Kommentar: Wenn Hersteller „Group Buy“ für ihre Zwecke missbrauchen

Fabian Vecellio del Monego
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Kommentar: Wenn Hersteller „Group Buy“ für ihre Zwecke missbrauchen
Bild: Glorious
Fabian Vecellio del Monego

Ein weiteres Mal missbraucht Glorious PC Gaming Race den Begriff des Group-Buys, um mit künstlicher Verknappung und Pseudoexklusivität zu Vorbestellungen einer bis dato lediglich auf Renderbildern existenten Maus anzuregen. Das klingt bereits fadenscheinig, ist aber überdies völlig unnötig: Die Model D Pro hätte es nicht nötig.

Glorious ist ein Synonym für leichter werdende Shooter-Mäuse

Der Trend zu immer leichter werdenden Shooter-Mäusen gewann Anfang 2019 an Fahrt, unter anderem geprägt durch das Erscheinen der Model O (Test). Glorious' erste Maus bot damalige High-End-Hardware zum verhältnismäßig günstigen Preis, war aber auch erfolgreich, weil sie eine ab Lager verfügbare Alternative zu den unter Maus-Enthusiasten begehrten Finalmouse-Modellen darstellte. Der zu Recht in Verruf geratene Hersteller verkauft die in erster Linie durch einen Hype getragenen, gelochten und unter anderem deswegen besonders leichten Eingabegeräte im Rahmen sogenannter Drops lediglich für kurze Zeit und in limitierter Stückzahl, was im Endeffekt in inflationären Preisen durch Scalper resultierte. Mit der Model O kopierte Glorious das symmetrische Mauskonzept und machte es einer breiten Masse zugänglich.

Einige Monate später übernahm der Hersteller wiederum die asymmetrisch ergonomische Formgebung der einst populären Zowie EC2 und brachte sie mit der Model D (Test) mit einer geringeren Masse, Gleitfüßen aus PTFE und einem flexiblen Kabel auf die Höhe der Zeit – Zowie hat die Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen und arbeitet noch immer gegen den Trend. So lässt eine kabellose Variante der EC2-C weiterhin auf sich warten. Glorious hingegen brachte bereits vor rund einem Jahr mit der Technik der Model O Wireless (Test) die Model D Wireless auf den Markt. Der EC3-C widerfuhr mit der Model D- Wireless das gleiche Schicksal.

Die Model D Pro gibt es nur im Group-Buy

Nun sind seit der Veröffentlichung der eingangs erwähnten Model O bereits einige Jahre ins Land gezogen und die aufgezählten Mäuse bei weitem nicht alle Modelle des Herstellers. Überdies hat Glorious inzwischen einige Tastaturen, Tastaturschalter und weiteres Zubehör wie beispielsweise Tastenkappen, verschiedenfarbige Kabel oder Handballenauflagen im Angebot. Zuletzt stellte das Unternehmen mit dem GMMK Numpad einen externen Nummernblock vor. Worauf ich hinaus will: Bei Glorious handelt es sich nicht mehr um ein kleines Startup, denn der Hersteller ist längst als Gaming-Peripherie-Anbieter etabliert.

Ironischerweise aber verfällt Glorious PC Gaming Race zuletzt immer häufiger in ebenjenes Muster künstlicher Verknappung, dessen Umgehung den frühen Erfolg des Unternehmens einst begünstigt hat. Interessenten sollen die bis dato lediglich auf Renderbildern existente Model D Pro – es handelt sich um eine leichtere Model D Wireless ohne Löcher im Gehäuse – ab sofort und zeitlich limitiert bis zum 7. September 2022 ohne Verfügbarkeit von Tests zum Preis von 100 US-Dollar vorbestellen, um dann im Zeitraum von Oktober bis November ein so weit unerprobtes Eingabegerät zu erhalten, wie es Stimmen aus der Maus-Community etwa auf Reddit bereits zur Series One Pro in sarkastischer Tonlage zusammenfassten. Glorious vermarktet das Verkaufsmodell einem Trend folgend hip als Group-Buy.

Glorious Forge als Marke zur Umlegung des Risikos auf Kunden

Im Mai 2022 wurde zunächst die Model O Pro und im Juni die Series One Pro via Group-Buy vermarktet. Jetzt folgt die bereits dritte Maus innerhalb weniger Monate, die per Glorious Forge angeboten wird. Eine reguläre Veröffentlichung einer Glorious-Maus gab es seit der Model O Pro nicht mehr.

Der Group-Buy-Begriff bezieht sich eigentlich auf die Praxis der Mitglieder einer Nischen-Community, die sich für eine Bestellung zusammentun, die für Einzelpersonen schlichtweg nicht möglich gewesen wäre. Ein prominentes Beispiel aus der Welt der Eingabegeräte sind etwa Bestandteile oder Tastenkappen für mechanische Tastaturen, deren Finanzierung und Fertigung erst durch ein erfolgreiches Group-Buy überhaupt gesichert werden können.

