Google Pixel 3 XL im Test: Kamera und Software machen wieder den Unterschied

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Nicolas La Rocco
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Kamera im Schichtbetrieb

Der Begriff „Computational Photography“ war nach Apples Keynote zum iPhone Xs auch während Googles Präsentation des Pixel 3 (XL) zu hören, mit technischen Daten zur Kamera der neuen Smartphones hielt sich Google hingegen zurück. Stattdessen ist es für Google nach dem Pixel und Pixel 2 noch wichtiger geworden, wie mit den vom Sensor erfassten Daten umgegangen wird. AI + Software + Hardware lautet Googles Formel für die laut eigener Aussage beste Smartphone-Kamera auf dem Markt.

Die Hardware bleibt die gleiche

Im direkten Vergleich der Kamera-Hardware hat sich von Pixel 2 zu Pixel 3 nichts verändert. Als einer der letzten Hersteller vertraut Google auf nach wie vor nur einen Sensor, der erneut 12,2 Megapixel bei 1,4 μm Pixelgröße bietet. Die f/1.8-Linse kommt auf eine Brennweite von 27 mm Kleinbild-Äquivalent.

Im Pixel 3 arbeitet allerdings der Zusatzchip Pixel Visual Core erstmals auch mit Googles eigener Kamera-App zusammen, nachdem der Chip in der letztjährigen Generation zwar ebenfalls verbaut war, jedoch kurioserweise nur Drittanbieter zur Verfügung gestellt wurde. Über den Pixel Visual Core läuft zum Beispiel die Verarbeitung von Zero-Shutter-Lag-HDR+, das das Foto aus mehreren kurz belichteten Schichten zusammensetzt. Diese Technologie gibt es auch beim Pixel 2, dort wird der Vorgang aber rein über den Qualcomm Snapdragon 835 abgewickelt.

Zusammensetzung eines Fotos aus mehreren Ebenen beim Pixel 3
Zusammensetzung eines Fotos aus mehreren Ebenen beim Pixel 3 (Bild: Google)

Im Automatikmodus schießt das Pixel 3 durchweg bessere Fotos als das Pixel 2, die Unterschiede sind aber erst bei genauerer Betrachtung zu sehen. Zunächst einmal muss Google aber erneut für einen sehr guten Weißabgleich, kräftige Farben, Schärfe über das gesamte Bild und insgesamt die lebendig wirkende Abbildung gelobt werden. Schon auf den ersten Blick sehen die Aufnahmen des Pixel 3 schlichtweg sehr gut aus.

Von der Bildcharakteristik her unterscheiden sich Pixel 3 und Pixel 2 kaum voneinander, zum für den Vergleich herangezogenen iPhone Xs Max bestehen aber deutliche Unterschiede, die sich auf die Zusammensetzung der bei Apple „Smart HDR“ genannten Aufnahmetechnologie mit einem zusätzlichen überbelichteten Foto zurückführen lassen, das für mehr Details in Schatten sorgt. Die Aufnahmen des Pixel 3 wirken einen Hauch schärfer als die des Pixel 2, der Unterschied ist jedoch gering. Feine Details wie zum Beispiel die Öffnung der Klimaanlage auf den Bildern 10 und 11 besser abgebildet.

Google hat nicht mehr das beste HDR

Googles neues HDR+ arbeitet in den meisten Situationen nicht besser als noch auf dem Pixel 2, Ausnahmen bestätigen aber die Regel, vor allem bei Aufnahmen mit weniger Licht. Google gelingt es mit dem Pixel 3 besser, zu helle Hotspots einer Aufnahme zu reduzieren. Das ist insbesondere bei beleuchteten Schildern oder anderen grellen Bildbereichen der Fall. Dieser Umstand lässt sich auf den Nachtaufnahmen ab Bild 73 ausmachen, wo die Beleuchtung des Wettbüros präzise statt überstrahlt eingefangen wird. Die Aufnahmen 91 und 92 verdeutlichen den Unterschied erneut, etwa anhand der Leuchtreklame oder den zwei im Restaurant aufgehängten Angebotsschildern.

Google Pixel 3 XL im Test – Kamera

Apples iPhone Xs Max setzt für das finale Foto ebenfalls mehrere Aufnahmen sowie Teilbereiche mehrerer Aufnahmen zusammen. Apple spricht von vier Fotos, vier unterbelichteten Interframes sowie einer überbelichteten Aufnahmen, die das finale Foto ergeben. Was Apple klar anders macht als Google, ist die Ausleuchtung von dunklen Bildbereichen über die einzelne Langzeitaufnahme die dem „Bilderstapel“ hinzugefügt wird. So schafft es Apple, in dunklen Bereichen versteckte Details sichtbar zu machen, die auf den Fotos des Pixel 3 und Pixel 2 nicht oder nur kaum erkennbar sind.

Besonders deutlich sind die daraus resultierenden Unterschiede auf den Vergleichen der Aufnahmen 16, 17 und 18 sowie 19, 20 und 21 sowie 28, 29 und 30 sowie 43, 44 und 45 zu sehen. Im Eingangsbereich der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf den Bildern 37, 38 und 39 schafft es nur Apple, in den Bögen über der Tür Details der Decke sichtbar zu machen. Die Unterschiede sind manchmal groß, so wie etwa beim Alexanderplatz auf den Fotos 67, 68 und 69, manchmal sind es aber auch nur Nuancen, wie etwa der Bereich unterhalb der Fenster auf den Aufnahmen 55, 56 und 57. Meistens gelingt Apple das leichte Aufhellen dunkler Bereiche ohne negative Folgen, das ist aber nicht immer der Fall. Auf den Fotos 22, 23 und 24 wirkt die Aufnahme des iPhone Xs Max ausgewaschen, auf den Fotos 58, 59 und 60 ist der Hintergrund etwas zu hell, wenngleich dafür der gesamte Bereich unterhalb des Tunnels profitiert.

