Das leisten alte Netzteile: 16 Netzteile unserer Leser im Test

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Philip Pfab
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Anhang

So testen wir Netzteile

Um über PC-Netzteile qualifizierte Aussagen treffen zu können, wird eine sehr aufwändige und teure Testumgebung benötigt. ComputerBase setzt daher weitgehend auf Equipment der Firma Chroma.

Chroma 8000 ATS
Chroma 8000 ATS

Unsere „Chroma 8000 ATS Teststation“ kombiniert zahlreiche einzelne Module wie Wechselspannungsquelle, elektronische Lasten und integrierte Messausrüstung mit Software-gestützter Ansteuerung über einen Computer. Sobald das ausgewählte Testprogramm gestartet wird, testet die Chroma den Probanden mit den vorgegebenen Einstellungen und gewünschten Verfahren ohne weitere Bedienung. Somit können wir eine hundertprozentige Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Netzteilen herstellen, da bei jedem Testprobanden jede Messung zur exakt gleichen Zeit und in der exakt gleichen Länge durchgeführt wird. Zudem sind Mess- und Ablesefehler durch menschliches Versagen ausgeschlossen. Die Teststation kann eine Last von insgesamt 3.000 Watt erzeugen und damit jedes aktuell auf dem Markt befindliche Netzteil beliebig auslasten.

Unsere Chroma 8000 ATS besteht aus folgenden Modulen:

  • Da das öffentliche Stromnetz vielen Schwankungen unterliegt, ist eine programmierbare Wechselspannungsquelle zur hundertprozentigen Vergleichbarkeit der Netzteile sinnvoll. Unsere Chroma Programmable AC Source 61605 ermöglicht es uns zudem, neben dem heimischen 230-Volt-Netz auch das (für Effizienzmessungen nach 80Plus-Standard verwendete) US-amerikanische 115-Volt-Stromnetz zu simulieren. Praktischerweise erfasst die AC-Source auch gleich zahlreiche Parameter der Eingangsspannung.
  • Das Chroma Digital Powermeter 66202 dient zur präzisen Messung von Eingangsleistung und Leistungsfaktor.
  • Drei Chroma 6334A Mainframes mit insgesamt zehn 63630A programmierbaren Lastmodulen erzeugen bei Bedarf bis zu 3.000 Watt Last. Zudem werden die anliegenden Spannungen und Ströme gemessen.
  • Der Chroma Timing/Noise Analyzer 5011 erledigt weitere Messungen und ersetzt damit unter anderem ein externes Oszilloskop. Die gemessenen Werte werden direkt als Zahl ausgegeben, klassische Screenshots vom Oszilloskop werden daher nicht mehr benötigt.
  • Chroma Short Circuit / OVP Tester 80612 zur Prüfung der Schutzschaltungen.
  • Chroma On/Off-Controller 80613 zum automatisierten Ein- und Ausschalten des Netzteils.
  • Modifizierte Chroma Test Fixture Anschlussplatine mit zusätzlichen PCI-Express-Steckplätzen.
  • Ansteuerung durch Chroma 8000 Software auf Windows-PCs, Programmerstellung mittels Chroma 8000 Software Editor Kit.
  • Abschirmung gegen Umgebungseinflüsse auf die Messergebnisse durch Metallgitter/-geflecht.
  • Indienststellung Mitte 2011, letzte Kalibrierung Januar 2013.
Modifizierte Chroma Test Fixture Anschlussplatine
Modifizierte Chroma Test Fixture Anschlussplatine
Chroma 8000 Module
Chroma 8000 Module

Wir möchten an dieser Stelle offen darauf hinweisen, dass wir für unsere Messungen auf die etwa 90.000 Euro teuren Chroma 8000 von Listan (be quiet!) zurückgreifen, die wir dankenswerterweise für unsere Netzteiltests nutzen dürfen. Auch wenn unser Partner selbstverständlich unser vollstes Vertrauen genießt, möchten wir kritische Leser an dieser Stelle auf Folgendes hinweisen:

  1. Wir reisen mit unseren eigenen Testexemplaren an und lassen nicht, wie durchaus üblich, von Mitarbeitern vor Ort „remote“ testen, ohne bei den Tests selbst anwesend zu sein.
  2. Wir sind in der glücklichen Lage, dank der Unterstützung des deutschen Partners von Chroma, der Firma PCE Power Control und unserer eigenen Lizenz des „Chroma 8000 Software Editor Kits“, Lastprogramme auch in der Redaktion vorzubereiten, anzupassen und bearbeiten zu können. Die fertigen Programme können dann vor Ort bequem per USB-Stick auf den Steuerungscomputer der Chroma importiert werden. Wir können daher nach unserem Belieben eigene Lastszenarien erstellen und sind nicht auf Standard- oder Herstellerszenarien angewiesen. Damit können wir exakt die Testläufe durchführen und nachvollziehen, die wir für die Bewertung eines Netzteils benötigen. Selbstverständlich legen wir alle verwendeten Lasten im Anschluss an diesen Testbericht offen.
  3. Der Testablauf selbst erfolgt vollautomatisch. Die Chroma führt die Tests exakt wie durch das Lastprogramm vorgegeben aus und notiert alle Ergebnisse direkt in einer Datei. Dieses Testprotokoll kopieren wir im Anschluss an den Test auf unseren Datenträger.
  4. Wir testen bei jedem Termin grundsätzlich mehrere Netzteile. Eine systematische Fehlfunktion der Testausrüstung würde somit alle an diesem Termin getesteten Netzteile in gleicher Weise betreffen. Im Normalfall testen wir dabei auch Produkte aus dem Hause be quiet! sowie etwa ein dutzend Stromspender der Konkurrenz.
Ein gutes Dutzend Netzteile pro Termin
Ein gutes Dutzend Netzteile pro Termin

