ascer schrieb:
Welche andere Lösung siehst du denn realistisch?
Abseits von Technologie bleibt ja nichts außer dogmatisches Hoffen auf den Verzichtskurs, welcher längst gescheitert ist oder schlichtweg Akzeptanz der Veränderungen und Konsequenzen.
Ich denke schon, dass ein Mentalitätswandel dazu gehört. Auch das ist Lernen und Weiterentwicklung. Dieser wird nur nicht durch Verzichtsideologien erreicht werden, sondern durch einsicht durch Erfahrung der positiven Aspekte jenes Wandels. Dies geschieht jedoch nicht, wenn die Menschen erfahren, dass auf der einen Seite von ihnen Dinge erwartet werden, die als Verzicht zumindest wahrgenommen werden, und auf der anderen Seite im großen Stil das Ergebnis jenen Verzichts für mindestens gefühlt Nichts überkompensiert wird. Das führt zu Resignation und Ablehnung - und zwar zu recht!
Die technologische Lösung ist nur die eine Seite, die Umsetzung dieser so, dass die Bevölkerung sie als etwas positives betrachtet, als ihr Leben bereichernd, ist die andere, und dann geschieht auch der Mentalitätswandel, wenn der Mensch merkt, dass sein Leben dadurch besser wird. Aber vieles, was heute als "technologischer Fortschritt" verkauft wird (im wahrsten Sinne des Wortes), wird von der großen Mehrheit nicht als solches Wahrgenommen, weil es das eben auch nicht ist. AI in seiner Buzzword-Catch-all-Bedeutung ist eines davon. Aber es gibt unzählige andere. Und dann kann eine Technologie so toll und ich wichtig sein wie sie will, wenn sie beim Menschen nicht als lebensbereichernd ankommt, dann wird sie scheitern. Das meinte ich. Aber ja, du hast recht, am Ende wird es nur Technologie sein, die uns retten kann.
ascer schrieb:
Zur unausgesprochenen Wahrheit gehört selbstredend auch: die Menschheit (und Vorgänger) haben bereits Eiszeiten und Hitzeperioden überlebt und das auch sehr erfolgreich. Es ist ja Quatsch, dass der Klimawandel in irgendeiner Art und Weise tatsächlich existenzbedrohend wäre.
Das stimmt.
ascer schrieb:
Allerdings gehört zur Wahrheit ebenso, dass ein Überleben der Spezies "als solches" natürlich nicht gleichbedeutend ist mit dem Überleben eines jeden Individuums. Wie bei jeder Naturkatastrophe wird es uns Opfer kosten - und die Opferzahlen können (und sollten wir imho) mit Technologie eindämmen.
Richtig.
ascer schrieb:
Nüchtern betrachtet tun wir das ehrlich gesagt doch auch seit mehreren Millennien: seit wir Holz anzündeten, um nicht zu frieren und mit Stein und Stock durch die Gegend liefen, um irgendwie der Natur ein bisschen besser entgegenzutreten.
Exakt. Das neue ist, dass wir verstehen bzw. beginnen zu verstehen, wie wir unseren Planeten somit aktiv verändert haben und weiter verändern und im Prinzip dies nun gestalten. Nichts anderes ist es. Wir hören nicht auf, können nicht aufhören, aber sollten es verantwortungsvoll tun.
Aber genau spüren die Menschen gerade bei "denen da oben" nicht - und damit meine ich nicht nur Politiker.
ascer schrieb:
Dem würde ich tatsächlich entscheidend widersprechen.
- Auch LLMs, also der Stromfresser Nr. 1, tragen maßgeblich zu technologischen Lösungen bei: eine kurze Recherche verwandter Forschung, ein Paper zusammenfassen, schnell einen ersten Einstieg in neue Themenbereiche zu wagen u.v.m. sind alles UseCases, wo ChatGPT (und Dinge wie NotebookLM) mir und enorm vielen anderen Wissenschaftlern weltweit jeden Tag das Leben leichter machen. Neue Lösungen fallen ja nicht vom Himmel oder werden vollkommen abgeschottet von interdisziplinären Schnittpunkten entwickelt. Ich bin definitiv mit solchen Tools wesentlich schneller und effizienter unterwegs als früher. Und imho sieht man das auch bei der Geschwindigkeit, mit der sich Wissenschaft weiterentwickelt. Habe ich früher teils Monate gebraucht, um auch nur auf eine geeignete Hyperparameterauswahl für eine KI zu kommen, so kann ich heute binnen Minuten state-of-the-art Forschung suchen und die für mich relevanten Punkte zusammenfassen lassen und damit innerhalb weniger Tage sinnvolles aus aktueller Forschung in meine eigene KI-Forschung einbauen. Mein Output heute als einzelner Wissenschaftler ist höher als der von einem ganzen Team von vor 10 Jahren. Der Fortschritt ist gerade dank solcher Technologien rasant.