Bei Nacht schlägt das Pixel 3 zurück

Wo Google jedoch klar das Sagen hat, sind Aufnahmen bei Nacht oder schummriger Beleuchtung. Obwohl Apple mit dem iPhone Xs (Max) ein klar besseres Produkt für Nachtaufnahmen als noch mit dem iPhone X abliefert, spielen die Fotos des Pixel 3 durch die Bank eine Liga höher. Das intensive Leuchten wie es auf den Aufnahmen 73, 88, 91 oder 94 zu sehen ist, liefert so nur Google. Während der Bagger auf dem Foto 82 mit dem Pixel 3 wunderbar zu sehen ist, liefert das iPhone Xs Max nur unschönen Pixelmatsch. Bei den Nachtaufnahmen sind auch noch einmal gut die feinen Unterschiede zum Pixel 2 erkennbar, etwa anhand der Lampen des S-Bahnhofs.

In der nachfolgenden Galerie finden sich noch einmal alle im Hochformat geschossenen Fotos im Direktvergleich aus Pixel 3 XL, Pixel 2 und iPhone Xs Max nebeneinander. Die Galerie zeigt auf den Fotos 20 und 21 zudem den Unterschied zwischen der Standard-Frontkamera mit f/1.8-Blende und 75 Grad Sichtfeld sowie der Weitwinkel-Frontkamera mit f/2.2-Blende und 107 Grad Sichtfeld, die besser für Gruppen-Selfies geeignet ist.

Google Pixel 3 XL im Test – Kamera-Vergleich

Per Software-Update will Google im Verlauf des Novembers einen speziellen Nachtmodus mit dem Namen „Night Sight“ für das Pixel 3 und Pixel 2 nachliefern, der die Nacht zum Tag machen soll. Einen ersten Ausblick auf die Fähigkeiten liefert Google anhand einer Straßenaufnahme und eines Fotos aus dem New Yorker Central Park.

Weitere Modi im Überblick

Ebenfalls neu, aber bereits zur Auslieferung verfügbar, ist der „Super Res Zoom“, mit dem Google den Verzicht auf ein zweites Objektiv ausgleichen will. Super Res Zoom nutzt die leichten Bewegungen des Anwenders beim Fotografieren, um eine Aufnahme mit höherer Auflösung anzulegen, von der dann wiederum ein Ausschnitt per digitalem Zoom angefertigt wird. Ein Teleobjektiv ersetzt Google damit zwar nicht, die Ergebnisse können sich aber durchaus sehen lassen. Details wie der Barcode der Schallplatte oder die Anbauten am Berliner Fernsehturm werden bei Apple definitiv detailreicher abgebildet, für einen digitalen Zoom sind die Ergebnisse von Google aber ziemlich gut.

Google Pixel 3 XL im Test – Kamera im Zoom-Vergleich

Zu den weiteren Kameramodi des Pixel 3 zählen „Top Shot“ und „Playgrounds“. Bei Top Shot übernimmt das Smartphone die Erkennung des besten Fotos, um den perfekten Moment nicht mehr zu verpassen. Das Smartphone behält dabei mehrere Aufnahmen im Speicher, sodass das nach Meinung des Anwenders beste Foto im Nachhinein ausgewählt werden kann. Playgrounds ist ein AR-Modus, in dem sich virtuell Figuren und Gegenstände in die Aufnahme integrieren lassen. Kein eigener Modus, jedoch immer vorhanden, ist Google Lens, das über den Sucher des Automatikmodus nach Informationen wie QR-Codes, WLAN-Login-Daten, Restaurants und Produkten des Alltags sucht, um zum Beispiel Shopping-Empfehlungen zu geben.

Das iPhone Xs filmt die besten Videos

Googles Pixel-3-Kamera bietet erneut eine Kombination aus optischer und digitaler Stabilisierung, die auch bei Videoaufnahmen zum Einsatz kommt. Neu ist die Tonaufnahme in Stereo, wie sie zuletzt auch Apple beim iPhone Xs Max eingeführt hat. Im Beispielvideo mit der maximal möglichen Auflösung von 4K mit 30 FPS ist eine klare Kanaltrennung zwischen links und rechts zu hören. Googles Videostabilisierung arbeitet sehr zuverlässig und wirkt nicht mehr so unnatürlich digital wie noch beim Pixel 2.

Den Direktvergleich mit dem iPhone Xs Max verliert das Pixel 3 dennoch. Apple bietet einen sichtbar größeren Dynamikumfang und reagiert schneller auf wechselnde Lichtverhältnisse. Das iPhone Xs Max stellt sich zum Beispiel gleich zu Beginn des Videos sofort auf die helle Fassade des Gebäudes links im Video ein, während das Pixel 3 erst später reagiert. Apple-Nutzer haben zudem die Option auf 4K mit 60 FPS, die dem Pixel 3 fehlt, obwohl der Snapdragon 845 dies eigentlich unterstützt. Den größeren Dynamikumfang gibt es beim iPhone Xs Max allerdings nur mit bis zu 30 FPS.