Die Model D Pro gibt es nur per „Group Buy“
Die Model D Pro gibt es nur per „Group Buy“ (Bild: Glorious)

Noch vor einigen Monaten handelte es sich bei den Forge-Produkten allerdings um beispielsweise eine pinke Variante einer bereits in Schwarz und Weiß vertriebenen Maus oder aber Tastatur-Tastenkappen mit gelb-pinkem Farbverlauf. Mit der Model O Pro, der Series One Pro und nun der Model D Pro ändert sich das jedoch.

Entweder per Vorbestellung oder gar nicht

Glorious argumentiert dabei offen: Weil Interessenten vorab kaufen müssten, könne gut abgeschätzt werden, ob sich die Produktion eines Nischenproduktes lohne. Falls nämlich zu wenige Vorbestellungen eingehen und die Produktionskosten nicht würden gedeckt werden können, soll die Model D Pro schlicht und ergreifend nicht erscheinen. Auf Reddit gibt der Hersteller gegenüber skeptischen Interessenten zu verstehen, dass dieses System für Glorious die einzige Möglichkeit sei, derartige Mäuse überhaupt anzubieten.

The whole idea behind [Glorious] Forge is not "buy it now or bad luck / FOMO" – We see it as our way to release products we would not be able to do otherwise. Some of them might be more "niche" and developed based on community feedback. Behind every product is a risk, for us as company. This is the sad truth. We would like to do a lot more, but sometimes we cant.

This is just the start of Glorious Forge. You will see most likely even more "experimental" products in the future. But also products we will run right away under the Glorious brand. Please dont worry that we will run only this business model. We know it is not for everyone. See it as a nice addition, creating products which would usually never exist.

Glorious

Allerdings räumt der Hersteller ein: Entsprechende Produkte werden im späteren Verlauf des Jahres eventuell zusätzlich über „ausgewählte andere Kanäle“ verfügbar sein; dies hänge von der Region und dem darin ansässigen Vertriebspartner ab. Im deutsch­sprachigen Raum ist das Caseking. Tatsächlich listet der Händler inzwischen die Model O Pro* zur Vorbestellung, die gemäß der ursprünglichen Kommunikation eigentlich nur bis zum 7. Juni 2022 über Glorious' Forge-Website erhältlich sein sollte. Angegeben wurde zunächst eine Verfügbarkeit ab August, mittlerweile ist von Ende September die Rede.

Eine bessere Maus mit schlechterer Nachfrage?

Aber zurück zur Model D Pro. Wie bereits angedeutet, handelt es sich um eine lediglich 58 statt 69 g schwere Model D Wireless, die überdies ohne Löcher im Gehäuse daherkommt. Verantwortlich zeichnen der Verzicht auf die sonst bei Glorious-Eingabegeräten üppige RGB-Beleuchtung und eine geänderte Struktur im Inneren. Äußerlich wiederum versieht der Hersteller die Model D Pro wie auch schon die Model O Pro mit drei neuen Farbgebungen, einer raueren Oberfläche und einer Indikator-LED für den Akku. Die Laufzeit beträgt rund 80 Stunden, anderweitig gibt es bekannte Spezifikationen: PixArts PAW-3370 als Glorious BAMF, mechanische Kailh-Taster, PTFE-Mausfüße und ein flexibel umwickeltes Kabel gehören zum Standardrepertoire einer jeden Glorious-Maus.

Glorious PC Gaming Race Model D Wireless Glorious PC Gaming Race Model D Pro
Ergonomie: Rechtshändig
Sensor: Glorious BAMF (PMW-3370)
Optisch
Lift-Off-Distance: 1,0–2,0 mm
Auflösung: 100–19.000 CPI
5 Stufen
Geschwindigkeit: 10,2 m/s
Beschleunigung: 490 m/s²
USB-Abfragerate: 1.000 Hz
Primärtaster: Kailh, 80 mio. Klicks
Anzahl Tasten: 6
Oberseite: 4
Linksseitig: 2
Sondertasten: Mausrad
cpi-Umschalter
Software: 5 Profile
vollständig programmierbar
Makroaufnahme
Interner Speicher: 3 Profile
Beleuchtung: Farbe: RGB, 1 adressierbare Zone
Modi: Atmend, Wellen, Farbschleife
cpi-Indikator
Gehäuse: 128 × 67 × 42 mm
Hartplastik
Gleitfüße: PTFE (rein)
Gewicht: 69 Gramm (o. Kabel) 58 Gramm (o. Kabel)
Anschluss: USB-A auf USB-C-Kabel, 2,00 m, umwickelt
Funk: 2,4 GHz, 5,0 Meter Reichweite
proprietärer Akku, 71 Stdn. Laufzeit
Laden: Kabel
USB-A auf USB-C-Kabel, 1,80 m, umwickelt
Funk: 2,4 GHz
proprietärer Akku, 80 Stdn. Laufzeit
Laden: Kabel
Preis: ab 74 € / ab 74 € 100 $

