Erfahrungen Zivilklage, Berufungen und Vergleich

steppi

Commander
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Apr. 2012
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Hallo Leute,
Ich brauche mal einen Einschätzung zu Folgendem, was ich natürlich auch noch mal professionell besprechen werde. Ich möchte aber vorbereitet sein.

Ich hatte vor zwei Jahren einen Ebay-Betrug aufgesessen und einen vierstelligen Betrag "verloren". Da der Geldfluss nachvollziehbar war und ich eine Rechtsschutz besitze habe ich das ganze zur Anzeige gebracht und geklagt.

Strafrechtlich ist die Gegenpartei davon gekommen, aber zivilrechtlich hatte ich in erster Instanz recht bekommen und es wurde die Rückzahlung + Zinsen verordnet. Die Gegenpartei hat entsprechend Berufung eingelegt und der Prozess ging weiter. Nun wurde ich vor einigen Wochen zu einem Vergleichsverfahren geladen, wo mein Anwalt das persönliche Erscheinen abwiegeln konnte.

Heute kam nun von der Gegenseite ein Schreiben, dass man sich komplett aussergerichtlich einigen möchte und bietet mir 50% des Betrages mit dem Zahlungsziel in zwei Wochen an. Sollte die Zahlung nicht eingehen bestätigt die Gegenseite, dass das erste Urteil akzeptiert wird.

Jetzt die Frage, sollte man sich über die 50% freuen und nehmen was man bekommt oder doch lieber auf sein Anspruch behaaren, der bereits von der ersten Instanz bekräftigt wurde. Ich weiß eben nicht was ich vom offiziellen Vergleichsverfahren bzw vom Berufungsverfahren erwarten kann und ob es sinnvoll ist hoch zu pokern. Recht haben und Recht bekommen sind ja nun mal leider zwei Welten.

Auf der anderen Seite, würde die Gegenseite sowas anbieten wenn die sich sicher wäre, besser aus der Sache raus zu kommen.

Nächster Punkt, wie sieht das die Versicherung, wenn ich a) das Verfahren weiter aufblähe oder b) jetzt einfach "nachgebe". (Thema Gerichtskosten, die trägt doch wenn ich Gewinne komplett die Gegenseite?)
 
Also wurde das erstinstanzliche Urteil in der Berufung gekippt? Tja sieht dein Anwalt ne gute Chance, im Vergleich auf was besseres als 50:50 zu kommen? Kann man wohl kaum beurteilen ohne sich in den Fall einzuarbeiten wuerd ich sagen...
 
AnnAluna90 schrieb:
Also wurde das erstinstanzliche Urteil in der Berufung gekippt? Tja sieht dein Anwalt ne gute Chance, im Vergleich auf was besseres als 50:50 zu kommen? Kann man wohl kaum beurteilen ohne sich in den Fall einzuarbeiten wuerd ich sagen...

Nein es gab noch kein weiteres Verfahren. Nur das Hauptverfahren und eben dass die Gegenseite Berufung eingelegt hat. Wie gesagt, mein Anwalt war heute nicht mehr greifbar und natürlich werde ich mit ihm die Entscheidung treffen.

Mir geht's auch nicht um den konkreten Fall, sondern eher ob das so Gang und Gebe ist bzw hier die Gegenseite erstmal versucht "einzuschüchtern".
 
Dann versteh ichs nicht. Die schlagen 50:50 vor, obwohl sie schon zu 100% verurteilt wurden? Klingt fuer mich nach einem schlechten Deal...
 
Das kommt auf viele Einzelheiten an - z.B. Höhe des Betrages in relation zu den Gerichtskosten. Übernimmt die Gerichtskosten die Gegenseite oder sollen die auch 50:50 geteilt werden? Hat die Gegenseite überhaupt das Geld, oder muss man dem nach dem man Recht bekommt noch zusätzlich nachrennen?

Nach so einem Angebot wäre auch ein Gegenangebot mit 60:40 oder 75:25 vorstellbar.

Aber dein Anwalt wird dich da sicher besser beraten können.
 
AnnAluna90 schrieb:
Dann versteh ichs nicht. Die schlagen 50:50 vor, obwohl sie schon zu 100% verurteilt wurden? Klingt fuer mich nach einem schlechten Deal...

Meine Vermutung liegt ja darin, dass die Gegenseite für die gerichtliche Berufung bzw. den gerichtlichen Vergleich schlechte Chancen sieht und aus diesem Grund jetzt vorkalopieren mit diesem Angebot und der Aussicht auf schnelle Zahlung und Abwicklung.

Gerichtskosten wären auf meiner Seite von der Versicherung gedeckelt, aber ich denke wenn ich jetzt zustimme, würden eben 50% auch auf Kosten meiner Versicherungen gehen.

Wie gesagt mit dem Anwalt werde ich es so oder so besprechen.
 
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Da fehlen zu viele Details. Red mit dem Anwalt. Die Glaskugel hat heute keiner dabei.
Du hast halt nicht erwähnt ob das Vergleichsangebot vom Gericht kam nachdem das Gericht seine vorläufige Meinung mitgeteilt hat. Damit kann man dir auch zu nichts raten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ging auch nicht um einen konkrete Rat, sondern Meinungsaustausch und Erfahrungen.
Vom Gericht kam garnichts. Dort gibt es einen Termin für Ende des Monats für ein weiteres Verfahren. Das Angebot kam vom Anwalt der Gegenseite.

Die Entscheidung werde ich im Endeffekt sowieso mit und bei meinem Anwalt treffen.
 
