Überspannungsschutz in Steckerleisten

35712

Ensign
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Hallo liebes Forum,

Ich versuche zurzeit zu verstehen, was genau ich von Steckerleisten mit Überspannungsschutz habe und wie ich deren Leistungsversprechen einschätzen kann.

Vorweg:

A) Ich weiß, dass ein direkter Blitzeinschlag Schäden anrichtet, die sich mit einem Überspannungsschutz nicht vermeiden lassen.
B) Ich weiß, dass selbst ein indirekter Blitzeinschlag in einem gewissen Radius alleine durch das elektromagnetische Feld und die Induktion von Strömen auch bei ausgesteckten Geräten für Schäden sorgen kann. Der sicherste Schutz vor Überspannungsschäden ist nach wie vor das Ausstecken bei Gewittern, es ist aber kein 100%iger Schutz möglich. Einverstanden.
C) Ich weiß ebenfalls, dass eine Hausratsversicherung nicht zwingend für alle Schäden aufkommt, und dass man hier genauestens lesen sollte. Und die Garantien von den Herstellern diverser Steckerleisten sind auch eher hohle "Versprechen", die dank Beweislast, die beim Nutzer liegt, gar nichts taugt.
D) Und ich habe einigermaßen umrissen, dass ein BLITZ-Schutz-Konzept einen
1. Grobschutz mit Fangeinrichtung (der verhindern soll, dass das Haus anfängt zu brennen)
2. einen Mittelschutz mit Schutzvorrichtungen in den Schaltkästen (die verhindern sollen, dass durch Blitzschläge entstandene Ströme die Leitungen und Geräte im Haus fetzen) und
3. einen Feinschutz vor den Geräten (der Überspannungen, die der Mittelschutz nicht anfangen kann, nivelliert) benötigt.
E) Noch dazu sollte nicht vergessen werden, dass viele Router nicht durch das Stromnetz, sondern bei Überspannungen durch die Telefonbuchse gekillt werden. Entsprechende Schutzleisten, die das DSL-Signal durchschleifen, kosten mal gar keine Bandbreite, mal 1/3, mal 2/3 und mal die gesamte Signalstärke, abhängig davon wie gut das Signal am jeweiligen Anschluss ist und wie gut die Steckerleiste ist. (Bei mir kostet es mit einer Brennenstuhl Power-Line 120.000 A von 16 Mbit/s tatsächlich 10 Mbit/s, d.h. es bleiben 4-6 Mbit/s übrig.)
F) Ich habe ebenso mitbekommen, dass beinahe alle halbwegs modernen Elektrogeräte sowieso Varistoren verbaut haben, die eine Schutzschaltung vor Überspannungen bieten (sollen), insbesondere Gerätenetzteile.

Nun bringen Blitze im Durchschnitt Stromstöße von durchschnittlich 20.000 Ampère auf die Waage. Nicht auszuschließen, dass es auch mal mehr wird. Wenn die Geräte nicht willkürlich durch EMV das Zeitliche segnet, und die Leitungen sowieso schmilzen oder platzen, könnten ja einfach nur Überspannungen auftreten. Es muss ja auch kein Blitz sein, auch Stromausfälle sind denkbar als Grund für Überspannungen. Oder fragwürdig alte Hauselektrik.

Um das Anfangen solcher Überspannungen geht es mir. Ich wohne in meinem Mietshaus, kann also nicht eben das Schutzkonzept revolutionieren, sondern maximal innerhalb der eigenen Wohnung Maßnahmen treffen. Dazu zählt das Ausstecken der Geräte während eines Gewitters, was entsprechend B) einen relativ guten Schutz bietet. Wenn es nun nachts gewittert oder ich unterwegs bin, oder mal nicht schnell genug, könnte es dennoch zu einem Schaden kommen. Von diesen Fällen will ich reden.

Nun gibt es reichlich Angebote und viele "Tests", die immer wiederholen, dass mehr Ableitströme einen besseren Schutz böten. Mal sind es 2,5 kA, mal sind es 5, dann 10, 20, 30, oder eben auch mal 120 kA. Irgendwo im Netz habe ich gelesen, dass diese Zahlen Unfug seien, da sie nur durch die Addition von billigen, hintereinander geschalteten Varistoren zustande kämen. Stutzig wurde ich, als ich in einem Forenbeitrag gelesen habe, dass die Fangleitungen auf den Dächern mit 8mm Durchmesser 50kA abfangen. Das ist ja zu 120 kA von z.B. Brennenstuhl schon ein Sprung. Und das ist keine Fangeinrichtung, sondern eine Steckdosenleiste. Da käme man ja fast auf die Idee die Steckdosenleiste aufs Dach zu schnallen.