Doch ist die Nachfrage nach dem skizzierten Eingabegerät einer derart kleinen Nische zuzuordnen, dass es eines Group-Buys zur vermeintlichen Interessenabfrage bedarf? – Sicherlich nicht. So war ein derartiger Schritt bei der gemäß unverbindlicher Preisempfehlung lediglich 10 Euro günstigeren und technisch unterlegenen Model D Wireless schließlich auch nicht nötig. Und zahlreiche weitere Hersteller verkaufen ähnlich konzipierte Modelle zu teils höheren Preisen ab Lager; erwähnenswert sind beispielsweise Roccats Kone Pro Air (Test) oder Pulsars ebenfalls einen Zowie-EC-Klon darstellende Xlite V2 Wireless. Und Razer stellt in Kürze mit der DeathAdder V3 Pro eine noch höher spezifizierte und mutmaßlich 50 Prozent teurere Maus ähnlicher Konzeption vor, falls entsprechenden Gerüchten Glauben geschenkt werden kann.

Verknappung, Aufmerksamkeit und Hype

Glorious PC Gaming Race hingegen lagert mit Glorious Forge und der Group-Buy-Mechanik das eigene unternehmerische Risiko auf die Kunden aus – sollte die Model D wider Erwarten kaum Interessenten finden, kann sich der Hersteller die Produktion gleich sparen. Bei Glorious handelt es sich aber eben weder um den beschriebenen Zusammenschluss von einzelnen Maus-Enthusiasten noch um ein Start-up, sondern um ein etabliertes Unternehmen – eine derartige Finanzierung über Privatpersonen sollte nicht mehr nötig sein.

Realistischer ist meiner Meinung nach aber die Annahme, dass es sich letztlich doch um eine künstliche Verknappung und die Generierung zusätzlicher Aufmerksamkeit handelt: Anstelle der Spezifikationen einer wie gewöhnlich zur Vorstellung ab Lager verfügbaren Maus sollen Torschlusspanik und die Angst, etwas zu verpassen, als Verkaufsargumente dienen. Glorious kommt überdies zugute, dass auf diesem Weg potenziell kritische Tests erst im Nachgang zu den Verkäufen der Model D Pro erscheinen können. Ginge es hingegen tatsächlich um eine Interessensabfrage, bestünde kein Grund, die Maus lediglich bis zu einem bestimmten Datum anzubieten – wieso sollte späteres Interesse nicht berücksichtigt werden?

Glorious' Ankündigungen erscheinen unglaubwürdig

Wenn die Anzahl der Vorbestellungen derweil auf diese Art und Weise gesteigert wurde und das Eingabegerät nach einigen Monaten tatsächlich erscheint, lässt es sich noch immer regulär verkaufen. Ohnehin erschien es von vornherein unwahrscheinlich, dass Glorious eine neue, bessere Maus entwickelt, aufwändig neues Tooling anfertigt und aus dem Ergebnis dann keinen dauerhaften Nutzen ziehen will. Sollte die Model D Pro nach dem 7. September tatsächlich nie wieder zum Verkauf stehen, gingen dem Hersteller dadurch wesentlich mehr potenzielle Käufe verloren, als durch die Limitierung vorab mit Group-Buy-Teilnahmen erreicht werden können.

Die Model D Pro hätte all das nicht nötig

Wenn der Hersteller es also schafft, Kunden Monate im Voraus 100 US-Dollar für eine unfertige, noch nicht getestete und später gewöhnlich ab Lager erhältliche Maus zahlen zu lassen, ist die Bauernfängerei komplett und der Kreis zu Finalmouse geschlossen. Das hinterlässt nicht nur als Verkaufsstrategie einen äußerst faden Beigeschmack und sollte nach meinem Empfinden in dieser Art und Weise nicht unterstützt werden, sondern untergräbt darüber hinaus das eigentlich viel bessere Argument einer leistungsfähigen und mit ihrem geringen Gewicht bei geschlossener Schale ohnehin mit einem Alleinstellungsmerkmal ausgestatteten Maus. Denn die Spezifikationen der Model D lesen sich überzeugend – auch angesichts des in Relation zur Konkurrenz nach wie vor niedrigeren Preises.

Eines künstlich aufgebauschten Hypes durch eine künstlich herbeigeführte Torschlusspanik aufgrund künstlich erzeugter Verknappung hätte es meiner Meinung nach gar nicht bedurft. Eine ab Lager erhältliche Model D Pro mitsamt zum Start verfügbaren Tests allein wäre das deutlich bessere Verkaufsargument gewesen und hätte ausgereicht, um interessierte Kunden im Fall einer gelungenen Maus zum Kauf zu bewegen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Glorious offensichtlich entweder nicht vom eigenen Produkt oder nicht von der Vernunft seiner Kunden überzeugt ist.

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