Glasfaser Neubau von FTTH-Netzen zukunftsfähig?

W

Wechsler

Gast
Wie viele ja wissen, sehe ich persönlich den in Deutschland gerade angelaufenen Festnetzneubau nicht so unkritisch, wie die Lobbyisten-Organisationen BREKO und Konsorten, die gerade fleißig soviele Fördermittel (also unser letztes Geld) wie möglich einsammeln, um in einer künftigen Hochzinsphase auch noch den letzten Aussiedlerhof an ihre Monopol-FTTH-Netze anzuschließen - nur damit anschließend die Betreiber pleite gehen.

Dafür möchte ich mal diesen sehr treffende Lage-Einschätzung aus einem anderen Forum (teltarif) zur Diskussion stellen:

Gerade wirtschaftswissenschaftlich betrachtet erstaunt die komplette Ausklammerung der Makrotrends. Die Niedrigzinsphase ist vorbei und kommt auch nicht zurück. Bei realen Negativzinsen "lohnt" sich finanzmathematisch fast alles, insbesondere die Anlagevorschriften z. B. für Pensionsfonds bedingten einen Drall zu Immobilien oder auch Investitionen in Infrastruktur. Da diese in Deutschland vergleichsweise wenig privatisiert ist, anders als in anderen Ländern, blieb da nicht soviel anderes übrig als ftth.

Dementsprechend stehen hinter eigenwirtschaftlichen Ausbauern stets große Investmentfonds. Das ist kein komischer Zufall, sondern folgerichtig.

Zugleich hatten wir in den 20 Jahren nach der Jahrtausendwende einen Arbeitskräfteüberhang in Europa, die erheblichen Lohnkosten für Tiefbauarbeiten konnten so niedrig gehalten werden. Die Demografie dreht sich gerade um, das haben nur noch nicht alle realisiert weil die Verwerfungen am Arbeitsmarkt derzeit noch gerne auf die Pandemie geschoben werden. Das ist zeitlich aber lediglich ein zufälliges Zusammentreffen.

Dazu kommen die extremen Fortschritte bei Alternativen. Mobilfunk oder das häufig vergessene Kabelinternet haben ihre Kapazitäten im Vergleich zu ftth erheblich gesteigert (Funkwellen breiten sich auch mit Lichtgeschwindigkeit aus). Ohne die Tiefbauarbeiten in jedem Haus. Selbst die Kapazitäten von Supervectoring reichen eigentlich "dauerhaft". Es sind keine Massenanwendungen auch nur im Entwicklungszustand die mehr als 31 Megabyte/Sekunde down bzw. 5 Megabyte/Sekunde up erfordern. Selbst die Killer-App Cloud Computing übersteigt diese Kapazität bei fast allen Privathaushalten nicht. Der Ressourcenhunger wächst einfach nicht mehr so schnell wie in den 00er Jahren (ähnlich bei Prozessoren und Endgeräten, die meisten Smartphones werden inzwischen wegen verschlissenem Akku ersetzt und ein 5 Jahre alter Laptop mit Intel Mehrkern CPU ist heute nicht unbedingt Elektroschrott, das hätte man Anno 2003 nicht über einen 5 Jahre alten Laptop gesagt).

Und dann ist die Nutzung schlicht komplett anders als in den 00er Jahren, in denen ftth als Nonplusultra galt. Damals hatte man brüllende PC Tower mit Ethernetkabel, Handy konnte nur Telefon und SMS, der Fernseher konnte nur Rundfunk.

Heute sitzt in Privathaushalten in der Freizeit zunehmend kaum noch jemand überhaupt an einem stationären PC, die meisten Menschen nutzen nur noch wireless Endgeräte (und Vielzahl davon) und sind auch eher genervt vom schlechten Netzausbau beim Mobilfunk und Beschränkungen beim Datenvolumen unterwegs als von der niedrigen Kapazität des Mobilfunks per se. Das hat schon mit LTE aufgehört. Anders als früher wechselt man heute vor allem aus tariflichen Gründen möglichst in ein heimisches WLAN. Mithin also ein Relikt.

Wohin die Reise langfristig geht sieht man in Märkten in denen Mobilfunktarife günstiger sind. So schrumpft in Finnland die Zahl der aktiven (!) Breitband-Festnetzanschlüsse in Haushalten. Inklusive ftth. Nicht wegen mangelnder Verfügbarkeit, sondern wegen mangelndem Interesse. Wer eh alles am Smartphone macht und Zuhause über den Hotspot Netflix am TV schaut oder Home-Office am Laptop, der braucht auch keine Landline mehr. Der nächste logische Schritt sind dann Endgeräte mit Mobilfunkmodem, statt WLAN Modul. Wenn unlimited Tarife und eSIM, quasi das neue WLAN Passwort, stärker verbreitet sind ist das aus Sicht der Endnutzer nur ein Vorteil. Sie nutzen ja eh alles wireless. Wozu dann noch einen Plasterouter hinstellen und Geräte ortsgebunden nutzen müssen.