Also, was sagen mir diese Zahlen? Was ist sinnvoll? Es gibt ja auch noch Küchengeräte, die man ebenfalls nicht einfach aussteckt, und die auch Schäden nehmen können. Das ist schon unschön, wenn die Kühltruhe ausfällt. Oder der Kühlschrank. Oder alles zusammen. Das wird teuer und aufwendig. Kann ich diese mit einer 5 kA-Leiste etwas mehr schützen als ohne? Oder doch lieber mit einer 120 kA-Leiste? Oder doch lieber ohne? Wie erkenne ich ob eine Leiste was taugt?

USVs gibt es ja auch noch. Wobei ich mich da frage, ob die bei Überspannungen nicht auch gegrillt werden. Die Hardware dahinter vielleicht nicht, aber ein USV als masochistischer Spannungsfänger ist ja auch nicht gerade günstig. Für Stromausfälle gut. Aber für Überspannungen?

Danke für euren fachlichen Rat!
 
Steckerleisten mit ÜSS Typ 3 (früher auch Fein-Schutz) sind nur dann sinnvoll, wenn ein vorheriges Schutzelement den Pegel für einen Typ 3-Gerät gesenkt hat. Für Typ 1 (aka Grob) und Typ 2 (aka Mittel) ist allerdings dein Vermieter verantwortlich oder du darfst eben in der Hausverteilung basteln. ÜSS ist übrigens Pflicht, siehe dazu DINV VDE 0100-443 und 0100-534. Wird allerdings von vielen Vermietern aufgrund der Installationskosten gescheut.

Die ganze Problematik wird für Privatanwender eh heißer gekocht als gegessen. Niemand von uns stirbt, wenn der TV kaputt geht... bei einem Unternehmen mit kompletten Datenverlust sieht das natürlich anders aus. Mein Tipp ist, dass du dich einfach bei deiner Versicherung informierst, was die im Fall von Überspannungsschäden fordert.

Was ist denn jetzt eigentlich deine Frage? Willst du ALLE Geräte schützen und ca. 75€ pro Steckdose investieren? Oder benötigst du einen bedarfsgerechten Schutz einzelner Geräte wie der Kühltruhe?
 
Meine Fragen sind:

- Wie genau funktionieren diese Steckerleisten mit Überspannungsschutz? Varistoren hintereinander geschaltet? Je mehr desto besser? Gibt es da überhaupt nennenswerte qualitative Unterschiede bei diesem Mechanismus? Manche Leisten kosten 100€, andere 500€, andere 5€. Ich lese meist: Je mehr Ampere, desto besser.

- Warum funktionieren sie lediglich, wenn ÜSS Typ 1 und 2 bereits verbaut sind? Gerade wenn ich lese, dass Steckerleisten wohl teilweise locker 40.000 Ampère wegpuffern, sollte es doch für einen durchschnittlichen Blitz, der in die Leitungen kriecht, zumindest vom reinen Wert her reichen. Und wenn diese Werte utopisch sind, weil der Blitz die Leitungen ohne ÜSS 1 und 2 sowieso schmilzen lässt, warum wird dann damit geworben? (Klar, Werbung) Sind diese Zahlen zu hoch? Sagen die etwas aus, das nur einen Teilaspekt betrifft? Welche Ampere-Zahl ist für einen Feinschutz unnötig? Wenn ich mir Steckerleisten von Unternehmen ansehe, die vom Grob- bis zum Feinschutz alles anbieten, stehen da 5 kA Blitzstoßströme.

Letztendlich schütze ich doch gerne einige Steckdosen für 75€ je Stück, wenn ich dadurch die Chance auf den Ärger im Falle eines Überspannungsschaden verringern kann. Versicherung hin oder her, man hat Huddel mit sowas. Aber vielleicht müssen es ja gar keine 75€ sein, sondern es reichen 15€. Ich verstehe eben nicht wo die Unterschiede liegen sollen. Für mich als Laien ist das Thema ziemlich undurchsichtig.
 
Schau einfach in deine Hausrat-Police und prüfe, welche Summe für Blitz und Überspannungsschäden maximal vorgesehen ist. Überschlagen, welche Hardware Schaden nehmen könnte und evtl. die Summe anpassen lassen.

Brennenstuhl soll 120kA abfangen können? Über eine Funkstrecke, oder wie wird das abgeleitet? Weil die 2,5mm² Schutzleitung halten Diese nicht (auch keine 50kA oder 5kA), die schaffen ohne beschädigt zu werden grad mal 16A.
 
@ Samurai76: Genau, ich versuche diese Zahlen einzuordnen. Was für Überspannungen können / sollten überhaupt bei einer Steckerleiste ankommen können? Womit kriegen die es zu tun? Und würden sie tatsächlich solche horrenden Ströme von 120 kA puffern können, oder ist das einfach Blödsinn?

Das mit der Versicherung habe ich begriffen, aber darum geht es mir gar nicht. Mir geht es um etwas mehr technisches Verständnis für das Thema.
 
