBase-Mitglied, das sich auch darin verewigen möchte. Und dieser sendet es dann weiter an den Nächsten usw...

Jeder kann in das Buch etwas reinzeichnen, ein Foto einkleben, nur unterschreiben oder einfach ein Stück aus einem lokalen Flyer/Zeitung reinkleben. Sei kreativ! Es soll so eine Art "Gipfelbuch" entstehen.

Mr. Incredible am 29. Januar 2006

Ganz getreu dem Motto: „Die besten Bücher sind die, von denen jeder meint, er habe sie selbst schreiben können.“ Mit Tinte, nicht mit der Tastatur.

Der ersten Euphorie folgte allerdings schnell Ernüchterung, denn einen Tag später hatte sich erst ein anderes Mitglied auf diese Idee gemeldet. Kein Wunder: Online anonym schreiben, das kann jeder. Aber ein solches Projekt mit dem Gang zur Post und Portokosten zu unterstützen? Doch dann kamen die, die an der Idee teilhaben wollten, aus allen Ecken des Forums hervor.

Welches Buch, welches Vorgehen?

Bis das Buch das erste Mal auf die Reise ging, dauert es allerdings noch gut zwei Wochen. Nach welchem Vorgehen soll die Reihenfolge derjenigen, die es erhalten, bestimmt werden? Wie viel Beiträge müssen Bewerber vorweisen, um überhaupt teilnehmen zu dürfen – bedarf es dieser Hürde überhaupt, um das Risiko eines Verlustes zu minimieren? Und welches Buch wird dem Zweck überhaupt gerecht?

All dies wurde von Mr. Incredible öffentlich zur Diskussion gestellt, das ForumBase-Journal war ein Gemeinschaftsprojekt, noch bevor die erste Seite mit Schrift gefüllt worden war. Das war am 16. Februar 2006 so weit. Der Initiator gab das Buch mit folgenden Zeilen in die Post:

Hallo liebe Forumbasler!

Dies ist das Forumbase-Journal auf seiner größten Reise. Es soll quer durch Europa sicher seinen Weg zu vielen Boardies finden, die sich verewigen wollen. Dieses Buch soll mit jedem den es erreicht wachsen und an wertvollen Geschichten gewinnen.

Um es mit den Worten von Blaise Pascal (1623-62) auf den Punkt zu bringen:“Die besten Bücher sind die von denen jeder meint, er habe sie selbst schreiben können.“ :)

Die ersten Zeilen (sic)

Bis zum Jahresende waren die ersten 17 Doppelseiten gefüllt, das Journal in der Community bekannt und die Schlange derjenigen, die es selbst einmal erhalten wollten, wuchs.

Quer durch Europa und in die USA

108 verschiedene Personen haben sich anschließend in acht weiteren Jahren in dem Buch verewigt. Es war verschollen und ist wieder aufgetaucht. Die meiste Zeit war es in Deutschland, es war aber auch in Österreich, Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz und auf Malta – von dort stammt auch der einzige Beitrag, der über ganze zwei Doppelseiten geht. Foren-Mitglied AndrewPoison hatte dem Buch damals eine eigene Webseite mit einem Überblick über die Einträge, die Reiseroute und die Beigaben gewidmet.

Foren-Member AndrewPoison hatte dem Buch vor Jahren eine Webseite gewidmet

Im Jahr 2011 hat das Buch dann sogar Abstecher in die USA und nach Schottland unternommen. Unbeschadet trat es jeweils die Heimreise nach Deutschland an. Gut gehalten hat es sich.

Das ForumBase-Journal ist voll

Die nachfolgende Bildergalerie enthält die Hälfte der Doppelseiten des ForumBase-Journals. Einige Seiten enthalten sehr persönliche Details oder Portraits, für sie soll der intime Rahmen des Buches ohne Veröffentlichung im Internet gewahrt bleiben. Jede einzelne Doppelseite kann über einen Link unter dem Bild in der Originalauflösung von 5.184 × 3.465 (18 Megapixel) herunter geladen und so auch im Detail betrachtet werden.

Das ForumBase-Journal in Auszügen

Von der Sehenswürdigkeit bis zum Gutschein

Wer alle Beiträge gelesen hat, kennt die ganze Bandbreite an Einfällen derjenigen, die vor dem Problem standen, sich im vermeintlich kleinen Kreis mit einem eigenen Beitrag zu verewigen. Viele Teilnehmer haben sich für Lokalpatriotismus entschieden und den eigenen Standort mit seinen Vorzügen genauer beschrieben. Andere haben dem Buch Münzen oder gar US-Dollar- und Euro-Noten mit auf den Weg gegeben; kein einziges Geldstück ist bis zum Ende verloren gegangen.

Auch Rätsel für diejenigen, die das Buch später in der Hand halten, wurden auf Papier gebannt und Musik und Fotos auf CD oder SD-Karte beigelegt. Von einem der Moderatoren gab es einen Gutschein in Form einer „Geh-nicht-in-das-Gefängnis“-Karte für die nächste Verwarnung.

Interessant ist, wie der Wechsel vom Beitrag in einem Online-Forum zu einer Seite in einem Buch die Inhalte prägt. Viele Texte lassen deutlich tiefer in das Private Umfeld vordringen, als das im Internet üblich ist – obwohl niemand wusste, wer das Buch in Zukunft noch in den Händen halten wird.

Kein Text ohne Spam

Spam war von Anfang Teil des Journals, allerdings nicht in geschriebener Form. Stattdessen galt es dem Versandkarton für das Buch einen Gegenstand eigener Wahl beizulegen. Alte Hard- und Software aber auch Tageszeitungen, eine Sonnenbrille, Becher und ein Seifenspender in Form einer Viagra-Tablette finden sich heute in der „Spambox“ wieder. Weil diese Beilagen im Gegensatz zum Buch nach dessen Verschwinden nie wieder aufgetaucht sind, fehlt allerdings der Spam der ersten Stationen.

Der Inhalt der „Spambox“
Der Inhalt der „Spambox“ 

Ein einmaliges Projekt

In der Regel scheitert der Versuch, ein „Gipfelbuch“ offline in der Community weiter zu reichen. Zu hoch sind die Hürden, wenn es an das Schreiben eines nicht in die Tastatur gehackten Textes und das auf eigene Kosten organisierte Versenden auf dem Postweg geht. Doch in diesem Fall hat es geklappt – neun Jahre lang. Ein schöner Erfolg für die Community und ein schöner Anlass für einen Artikel am 2. Weihnachtsfeiertag.

Das Internet kann Menschen Brücken bauen und Hindernisse überwinden lassen – über alle religiösen und kulturellen Barrieren hinweg. Hassbeiträge auf Facebook sind zum Glück nicht das vollständige Bild.

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