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C:\B_retro\Ausgabe_61\: Amiga 500

Sven Bauduin
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C:\B_retro\Ausgabe_61\: Amiga 500
Bild: Retro32

tl;dr: In der letzten Ausgabe des Jahres 2020 widmet sich C:\B_retro\ auf Wunsch der Community einem der bis heute beliebtesten Heimcomputer aller Zeiten, dem Amiga 500 von Commodore. Gemeinsam mit dem Amiga 2000 wurde der Amiga 500 im Mai 1987 auf der CeBIT in Hannover vorgestellt und avancierte zum Liebling der Spieler.

Jeden Sonntag wirft diese Serie einen unterhaltsamen Blick zurück auf drei Jahrzehnte voller bewegter Geschichten und interessanten Entwicklungen der Computerszene. Mythen, Meilensteine und Meisterwerke: C:\B_retro\.

C:\B_retro\Ausgabe_61\

Amiga 500

Der Amiga, von vielen Anwendern auch die Amiga (spanisch amiga: ‚Freundin‘) genannt, war dem PC in Sachen Multimedia, gerade Mitte der 1980er, weit voraus.

In seinen Anfängen lieferte Amiga hauptsächlich Spielmodule sowie Controller für das Atari Video Computer System, den Atari VCS, eine Spielkonsole, welche ab 1982 weltweit unter dem Namen Atari 2600 bekannt werden sollte.

Kurz darauf plante das Unternehmen eine eigene Spielkonsole, aus der in den Köpfen der Entwickler rund um Jay Miner, dem geistigen Vater des Amiga, ein Heimcomputer entstehen sollte.

Das erste Modell des Amiga Heimcomputers – später Amiga 1000 genannt – wurde am 23. Juli 1985 in New York vorgestellt. Während der Produktpräsentation färbte der weltbekannte Pop-Art-Künstler Andy Warhol vor den Augen der Besucher eine Zeichnung mit dem Amiga neu ein, die er kurz zuvor erstellt hatte.

Als Antwort auf den Atari ST konzipiert, sollte der Amiga 500 den Begriff des „Spielcomputers“ neu definieren und entwickelte sich in der Folge zum mit Abstand erfolgreichsten Modell der Amiga-Serie von Commodore.

C:\B_retro\Ausgabe_61\Amiga_500\

Entwicklung

Dem Amiga 500 ging der Amiga 1000 voraus. Dessen Prototyp hieß „Lorraine“ und besaß neben einer schnellen CPU vom Typ Motorola 68000 den sogenannten „Original Chip Set“ bestehend aus drei spezialisierten Chips, die später auch der Amiga 500 übernehmen sollte.

Mit Agnus – später Alice –, der für die Steuerung des Chip-RAM zuständig war, Denise – später Daphne –, der die Ausgabe der Grafik steuerte, sowie Paula, der für die Ein- und Ausgabesteuerung der Diskettenlaufwerke, die Tonausgabe über den DAW sowie die Abfragen der analogen Ein-und Ausgänge und die Schaltung der seriellen Schnittstelle verantwortlich war, war der Amiga seiner Zeit voraus.

Die Kombination aus Motorola 68000, Agnus, Denise und Paula sorgt bereits als Prototyp für eine Rechen- und Grafikleistung, von der Heimcomputernutzer Mitte der 1980er nur träumen konnten.

Bereits auf der CES 1984 in Las Vegas sorgte der Prototyp mit der legendären „Boing“-Demo, bei der ein rotierender, rot-weiß gescheckter Ball physikalisch korrekt umher springt und dabei realistische Schatten wirft, für offene Münder.

Der Amiga 1000 war seiner Zeit weit voraus, doch mit rund 6.000 Mark für Heimanwender einfach zu teuer.

Der erste „Amiga“ (später Amiga 1000) mit dem Monitor 1081
Der erste „Amiga“ (später Amiga 1000) mit dem Monitor 1081 (Bild: Kaiiv, CC BY-SA 3.0)

Noch während der Präsentation demonstrierten die Entwickler auch die besonderen Eigenschaften, die den Amiga von den zeitgenössischen Konkurrenten IBM PC, Macintosh und Atari ST abhoben:

  • Vierkanal-Sample-Sound
  • farbige grafische Oberfläche
  • Hardwareunterstützung für Grafik-Animation
  • Multitasking und 32-Bit-Hardware- und -Softwarestruktur

Doch bereits kurz darauf wurde Jay Miner und seinem Entwicklerteam bewusst, dass der nächste Amiga deutlich in Richtung eines „Spielcomputers“ tendieren und günstiger werden musste.