Effizienz:
Den Wirkungsgrad bestimmen wir in vier üblichen Szenarien mit 10, 20, 50 und 100 Prozent Belastung. Zunächst simulieren wir dabei normalerweise einen Betrieb im nordamerikanischen 115-Volt-Stromnetz. Diese Werte sind für unsere Leser zwar wenig praxisrelevant, aber perfekt geeignet, um zu prüfen, ob ein Netzteil zu Recht das 80Plus-Zertifikat trägt. Die anschließenden Messungen mit den in Europa üblichen 230 Volt Eingangsspannung dienen der eigentlichen Bewertung des Wirkungsgrads des Probanden. Verfügt das Netzteil nicht über einen Weitbereichseingang, so messen wir ausschließlich im 230-Volt-Netz.

Leistungsfaktorkorrektur:
Ein PC-Netzteil verhält sich im Stromnetz anders als gewöhnliche (ohmsche) Lasten wie zum Beispiel eine Glühlampe. Die Phasenverschiebung der Stromaufnahme zur Spannung bedeutet, dass neben der Wirkleistung sogenannter Blindstrom entsteht. Dies führt zum einen zu einer höheren gemessenen Scheinleistung, zum anderen zu einer Belastung für das Stromnetz. Ein Messwert von "1" an dieser Stelle würde bedeuten, dass das Netzteil sich perfekt verhält und kein Blindstrom entsteht. In der Realität werden immer geringere Ergebnisse gemessen. Verbraucher bezahlen in Deutschland übrigens in der Regel lediglich die Wirkleistung. Diese und alle folgenden Messungen werden mit 230 Volt Eingangsspannung durchgeführt.

Spannungsregulation:
Wir verzichten auf eine grafische Darstellung der Spannungsregulation der Schienen mit +5Vsb und -12 Volt. Diese Schienen werden im Verhältnis zu den anderen Schienen nur minimal belastet. Wir prüfen daher nur, ob die Messwerte innerhalb des jeweils erlaubten Bereichs gemäß ATX-Norm liegen. Bei den 3,3-, 5- und 12-Volt-Schienen bilden wir hingegen präzise Werte ab.

Die gemessenen Spannungen sollten im Idealfall nahe am Sollwert liegen sowie möglichst wenig mit veränderter Last schwanken. Zu große Abweichungen können den Betrieb des Rechners instabil machen oder die Hardware dauerhaft beschädigen. Besonders fordernd für die Spannungsregulation sind unsere beiden Crossload-Szenarien. Netzteile, die mit einer oder beiden unserer asymmetrischen Lasten unzulässige Spannungen liefern oder sich abschalten, eignen sich nicht für bestimmte Systemkonfigurationen (etwa Fileserver).

Restwelligkeit:
Die Ripple-&-Noise-Messungen zeigen die Qualität der ausgegebenen Spannungen, indem nicht vollständig geglättete Wechselspannungsanteile in Spannungsspitzen sichtbar und erfasst werden. Dabei darf der Abstand zwischen dem unteren und oberen Punkt der Spannungsspitze (Peak-to-Peak) bei 12 V nicht höher als 120 mV sein. Die restlichen Spannungen müssen Werte unter 50 mV erreichen.

Zu hohe Restwelligkeit kann Stabilitätsprobleme des Computers verursachen und Komponenten schädigen.

PG-Time:
Das Power-Good-Signal muss gemäß der ATX-Norm beim Starten des Rechners nach mindestens 100 und maximal 500 Millisekunden gesendet werden. Es signalisiert dem Mainboard, dass das Netzteil bereit ist, alle Spannungen in Ordnung sind und der Computer gestartet werden kann. Kommt das Signal nicht innerhalb dieses Zeitraums, scheint das Netzteil defekt zu sein und muss getauscht werden.

Stützzeit:
Die Stützzeit (Hold-up-Time) gibt an, wie lange das Netzteil bei voller Belastung und einer Unterbrechung der Netzspannung weiterhin spezifikationskonforme Versorgungsspannungen liefern kann. Eine hohe Stützzeit sorgt beispielsweise dafür, dass ein Rechner bei einem kurzzeitigen Spannungseinbruch im Stromnetz (erkennbar durch Flackern von Glühlampen) weiterläuft. Die ATX-Norm sieht ein Minimum von 16 Millisekunden vor. Netzteile, die das Minimum erfüllen, können problemlos an einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) betrieben werden.

Standby-Verbrauch:
Geringe Leistungsaufnahmen im Standby-Modus werden inzwischen durch gesetzliche Energiesparrichtlinien gefordert. Wir prüfen sowohl die Leistungsaufnahme bei keiner Last (maximal 0,5 Watt zulässig) als auch den Wirkungsgrad bei 90 Milliampere Last auf der +5Vsb-Leitung (mindestens 50 %).