Amazfit GTR 2 im Test: Gesundheits-Tracking und Fazit

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Frank Hüber
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Viele, aber teils sehr ungenaue Vitaldaten

Herzfrequenz und Schritte weichen deutlich ab

Die Amazfit GTR 2 zeichnet den ganzen Tag die Herzfrequenz im Hintergrund auf und alarmiert den Nutzer, wenn die Ruheherzfrequenz ungewöhnlich hoch steigt. Im Alltag funktioniert diese Herzfrequenzmessung gut und liefert auch im Vergleich zur sehr genau messenden Apple Watch übereinstimmende Werte. Bei sportlicher Aktivität liegt die Herzfrequenz der Amazfit GTR 2 aber häufig völlig daneben. Während die Apple Watch 6 und ein Brustgurt Werte jenseits einer Herzfrequenz von 180 Schlägen pro Minute anzeigen, steigt die GTR 2 nur auf 120 und fällt häufig gar auf 90 ab. Reproduzierbar fällt die ermittelte Herzfrequenz beim Sport viel zu niedrig aus.

Gleiches gilt beim Schrittzähler der Amazfit GTR 2. Die zurückgelegten Schritte liegen häufig ein Drittel, mitunter aber gar 50 Prozent unter den tatsächlich zurückgelegten Schritten. Selbst als Näherung sind sie so zu ungenau.

Punktuelle Blutsauerstoffmessung

Die Blutsauerstoffsättigung erfolgt nicht kontinuierlich, sondern muss vom Nutzer auf der Uhr ausgelöst werden. Die Messung wird dann bei ruhiger Haltung und waagerecht liegendem Arm durchgeführt. Die so ermittelten Werte stimmten mit denen der Apple Watch 6 überein. Ohne kontinuierliche Messung im Hintergrund gerät diese Funktion aber in Vergessenheit und hat nur einen geringen Alltagsnutzen.

PAI für körperliche Aktivität

Mit PAI („Personal Activity Intelligence“) versucht Amazfit alle Aktivitätsdaten wie die Herzfrequenz und Trainings in einer Zahl auszudrücken. Wird an einem Tag keine gesteigerte Aktivität durchgeführt, verweilt dieser Wert hartnäckig bei 0. Wenn man etwa 20 Minuten laufen geht, erhält man 1 PAI, fährt man 2 Stunden Fahrrad und hält die Herzfrequenz dabei niedrig, verdient man hingegen 10 PAI.

Auch Amazfit misst den Stress

Während die Fitbit Sense (Test) auf einen EDA-Sensor zum Messen des Stresslevels setzt, berechnet die GTR 2 diesen anhand der aufgezeichneten Daten. Die Messung erfolgt wahlweise automatisch alle fünf Minuten am Tag oder manuell. Auf der Uhr wird die Anzeige des Stresslevels im Menü als „Blutdruck“ bezeichnet – eine Funktion, die noch in der Betaphase ist.

Schlaf-Tracking und Auswertung in der App

Schlaf-Tracking gehört inzwischen zu einer immer häufiger anzutreffenden Funktion. Auch die Amazfit GTR 2 bietet sie und zeichnet den Schlaf inklusive der erkannten Schlafphasen wie REM auf, wobei in der App für jeden Tag vom Nutzer zusätzliche Informationen hinterlegt werden können, etwa ob unmittelbar vor dem Schlafengehen gebadet oder noch gearbeitet wurde. Zudem lässt sich über Smileys speichern, wie man sich beim Aufstehen gefühlt hat. Funktionen wie die Schlafatmungsanalyse basieren aber nur auf Auswertungen und nicht auf tatsächlichen Messungen des Atemverhaltens während des Schlafs, was ihre Aussagekraft einschränkt.

Darüber hinaus können in der Zepp-App zahlreiche weitere Daten aus anderen Quellen wie der Brust-, Arm-, Oberschenkel- und Taillenumfang, das Gewicht, der Körperfettanteil, der BMI, die Körpertemperatur, der Blutdruck und Informationen zur Ernährung gespeichert werden. Außerdem ist es möglich, einige, aber nicht alle Daten manuell hinzuzufügen.