Aus diesem Grund spaltete Commodore die Amiga-Familie 1987 auf: Der Desktop-Computer Amiga 2000 sollte sich zum Preis ab 3.995 Mark an professionelle Anwender aus dem Grafik- und Videobereich richten und konkurrierte mit dem PC, der mit einem Startpreis von 1.095 Mark erschwingliche Amiga 500 sollte als kompakter Tastaturcomputer Wohn- und Kinderzimmer erobern.

Zudem sollte der Amiga 500 den überaus erfolgreichen aber mittlerweile etwas altersschwachen Commodore 64 als Spielcomputer ablösen.

Auf der CeBIT 1987 in Hannover war es dann soweit und Commodore präsentierte neben dem Amiga 2000 im klassischen Desktop-Format den All-in-One-Tastaturcomputer Amiga 500, der mit einer rund 10-minütigen Promotion-VHS beworben wurde.

Hardware

Der Amiga 500 erbte die drei Spezialchips Agnus, Denise und Paula des Amiga 1000, die während der sechsjährigen Produktionszeit des Tastaturcomputers und dessen insgesamt acht Revisionen in unterschiedlichen Versionen verbaut wurden.

Der Grafikchip „Denise“ und...
Der Grafikchip „Denise“ und... (Bild: CCOM)
...der Soundchip „Paula“
...der Soundchip „Paula“ (Bild: CCOM)

Auch der serienmäßige und maximale Speicherausbau sowie der Chipsatz variierten von Revision zu Revision.

Revisionen des Amiga 500
Revision Agnus Chip-RAM (Serie) RAM (max.) Chipsatz Betriebssystem
1, 2 und 3 8370/8371 512 kB 512 kB OCS AmigaOS 1.2
4 und 5 8370/8371 512 kB 512 kB OCS AmigaOS 1.2
6 und 7 8372A 512 kB 1.024 kB OCS AmigaOS 1.3
8 8375 1.024 kB 2.048 kB ECS AmigaOS 2.0
8a 8375 512 kB 2.048 kB OCS AmigaOS 2.0

Der ursprüngliche Amiga 500 verfügte in der europäischen PAL-Version dabei über die folgenden Spezifikationen:

Spezifikationen der PAL-Version des Amiga 500
  • Motorola 68000 CISC-Prozessor mit 7,09 MHz
  • 512 kB Chip-RAM Arbeitsspeicher mit 150 ns Zugriffszeit
  • 256 kB Kickstart-ROM für das Betriebssystem AmigaOS 1.2
  • 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk mit einer Kapazität von 880 kB
  • MOS 8370 „Denise“ Grafikchip (mit bis zu 4.096 Farben)
  • MOS 8264 „Paula“ Soundchip (mit 4 Kanäle zu je 8 Bit)
  • MOS 5719 „Gary“ I/O-Chip
  • Ein-/Ausgabe:
    • 1× Expansions-Port
    • 2× Cinch für Stereo-Audio
    • 2× Joystick-Port
    • 1× RGB-Monitoranschluss
    • 1× BAS-Monitoranschluss (Composite nur in S/W)
    • 1× Serieller Port
    • 1× Paralleler Port
    • 1× Diskettenlaufwerk
  • AmigaOS 1.2 („Kickstart“)
  • 1.098 Mark

Das Commodore Computer Online Museum hat den ersten deutschen Test des Amiga 500 aus dem Amiga-Magazin von 1987 freundlicherweise für die Nachwelt archiviert.

Man sieht, der Amiga 500 ist ein Computer, der mit allen Finessen ausgerüstet ist. Von der Hardware-Seite dürfte er neue Maßstäbe im Heimbereich setzen.

Amiga-Magazin, 1987

Der Amiga 500 wurde der nach verkauften Einheiten erfolgreichste Amiga aller Zeiten und erreichte in der sich schnell entwickelnden Szene Kultstatus. Vor allem bei Spielern war der Amiga 500 auf Grund seiner dem PC weit überlegenen Grafik- und Soundqualität sowie dem vergleichsweise günstigen Anschaffungspreis sehr beliebt.