Wenn man den Festnetzvertrag kündigt hat man auch mehr Geld monatlich zur Verfügung um einen unlimited Mobilfunkvertrag zu bezahlen. Der auch nicht mehr so heißen muss, "Mobilfunk" klingt nach preußischer Dampfmaschine. Die meisten Leute wollen gar nicht wissen welche Technologie dahinter steckt, sie wollen immer und überall online sein. Und das geht eigentlich besser ohne Festnetz und WLAN an/aus usw. Nahtlos.

Klar braucht es dazu Glasfaserausbau. Aber nicht in jede Wohnung, sondern zu möglichst vielen Basisstationen. Bis hin zum Konzept von Femtozellen, die in Frequenzen mit hoher Bandbreite und geringer Reichweite zB eine Straße oder einen Wohnblock bedienen. Sozusagen als riesiges WLAN. Aber als Teil eines großen Mobilfunknetzes, in dem das eigene Endgerät überall nahtlos genutzt werden kann.

DAS empfinden die meisten Menschen heutzutage als Utopie und erstrebenswert. Nicht die Nutzungswelt der 00er Jahre, nur mit ftth statt DSL. Ohne das Nutzungsverhalten mit PC Tower und Ethernetkabel ergibt das für die meisten Haushalte einfach keinen Sinn. Für 1% Poweruser baut niemand Infrastruktur auf. Entsprechend gering sind die uptake Raten, obwohl soviel Druck aufgebaut wird vor Ort (Bürgermeister-Briefe, Verkäufer, Nachbarn überreden einander, sogar Bürgerinitiativen lassen sich vor den Karren spannen, auffällig viele ältere ü50 die an die gute Sache dabei zu glauben scheinen).

Man merkt ja auch, dass die größte Beschwerde der Privatnutzer bezüglich connectivity heutzutage die ätzenden Mobilfunktarife sind, nicht die Festnetztarife, sowie die Verfügbarkeit von Mobilfunk in der Fläche in Deutschland. Das ist die Nummer 1 Klage für die meisten Menschen bezüglich eigener Bedürfnisse. Breitbandausbau gilt eher als abstraktes, gesellschaftliches Thema.

Anders ist das natürlich bei Gewerbe, aber diese anzubinden steht ja nicht im Widerspruch zu meinen Ausführungen. Das selbe Glasfasernetz, das nötig ist um ein nahtloses Mobilfunknetz aufzubauen, bis hin zu Femtozellen in jeder Straße, kann natürlich auch Gewerbe anbinden. Das dafür auch eine Gebühr zahlen kann die die Kosten deckt.

Sprich, Steuergeld in einen Infrastrukturausbau zu versenken den wir so nicht mehr brauchen, ftth in jede Bude, ist ein großer Fehler, denn wir können jeden Euro nur einmal ausgeben und bei Klimaschutz müsste viel mehr investiert werden. Ein smart meter in jedes Haus oder gratis Photovoltaik, Hauseigentümer müssen nur irgendwo anrufen oder ein Onlineformular ausfüllen und die Gemeinde installiert und bewirtschaftet Photovoltaik auf dem Dach, wofür der Eigentümer eine kleine monatliche Mietzahlung erhält, für sowas bräuchten wir das Geld, was im ftth Ausbau versenkt wird, viel dringender. Privatinvestoren ziehen ihre Gelder ja bereits zunehmend zurück, der Markt hat da einen besseren Riecher als die Politik.

Bezüglich Digitalisierung sollte der Staat auch erstmal die eigenen Hausaufgaben erledigen und die öffentliche Verwaltung digitalisieren. Das scheitert nicht an Breitband, sondern an allem anderen.

Quelle: https://www.teltarif.de/forum/s9102...achvollziehen-ftth-ausbau-ist-fast-tot/5.html

Was meint ihr zur Frage im Thementitel? Wird sich der Spaß jemals lohnen?
 
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Für mich stellt sich nicht die Frage ob sich das lohnt.
Der Ausbau wurde jahrelang verschlafen und ist lange überfällig.
Das Netz muss ausgebaut werden und auch für alle. Internet mit Glasfaser muss mittelfristig eine Grundversorgung sein.
Das kostet Geld und ob nun Fördergelder darin versenkt oder anderweitig verschwendet werden macht keinen Unterschied.
 