90 verschiedene Aktivitäten lassen sich aufzeichnen

Über die untere Krone wird das Menü der Aktivitäten aufgerufen, um ein Training zu starten. Darüber können 90 verschiedene Trainingsprogramme ausgewählt, gestartet und nach dem Training beendet werden, während derer die Vitaldaten kontinuierlich aufgezeichnet und anschließend analysiert werden. Sechs dieser Trainingsaktivitäten werden von der Uhr zudem automatisch erkannt, so dass ein Training nicht manuell auf der Smartwatch gestartet werden muss: Outdoor-Laufen, Gehen, Outdoor-Radfahren, Laufband, Becken-Schwimmen und Crosstrainer.

Amazfit GTR 2: Beim Training gibt es viel Auswahl
Amazfit GTR 2: Beim Training gibt es viel Auswahl

Aufzeichnung und Anzeige der Ergebnisse sind gut umgesetzt und durch die eigens zugeordnete Krone auch schnell erreichbar, ohne erst Menüs durchwühlen zu müssen. In der Praxis sind die Daten aufgrund der stark abweichenden Vitalwerte aber nicht sinnvoll nutzbar.

Fazit

Die Amazfit GTR 2 hinterlässt somit ein zwiegespaltenes Bild. Die Smartwatch selbst überzeugt mit einem sehr guten, hellen OLED-Display, einer sehr guten Verarbeitung, einem schlichten Design, einem wechselbaren Armband und zeitgemäßen Sensoren. Auch die Akkulaufzeit von rund einer Woche trotz kontinuierlicher Messungen im Hintergrund ist sehr gut. Dass die Amazfit GTR 2 schon für 160 Euro im Handel erhältlich ist, sieht man ihr am Handgelenk nicht an.

Obwohl ein proprietäres Betriebssystem kein Nachteil sein muss, zeigt sich bei der Amazfit GTR 2 aber auch, dass es keine Unterstützung durch Drittanbeiter erfährt. Das Einzige, was vom Nutzer im Nachhinein hinzugefügt werden kann, sind weitere Zifferblätter aus dem Shop in der Zepp-App. Diese können angepasst werden, so dass neben der Uhrzeit die individuell interessantesten Informationen angezeigt werden können. Die Zepp-App selbst ist zu unübersichtlich strukturiert. Manche Funktionen tauchen mehrfach auf, wichtige Einstellungen sucht man hingegen im dritten Untermenü. An Apps auf der Uhr ist derzeit nicht zu denken, was den Funktionsumfang enorm einschränkt. In dieser Hinsicht ist die Amazfit GTR 2 mehr Watchsmart als Smartwatch, also in erster Linie eine Uhr, die wenige smarte Funktionen bietet. Denn abseits der 90 Aktivitäten, die mit der Uhr getrackt werden können, ist der Funktionsumfang im Alltag gering. Schon die Steuerung von Smart-Home-Geräten ist über die Uhr nicht möglich. Die Wiedergabe über Musikdienste wie Spotify kann zwar über die Smartwatch pausiert und fortgesetzt werden, das Abrufen der Titel dauert jedoch jedes Mal mehrere Sekunden, um dann ruckelnd von rechts nach links über das Display zu laufen.

Und bei den Vitaldaten, die zahlreich und auch durchaus ansehnlich in der App ausgewertet werden, mangelt es dann auch noch an Genauigkeit. Weder der Schrittzähler noch die Herzfrequenz bei sportlicher Aktivität liefern realistische Werte. Dass das Schlaf-Tracking der Amazfit GTR 2 dem der Apple Watch 6 überlegen ist, ist zwar erfreulich, vor allem aber auf Apples eklatant schlechte Umsetzung zurückzuführen. Die ungenauen Daten der Amazfit GTR 2 lassen sich dabei auch mit Apple Health synchronisieren, wenn ein iPhone gekoppelt ist.

Für 160 Euro ist die Amazfit GTR 2 deshalb nur für all jene eine Überlegung wert, die Benachrichtigungen vom Smartphone am Handgelenk empfangen möchten und dabei auf eine gut verarbeitete, schicke Smartwatch setzen möchten, auf weitere Funktionen jedoch verzichten können.

ComputerBase hat die GTR 2 leihweise von Amazfit zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

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