Studie: SSDs mit deutlich schlechterer CO2-Bilanz als HDDs

Michael Günsch
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Studie: SSDs mit deutlich schlechterer CO2-Bilanz als HDDs

Mit einer Studie machen Forscher darauf aufmerksam, dass bei der Herstellung von SSDs im Verhältnis zu anderen PC-Komponenten deutlich größere Mengen des Treibhausgases CO2 entstehen. Die Ursache liegt in der Vielzahl der verbauten Chips. Die Vorteile einer SSD kommen in der Studie aber zu kurz.

Das „Dunkle Geheimnis der SSDs“

Die Studie „The Dirty Secret of SSDs: Embodied Carbon“ (PDF) der Forscher Swamit Tannu von der University of Wisconsin-Madison und Prashant J Nair von der University of British Columbia, soll aufzeigen, dass SSDs bei allen Vorzügen zu HDDs als Massenspeicher aus Sicht des Klimaschutzes auch Nachteile bieten. Zwar benötigen sie weniger Energie im Betrieb, doch die Herstellung der Speicherchips frisst deutlich mehr Ressourcen. Schließlich stecken in einer SSD teils Dutzende Chips, die sich nicht nur auf die NAND-Packages, sondern auch den Controller und den DRAM-Cache aufteilen.

Zum NAND-Flash (außen) mit mehreren Chips unter dem Deckel kommen noch der DRAM und der Controller (Mitte) auf einer SSD
Zum NAND-Flash (außen) mit mehreren Chips unter dem Deckel kommen noch der DRAM und der Controller (Mitte) auf einer SSD

Und die Herstellung von Halbleiter-Chips braucht viel Energie, die immer noch vorwiegend aus nicht erneuerbaren Quellen stammt. Daher wird bei der Herstellung der Komponenten einer SSD viel mehr CO2 freigesetzt als bei einer HDD. Die nachfolgende Grafik entstammt einem Umweltbericht von Fujitsu (PDF) und schlüsselt den jeweiligen Anteil der Komponenten an den verursachten Emissionen (hauptsächlich CO2) eines Workstation-Systems auf. Dort liegt die SSD mit 38 Prozent noch weit vor dem Mainboard, der Grafikkarte oder der CPU; der HDD werden 9 Prozent zugesprochen.

Anteile von Komponenten an den Emissionen einer Workstation
Anteile von Komponenten an den Emissionen einer Workstation (Bild: Fujitsu (PDF))

In einer Tabelle stellen die Forscher außerdem das bei Betrieb (OPEX) und Herstellung (CAPEX) einer HDD und einer SSD mit je 1 TB Speichervolumen aufkommende CO2 gegenüber. Im Betrieb ist die SSD dank der geringeren Leistungsaufnahme klar im Vorteil, doch bei der Herstellung kehrt sich dies ins Gegenteil. Wird beides zusammengerechnet, seien die CO2-Emissionen bei der SSD immer noch fast doppelt so hoch wie bei der HDD. Über einen Einsatzzeitraum von 5 Jahren soll eine HDD inklusive Herstellung Emissionen von 99,6 kg CO2 verursachen, bei einer SSD seien es 184 kg. Auf 10 Jahre gerechnet seien es 199 kg CO2 bei der HDD und 369,2 kg bei der SSD.

Hochgerechnete CO²-Emissionen einer HDD und einer SSD
Hochgerechnete CO²-Emissionen einer HDD und einer SSD (Bild: The Dirty Secret of SSDs: Embodied Carbon (PDF))

Über den Zeitraum von 10 Jahren entfallen bei der SSD laut der Rechnung immer noch 87 Prozent der Emissionen auf die Herstellung und der wesentlich kleinere Rest auf den Betrieb. Bei der HDD ist es andersherum, denn bei dieser entfallen 80 Prozent auf den Betrieb und nur 20 Prozent auf die Herstellung.

Die Speicherdichte von NAND-Flash nimmt zwar immer weiter zu, sodass weniger Chips für die gleiche Speicherkapazität benötigt werden. Doch die Fortschritte beim Herstellungsverfahren gehen mit einem immer größeren Energiebedarf einher, wie eine weitere Grafik aufzeigt. Die CO2-Emissionen in kg pro cm² nehmen kontinuierlich zu.

Mit fortschrittlicher Fertigung steigt der Energiebedarf
Mit fortschrittlicher Fertigung steigt der Energiebedarf (Bild: The Dirty Secret of SSDs: Embodied Carbon (PDF))

Die Forscher legen nahe, bei der Wahl des Speichermediums nicht nur die laufenden Energiekosten, sondern auch die bei der Herstellung benötigten Ressourcen zu bedenken. Ein guter Ansatz für mehr Nachhaltigkeit sei zudem, die SSDs möglichst lange zu verwenden und etwa durch bessere Fehlerkorrekturmaßnahmen oder der Rückkehr zum SLC-Betrieb mit 1 Bit pro Zelle deren Lebensdauer zu verlängern. Das bedeutet aber eine geringere Speicherkapazität gegenüber MLC- oder heute gängigen TLC-SSDs mit 3 Bit pro Zelle.

Die Studie zeigt nicht das ganze Bild

Was die Studie vernachlässigt, ist allerdings der Leistungsvorteil einer SSD. Mit höheren Durchsatzraten aber vor allem einem Bruchteil der Latenz einer HDD erledigen SSDs viele Aufgaben erheblich schneller. So können diese auch schneller wieder in den sparsamen Leerlaufbetrieb wechseln.

Besonders in Rechenzentren liefert die SSD-Technik durch geringeren Platz- und Energiebedarf immense Vorteile. SSDs mit hoher Speicherdichte und Leistung können problemlos ganze Gruppen von HDDs ersetzen. Dadurch sind weniger Serverschränke nötig, was weitere Einsparungen an der gesamten Infrastruktur bedeutet.

Dass SSDs im Cloud-Sektor nicht längst die Oberhand gewonnen haben, liegt an den hohen Kosten pro Gigabyte. Hier sind HDDs auf absehbare Zeit auch weiterhin im Vorteil. Doch deren CO2-Fußabdruck wird durch immer aufwendigere Methoden zur Steigerung der Speicherdichte wohl eher wachsen.