Für Privathaushalte: Ja, das wird sich vermutlich alles nicht lohnen. Der Otto-Normalverbraucher ist mit 50 Mbit/s i.d.R. völlig bedient und wird nie in seinem Leben mehr brauchen.

Deutschland ist beim Breitbandausbau leider so weit hinten dran, dass es jetzt in der Tat schon sinnvoller sein könnte, auf die Folgetechnik zu setzen.
 
Teilweise etwas zu kurz gedacht und eher ein halber Rant als Sinnvolle Argumente .....
Spätestens wenn es darum geht das man ein HEIMNETZ haben will, mit Drucker, NAS etc. braucht man einen Router der das Steuert und vom Internet Separiert. OHNE das -> Keine SIcherheit für die Geräte ODER alles wird per "Fernzugriff" genutzt und ist damit einzeln leichter Hackbar als jedes gängige Heimnetz hinter einem Router.
Klar kann ein Wireless Funknetz deutlich leichter aufgebaut werden und schnell größere Gebiete versorgen ABER es hat auch einige deutliche Nachteile !
1. Ist Funk IMMER ein Shared-Medium. Das gilt zwar auch für Kabelgebunden (egal ob DSL(Fernsehkabel oder Glasfasser) aber bei Funk fällt es VIEL stärker ins Gewicht.
2. Benötigt Funk deutlich mehr Strom/Energie um die Komunikation und den Speed zu bieten wie verglechbare Kabelhgestützte Lösungen. Diess KÖNNTE ignoriert werden wnn die entsprechenden Betreiber mal auf die Idee kömmen würden die Sendeanlagen mit Solar/Windkraft + Akkus zu versorgen statt aus dem Öffentlichen Netz (auf dauer weit billiger !!).
3. Funk ist an Sich (egal wie man es dreht oder wendet) eine Unsichere Technologie da schon aus dem Funktionsprinzip her eine "Abhöhrbarkeit" gegeben ist welche NIHCT erfordert das man sich an die Kabel ranbuddelt etc. sondern eben "nur" eine entsprechende Empfangsstation hinstellt die "mitschneidet". Mich wundert es daher das da nicht die ganzen Hypochondrischen Datenschützer und "Privatsphäre-Aktivisten" sturm laufen .....

Es läßt sich natürlich noch weit mehr sagen aber am Ende kommt man bei dem Kompromiss raus das es für BEIDES eine gegebene Berechtigung gibt : I-Net per Funk und I-Net per Kabel ... wobei .... gerade die "letzten abgelegenen Bauernhöfe" sind DEUTLICH einfacher per Kabel zu erreichen, vor allem wenn man die Ausreden dagegen mal analysiert und problemlos wiederlegt ......
 
Maine schrieb:
Für Privathaushalte: Ja, das wird sich vermutlich alles nicht lohnen. Der Otto-Normalverbraucher ist mit 50 Mbit/s i.d.R. völlig bedient und wird nie in seinem Leben mehr brauchen.
So wie man nie mehr als 640KB RAM brauchen würde?
 
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Drewkev schrieb:
Aua, mit solchen Aussagen wäre ich vorsichtig.
Warum? Otto-Normalverbraucher braucht seinen Anschluss für Streaming und das wars dann auch schon mit "anspruchsvollen" Szenarien. Wir hier als CB-Community mit hohen Ansprüchen sind ein winziger Teil eines verschwindend geringen Teils der Bevölkerung, das darf man nicht extrapolieren.
 
NatokWa schrieb:
Spätestens wenn es darum geht das man ein HEIMNETZ haben will
Genau das ist der Punkt des Beitrages. Mit dem Nischenbedarf von 10-15 % der Haushalte kann man keine kostendeckenden Festnetze betreiben. Denn die Kosten dafür müssen dann auch die 10 % voll tragen. Das sind dann jenseits der 100 € pro Monat.
 
bondki schrieb:
So wie man nie mehr als 640KB RAM brauchen würde?
Du missverstehst meinen Post:

Ich sage nicht, dass man nie mehr brauchen wird. In z.B. 50 Jahren sieht das sicher anders aus. Aber bis dahin läuft eh alles nur noch über Funk und dann braucht man kein in der Erde versenktes Glasfasernetz mehr (als Privatkunde!!!! Gewerbe wie gesagt ganz andere Kiste!)
 
Wo hast du bitte diese "Kosten" her ? Stehende Hardware wird zwar gerne als "laufende Kosten" angegeben, damit wird aber der Nutzer nur beschissen.
Und wie schon gesagt : Ein Netz das auf FUNK aufbaue ist NOCH teurer im "Unterhalt".