Das kommt ganz drauf an. Wenn kein Grob~ und Mittelschutz installiert ist, können auch mal locker einige 100kV im Haus auftreten. Dagegen gibt es keinen Schutz im mehr, wenn die Spannung erst mal dein Netz erreicht hat. Was nach Grob und Mittelschutz an Spannungsspitzen noch auftreten kann und welche Energie kurzfristig gepuffert werden muss, keine Ahnung, mal nen Elektriker Fragen, ich bin für kleinere Sachen zu haben^^ (Mein Fachbereich sind die Innereien von den Geräten, nicht die E-Installation). Kann Dir nur aus Erfahrung sagen, 30 Jahre kein Gerät verloren. Haus hat nur direkten Blitzschlagschutz, das Maximale, was bislang aufgetreten ist, war ein geflitzter FI, da sich als erstes die Potenziale ändern und plötzlich Querströme fliessen, öffnet Dieser. Die andere Variante hat mein Arbeitskollege, alle paar Jahre dürfen alle Kommunikationsgeräte neu, da der Blitz dort als (kleine) Überspannung über die Telefonleitung kommt und grillt.
 
35712 schrieb:
Meine Fragen sind:

- Wie genau funktionieren diese Steckerleisten mit Überspannungsschutz? Varistoren hintereinander geschaltet? Je mehr desto besser? Gibt es da überhaupt nennenswerte qualitative Unterschiede bei diesem Mechanismus? Manche Leisten kosten 100€, andere 500€, andere 5€. Ich lese meist: Je mehr Ampere, desto besser.

- Warum funktionieren sie lediglich, wenn ÜSS Typ 1 und 2 bereits verbaut sind? Gerade wenn ich lese, dass Steckerleisten wohl teilweise locker 40.000 Ampère wegpuffern, sollte es doch für einen durchschnittlichen Blitz, der in die Leitungen kriecht, zumindest vom reinen Wert her reichen. Und wenn diese Werte utopisch sind, weil der Blitz die Leitungen ohne ÜSS 1 und 2 sowieso schmilzen lässt, warum wird dann damit geworben? (Klar, Werbung) Sind diese Zahlen zu hoch? Sagen die etwas aus, das nur einen Teilaspekt betrifft? Welche Ampere-Zahl ist für einen Feinschutz unnötig? Wenn ich mir Steckerleisten von Unternehmen ansehe, die vom Grob- bis zum Feinschutz alles anbieten, stehen da 5 kA Blitzstoßströme.

Letztendlich schütze ich doch gerne einige Steckdosen für 75€ je Stück, wenn ich dadurch die Chance auf den Ärger im Falle eines Überspannungsschaden verringern kann. Versicherung hin oder her, man hat Huddel mit sowas. Aber vielleicht müssen es ja gar keine 75€ sein, sondern es reichen 15€. Ich verstehe eben nicht wo die Unterschiede liegen sollen. Für mich als Laien ist das Thema ziemlich undurchsichtig.

Wie genau funktionieren diese Steckerleisten mit Überspannungsschutz? --> da gibt es unterschiedliche Varianten, wenn es genau wissen willst, hat der Hersteller vllt einen Stromlaufplan im Sortiment.

Manche Leisten kosten 100€, andere 500€, andere 5€. Ich lese meist: Je mehr Ampere, desto besser. --> das ist erstmal richtig so. dabei musst du wissen, dass die DIN VDE 4 Blitzschutzklassen vorsieht und der Scheitelwert des Stroms von 100kA bis 200kA (von Klasse IV bis Klasse I) steigt. Du kannst im Prinzip jede Objekt (Haus / Schaltanlage) mit Klasse I ausrüsten und machst vom Schutzziel her nichts falsch, stürzt dich aber in finanzielle Unkosten. Weil eventuell die Klasse 3 ausreicht. Das ganze ist halt ein Wahrscheinlichkeitsspiel. Für Privathäuser trifft immer die Klasse 3 zu.

Warum funktionieren sie lediglich, wenn ÜSS Typ 1 und 2 bereits verbaut sind? --> Das hat dir der Kollege schon beantwortet, es geht nicht nur um den Strom, sondern auch um die Spannung. Die verschiedenen Schutztypen (1-3) senken den Pegel immer weiter auf ein geräteverträgliches Niveau ab. Aber Typ 3 kann halt nur das Niveau ertragen, was Typ 2 ihm anbietet und nicht das VOR Typ 1.

Letztendlich schütze ich doch gerne einige Steckdosen für 75€ je Stück --> und so sollte da ja auch sein. Nennt sich "bedarfsgerechter Schutz". Aber wie oben erwähnt, ein reiner Typ 3 ÜSS bringt dir herzlich wenig. Wenn du vorher keinen Typ 2 hast.

Falls du dich weiterhin näher damit beschäftigen willst, empfehle ich dir den kostenlosen http://www.dehn.de/de/blitzplaner-0 als PDF. Dort sind viele Anwendungsbeispiele beschrieben.
 
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