Bei einem Vergleich darauf achten, wer die Gerichtskosten und Rechtsanwaltskosten zu tragen hat. Oft wird geteilt, ist aber nicht immer gewollt.
 
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Kennst du die finanzielle Situation des anderen? Die Frage, ob man weiter klagt sollte man vielleicht davon abhängig machen, ob es etwas zu pfänden gibt oder geben wird. Wenn derjenige Dauer-Leistungsbezieher ist, der schon diverse Straftaten begangen hat und für den Rest seines Lebens nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen wird, so nützt ein Pfändungstitel nicht viel. (Gerichtskosten, Anwaltskosten, Schadenersatz für alle davor begangenen Taten)
 
Ein Schuldtitel bringt nichts, wenn es nichts zu holen gibt ;)
 
So ein Titel hat aber 30 Jahre Gültigkeit. Da würde ich den dann schön genüsslich immer wieder hervor kramen. Wer weiß, Rubbellosgewinn, Erbschaft, vielleicht doch der grüne Zweig... Und wenn er jetzt 50% zahlbar in 2 Wochen anbietet, hat er ja doch was in der Tasche. Den Rest kann dir nur dein Anwalt empfehlen. Wir kennen die Details nicht und 4 stellig geht von 1.000 bis 9.999 Euro.
 
das kann keiner aus der Ferne einschätzen. Wie schon geschrieben wurde, dafür gibt es zu viele Punkte, die nur bei Kenntnis des gesamten Falls inkl. Beweislast und Beweislage bewertet werden können. Gut ist schon mal, dass Du in 1.Instanz gewonnen hast. Für mich klingt der "Einigungsversuch" nach Kostenersparnis (einerseits Berufungskosten, weil die Berufung zurückgenommen werden würde und der ursprünglich Beklagte so weniger Gebühren zahlen muss (was dich aber nicht jucken muss), und natürlich mit der Hälfte der Forderung davon zu kommen.) Und wie Idon schon schrieb, wird in aller Regel bei Vergleichen mit 50% auch die Kostennote geteilt (was in der Sache aber auch fair ist - da bin ich etwas anderer Meinung als Idon, obwohl ich seinen Ansatz verstehe).

Du hast halt das Vollstreckungsrisiko, d.h. wenn der Typ keine Kohle hat, nützt dir das Urteil vielleicht auch nichts. Da sind mitunter (50% freiwillig gezahlt besser, als 100% nicht durchsetzen zu können). Andererseits hat man auch Vollstreckungsmöglichkeiten und man kann Schuldner mitunter auch zum Zahlen bewegen (3x Taschenpfändung auf Arbeit wirkt mitunter Wunder, bei Zahlungsunwilligen).
Einen echten Rat kann dir da nur Dein Anwalt geben. Wenn Du wirklich betrogen wurdest (und das kannst auch nur Du einschätzen, denn das Strafrecht kann nicht immer gerecht zuschlagen (Stichwort: Überlastung, "in dubio pro reo", fehlende Beweise etc.) würde ich aber vermutlich schon aus Prinzip, keinen Cent zurückweichen.
Wie gesagt für Dich spricht ja schon mal das volle erstinstanzliche Urteil. Dass da einer in Berufung geht, ist mitunter auch schon frech, mitunter aber auch Taktik, um - sofern das noch nicht abgeschlossen war - im strafrechtlichen Verfahren nicht den Eindruck eines "Schuldanerkenntnisses" entstehen zu lassen.
Ergänzung ()

Thorle schrieb:
So ein Titel hat aber 30 Jahre Gültigkeit. Da würde ich den dann schön genüsslich immer wieder hervor kramen. Wer weiß, Rubbellosgewinn, Erbschaft, vielleicht doch der grüne Zweig... Und wenn er jetzt 50% zahlbar in 2 Wochen anbietet, hat er ja doch was in der Tasche. Den Rest kann dir nur dein Anwalt empfehlen. Wir kennen die Details nicht und 4 stellig geht von 1.000 bis 9.999 Euro.
das stimmt schon, aber man darf auch nicht vergessen, dass der Gerichtsvollzieher auch Geld kostet, und das auch nerven kann, dem "schlechten" Geld immer wieder gutes nachzuwerfen. Dazu muss man die finanzielle Situation der Gegenseite kennen, um das besser einschätzen zu können.
 
Wenn das erstinstanzliche Urteil vorläufig vollstreckbar ist, hätte ich schon lange die ZV in die Wege geleitet. Wohl gibt es bei der Partei ja (noch) etwas zu holen
 
Ich habe mich mal auf einen Vergleich eingelassen. Die Richter freuen sich darüber, müssen sie doch kein mögliches Urteil begründen. Ist für sie einfacher und daher bevorzugen sie es häufig.

Was ich damals nicht wusste, ist, dass es für einen Vergleich eine andere Abrechnung der Anwaltsgebühren gibt. Wenn sich nichts geändert haben sollte, können Anwälte dabei mehr abrechnen als bei einem anständigen Urteil. Daher sollte man vorsichtig sein, was der eigene Anwalt einem empfiehlt und wie die Aufteilung der Klagekosten mit der Gegenpartei aufgeteilt wird. Bei 50/50 in deinem Fall bezogen auf diese Kosten und auch auf den Streitwert, halte ich das für ein eher schlechtes Angebot.
 
Richtig, dann fällt nämlich noch eine Einigungsgebühr nach RVG mit einem 1,0 Gebührensatz an.
 
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