WObei .... 10-15% der Haushalte ? Das ist echt niedrig gesetzt .... das fängt schon mit nem Drucker an zuhause das man ein solches Netz BRAUCHT.
 
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bondki schrieb:
Auch das ändert an der falschen Aussage nichts.
Dann freut es mich, dass du mit sehr vielen fundierten Argumenten zur Diskussion beiträgst :)
 
NatokWa schrieb:
Wo hast du bitte diese "Kosten" her ?
Der Betrieb eines Festnetzes ist teurer als der eines Mobilfunknetzes, wenn zu wenig Nutzer angeschlossen sind. Diese Kosten sind fix, steigen (!) und werden dann auf die immer weniger angeschlossenen Nutzer umgelegt, die Take-Up-Raten bei Glasfaserneubau liegen inzwischen unter 30 %.

NatokWa schrieb:
Und wie schon gesagt : Ein Netz das auf FUNK aufbaue ist NOCH teurer im "Unterhalt".
Man muß nicht einfach nur Argumente aufzählen, an die man glaubt, man muß sie auch begründen.

NatokWa schrieb:
WObei .... 10-15% der Haushalte ? Das ist echt niedrig gesetzt ....
75 % der Haushalte werden von bis zu zwei Personen bewohnt, die Hälfte davon von Singles. Die brauchen kein "Heimnetz" mit Netzwerkdrucker. Oder anders ausgedrückt, die meisten brauchen inzwischen auch gar keinen Drucker mehr, weil sie gar kein Gerät mehr besitzen, das überhaupt was drucken kann.
Ergänzung ()

Maine schrieb:
Ich sage nicht, dass man nie mehr brauchen wird. In z.B. 50 Jahren sieht das sicher anders aus. Aber bis dahin läuft eh alles nur noch über Funk und dann braucht man kein in der Erde versenktes Glasfasernetz mehr (als Privatkunde!!!! Gewerbe wie gesagt ganz andere Kiste!)
Das geht viel schneller. Der von mir zitierte Beitrag verweist ja schon auf die Entwicklung im vorbildlich mit FTTH ausgebauten Skandinavien, wo sich immer mehr Leute von ihren perfekt funktionierenden Glasfaseranschlüssen verabschieden, weil sie diese schlicht nicht mehr brauchen.

Drewkev schrieb:
Ansprüche ändern sich aber und Funk wird immer einen Nachteil gegenüber Kabel haben, egal bei welcher Geschwindigkeit.
Das ist nicht das Thema diesen Fadens. Hier geht es NICHT um Pro und Kontra Glasfasertechnik oder wer den längsten Balken im Speedtest hat.

Hier geht um die Frage, ob ein kompletter Neubau von FTTH-Netzen noch zukunftsfähig und wirtschaftlich sinnvoll machbar ist.
 
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@Drewkev Vor- und Nachteile von Technik ist hier explizit nicht das Thema des Faden, da gibt es bereits genug Themen für, wo man diskutieren kann, wie toll niedrig der Ping ist usw. In diesem Thema geht es um Lobbyisten, die unser Geld ausgeben wollen, um viel zu spät und viel zu teuer Festnetze neu zu bauen, die wenig später kaum noch einer braucht oder nutzt.

Das ist mit "zukunftsfähig" gemeint.
 
Theoretisch braucht es ja auch kein Heimnetz. Dem Ottonormal ist es doch egal ob der Drucker direkt ansprechbar ist oder nur über den Umweg der Herstellercloud. So auch bei den ganzen anderen Smart Home Geräten die es eh schon so handhaben.

Vielleicht ist ein Mobilfunkchip mit esim in Zukunft ja auch preiswerter als ein WLAN Chip.

Nach aktuellem Ausbaustand des Mobilfunknetz halte ich es aber für unmöglich damit alle Festnetz-Haushalte mit zu übernehmen.
 
Christian1297 schrieb:
Nach aktuellem Ausbaustand des [deutschen] Mobilfunknetz halte ich es aber für unmöglich damit alle Festnetz-Haushalte mit zu übernehmen.
Und genau hier stellt sich die Frage, ob ein Ausbau dort nicht sinnvoller ist, statt jetzt noch mit gigantischem Tiefbau in der Pampa anzufangen, um die 1990er-Träume vom Festnetz zu verwirklichen. Jeder Euro, den man ins Festnetz steckt, fehlt nämlich in den Mobilfunknetzen.
Ergänzung ()

Drewkev schrieb:
Hast du Belege dafür?
Ja, sind in #1 zitiert. Den hast du schon vollständig gelesen, oder?
 
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