Amiga 500 mit Motorola MC68000@7,14 MHz, 256 kB Kickstart-ROM und 512 kB Chip-RAM
Amiga 500 mit Motorola MC68000@7,14 MHz, 256 kB Kickstart-ROM und 512 kB Chip-RAM (Bild: Bill Bertram, CC BY-SA 3.0)

Doch auch die Software und vor allem die Spiele sollten ihren Teil zum Erfolg des Amiga 500 beitragen und ihn zu dem Spielcomputer seiner Zeit machen.

Software

Zur Einführung des Amiga 500 kam das Betriebssystem AmigaOS 1.2 zum Einsatz, das auch mit dem Amiga 2000 ausgeliefert und für den Amiga 1000 ausgerollt wurde. Version 1.2 besaß zwar bereits AutoConfig, aber selbiges war unbrauchbar, da ein wichtiges Register statt auf die Expansion-Base auf die Exec-Base zeigte.

AmigaOS 1.2 – auch als Kickstart bezeichnet – fehlte zudem die Autoboot-Fähigkeit, was allerdings bereits 1988 mit Version 1.3 korrigiert wurde. Zudem wurden die Icons der Workbench neu gestaltet und kleinere Probleme beseitigt.

Während AmigaOS und die Amiga Workbench, die Desktop-Umgebung des Heimcomputers, beim Amiga 1000 noch von einer Diskette geladen werden mussten, verfügte der Amiga 500 bereits über ein entsprechendes Kickstart-ROM, welches das Betriebssystem beherbergte.

Das Kickstart-ROM – und zuvor die Kickstart-Diskette – selbst besteht vereinfacht gesagt aus den Kernkomponenten des Amiga OS, wie dem Multitasking-Kern (exec.library), der Fensterverwaltung (intuition.library), der Benutzeroberfläche (workbench.library) sowie dem DOS (dos.library), und kombiniert ein modernes Multitasking-Konzept mit Bestandteilen von MP/M, einer Mehrbenutzer-Version von CP/M.

Der CISC-Prozessor konnte selbstverständlich nur einen Task zugleich bearbeiten, also bekam jedes Programm eine seiner Priorität entsprechende Zeitscheibe. Die Aufgaben wurden dann kontrolliert von der CPU innerhalb von Millisekunden nacheinander abgearbeitet.

Bekannte Anwendungsprogramme für den Amiga 500 und Amiga OS waren unter anderem die Textverarbeitung ProWrite, die Tabellenkalkulation Maxiplan 500 und die Musikproduktionssoftware Aegis Sonix. Bildbearbeitung konnte mit Programmen wie Photon Paint oder Deluxe Paint II – auch DeLuxe Photo Lab – von Electronic Arts durchgeführt werden, während ComicSetter und MovieSetter Zeichnungen und Illustrationen zum Leben erweckten.

Spiele

Der Amiga 500 wurde vor allem als erster echter Spielcomputer bekannt und bot zahlreichen Perlen wie Turrican und Turrican II, Silk Worm, The Great Giana Sisters und The Secret of Monkey Island eine Plattform.

Der auf Retro-Themen spezialisierte YouTube-Kanal Top Retro Games hat eine Top 50 der besten Amiga-Spiele zusammengestellt, die bei jedem Amiga-Spieler schöne Erinnerungen wachrufen dürfte.

Die Hardware des Amiga 500 erlaubte es, mehrere Grafikebenen unabhängig voneinander direkt über die Hardware zu beschleunigen, was sich vor allem für das sogenannte Parallax Scrolling eignete, mit dem sich ein räumlicher Effekt erzielen ließ. Spiele wie das 1989 erschienene Shadow of the Beast machten davon Gebrauch und sorgten für neidische Blicke aus den Reihen der PC-Spieler.

Auch Alien Breed, Another World – mit seinen bis dahin ungesehenen Animationen –, Defender of the Crown und die Siedler, die zu erst auf dem Amiga „wuselten“, waren absolute Highlights. Auch GameStar hat eine sehr sehenswerte Top 20 der besten Amiga-Spiele zusammengestellt.

Anfang der 1990er fangen Spieler langsam an, in Richtung PC weiterzuziehen und auch der Game Boy und das Super Nintendo sowie das Sega Mega Drive graben dem Amiga das Wasser ab.

Commodore, das Unternehmen, das über eine Dekade lang dazu beigetragen hat, Gaming zum Massenphänomen zu machen, muss 1994 für immer die Pforten schließen.

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