Kann man aber diskutieren, inwieweit du durch dieses Vorgehen nicht riskierst, dass du die KI deine Forschung beeinflusst, dass dir Wesentliches durch die Lappen geht, dass deien Schlussfolgerungen auf vorgefilterten Papers basieren, du verstehst denke ich, was ich meine. Ich wäre da sehr vorsichtig. Das ist meiner Auffassung nach das verführerische, das "(zu) einfache". Ich habe selbst studiert. Ich kann mich heute noch an einen Vortrag von mir erinnern, wo mein Prof da saß und dann meinte: "Scheiße, so habe ich das nie betrachtet." Da saß jemand in seinem Filter, und ich kam aus ner anderen Ecke, und mein Ansatz war für mich augenfällig, für ihn komplett außerhalb seiner Sphäre. Wenn du ne KI nutzt, nutzt du letztlich einen Filter. Schnell würde ich dann unterschreiben, effektiv ist aber möglicherweise diskussionswürdig. Ich denke du verstehst was ich meine.
ascer schrieb:
- Damit Punkt (1) für so spezielle UseCases funktioniert, benötigst du zwingend genug Daten (und Feedback) von Millionen normaler Nutzer, die zum 30. Mal nach einem Kuchenrezept oder dem nächsten Urlaub fragen. Würde z.B. nicht jeder Hans mit Autos durch die Gegend fahren, könnten sich auch nicht ganze Institute mit Antriebstechnologien, neuen Motoren, usw. beschäftigen.
Ja ich kenen das Konzept. Trotzdem würde ich es nicht als effektiv ansehen, dies so massiv "für nichts" zu betreiben, um dann "nebenher" auch mal "was nützliches" zu bewirken.
ascer schrieb:
- Heutzutage ist sehr viel Forschung direkt über Code und Experimente abgedeckt. In Fusionsforschung z.B. erledigen Simulationen und auch KI innerhalb von Monaten, wofür man früher Jahrzehnte brauchte. LLMs brauchst da dafür nicht direkt, Transformer (eine der "Enabler Technologien" von LLMs) werden da aber z.B. schon eingesetzt und solche Technologie hättest du nicht, gäbe es nicht so viel Invest in KI.
Hmm. Die gab es meines Wissens nach schon lange vor der Blase. Sie profitiert heute von der massiv gestiegenen Rechenleistung und natürlich entwickelt sie sich weiter, ja.
ascer schrieb:
Oder in ganz kurz: Konsum und dementsprechendes wirtschaftliches Interesse haben über Geldmittel die moderne Forschung und die Geschwindigkeit beim Fortschritt möglich gemacht.
Und hier ist meine Kritik: Die Technik ist super und großartig und auch logisch zu nutzen, weiterzuentwickeln. Aber: Das gehört als Forschung finanziert und nicht so. Dass es sich so finanzieren muss liegt einzig und allein daran, dass Politik da heute einfach völlig versagt. Sorry, aber Politik tritt letztlich nur noch als Konsument auf, indem sie Schulen mit Tabletts zuschüttet, aber sie gestaltet nicht. Wenn Konsum Fortschritt finanzieren soll, dann ist die Folge massiver Ressourcenverbrauch, der dann wiederum den Fortschritt anfeuert um noch mehr Ressourcen zu verbrauchen etc.pp., und nebenbei fast schon als "Abwärme" profitiert dann die Wissenschaft. Das ist eben nicht nachhaltig, auch wenn es den Fortschritt antreibt.
ascer schrieb:
Trotzdem darf man auch hier nicht vergessen: ein Teil auch jenen Geldes wird z.B. bei Unternehmen, Forschungseinrichtungen, ... kleben bleiben und mit etwas Glück als Nebenprodukt etwas hervorbringen, welches tatsächlichen Wandel ermöglicht.
Ja wie gesagt als Beiwerk. Und das sieht dann eben auch keiner, was wiederum den Mentalitätswandel nicht hin zur Technologie, sondern weg von der Technologie befördert, weil nicht der technologische Fortschritt sondern der Konsomblödsinn wahrgenommen wird.
Das wenige, was für die eingesetzten Ressourcen dann sozusagen an Fortschritt hängen bleibt, geht auch noch unter, kann möglicherweise gar nicht oder nur äußerst ineffektiv genutzt werden.