Warnstreik bei Ubisoft: Angestellte richten sich gegen CEO Yves Guillemot

Update Fabian Vecellio del Monego
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Warnstreik bei Ubisoft: Angestellte richten sich gegen CEO Yves Guillemot
Bild: Ubisoft

Ubisoft hat mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Um das Boot zu wenden, nahm CEO Yves Guillemot zuletzt die Angestellten in die Pflicht. Es läge an ihnen, den französischen Publisher und Spieleentwickler mit all ihrer „Energie und Hingabe“ zurück zum Erfolg zu führen. Diese sehen das allerdings anders – und wollen streiken.

CEO Guillemot wolle Schuld auf Mitarbeiter schieben

In einer E-Mail, die Kotaku vorliegt, forderte Guillemot die Angestellten auf, „besonders vorsichtig und strategisch mit Ausgaben“ umzugehen und legte Sparmaßnahmen nahe. Die Angestellten in Paris greifen das als Drohung auf: Sie wüssten genau, dass damit Kündigungen, Gehaltskürzungen und unbezahlte Überstunden gemeint seien, wie aus einer Stellungnahme der Gewerkschaft Solidaires Informatique hervorgeht. Der Ball liege zwar in der Tat bei ihnen, so pflichten die Mitarbeiter den Worten Guillemots bei, das „Geld aber bleibe in seiner Tasche“.

If the request to employees to be „especially careful and strategic with your spending“ is ironic considering the company's editorial strategy of the last few years, it is not funny. When Mr. Guillemot speaks of „attrition“ and „organizational adjustments“, it means: staff reductions, discreet studio closures, salary cuts, disguised layoffs, etc.

On several occasions, Mr. Guillemot is trying to shift the blame (once again) onto the employees; he expects us to be mobilized, to „give it our all“, to be „as efficient and lean as possible“. These words mean something: overtime, managerial pressure, burnout, etc.

Gewerkschaft Solidaires Informatique Jeu Vidéo

Weiterhin geht die Stellungnahme auf die aktuelle Situation der Ubisoft-Angestellten in Paris ein. Da sei beispielsweise die derzeit grassierende Inflation, die in den letzten Monaten für eine merkliche Minderung des Reallohnniveaus gesorgt habe. Und so richten sie den Rufen Guillemots nach härterer Arbeit ihre eigenen Forderungen entgegen. Konkret fordert die Gewerkschaft Solidaires Informatique eine pauschale, sofortige und außerplanmäßige Lohnerhöhung um 10 Prozent, die unter anderem durch das von Tencent beigesteuerte Kapital finanziert werden soll.

Auch die allgemeinen Arbeitsbedingungen sollten verbesserten werden, im Besonderen durch die Einführung einer Vier-Tage-Woche. Ubisoft experimentierte im Jahr 2021 bereits mit einer 36-Stunden-Woche, behielt diese aber nicht bei. Darüber hinaus fordert die Gewerkschaft eine höhere Transparenz und einen verbesserten Kündigungsschutz.

Mr. Guillemot asks a lot from his employees, but without any compensation.

  • Have salaries kept up with the high inflation of recent years?
  • What about the implementation of the 4-day week?
  • What has been put in place for the teams that come out of the productions exhausted (like those of Just Dance or Mario)?

We demand:

  • An immediate 10% increase for all salaries, regardless of annual increases, to compensate for inflation. With the hundreds of millions of euros obtained from Tencent, there is money in the coffers of the employers.
  • The improvement of working conditions, with in particular the implementation of the 4-day week.
  • Transparency on the evolution of the workforce, both locally and globally.
  • A strong commitment against disguised dismissals and a condemnation of abusive managerial policies that push employees to resign.
Gewerkschaft Solidaires Informatique Jeu Vidéo

Abseits dessen ruft die Gewerkschaft alle Pariser Ubisoft-Mitarbeiter für den Nachmittag des 27. Januars zum Warnstreik auf. Inwiefern weitere Streiks folgen sollen, sofern Ubisoft respektive CEO Yves Guillemot den formulierten Forderungen nicht ausreichend nachgehen sollten; darauf geht die Stellungnahme nicht ein.

Ubisoft hat ein schweres Jahr hinter sich

Ubisoft hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Im Sommer 2022 brachte der Publisher lediglich Roller Champions auf den Markt, wobei Ubisoft Ende Juli Gerüchte um eine baldige Einstellung zwar dementierte, aber weitere Verzögerungen bei neuen Inhalten einräumen musste. Da das bereits im Vorfeld um Jahre verzögerte und für den November geplante Arcade-Piratenspiel Skull and Bones letzte Woche abermals verschoben wurde und nicht wie nach der vorletzten Verschiebung geplant am 9. März 2023 erscheinen wird, stellte das zusammen mit Nintendo produzierte Mario + Rabbids: Sparks of Hope, das am 20. Oktober exklusiv für die Switch erschienen ist, Ubisofts einzige größere Neuerscheinung der letzten 6 Monate dar.

Das ehemals für das vierte Quartal 2022 geplante Open-World-Action-Adventure Avatar: Frontiers of Pandora wurde um bis zu eineinhalb Jahre verschoben, während sieben Entwicklungen bereits vor ihrer offiziellen Vorstellung abgebrochen wurden. Im Herbst wurden außerdem die Online-Dienste von vielen älteren Ubisoft-Spielen eingestellt. Auch das Remake von Prince of Persia: The Sands of Time hat nach einigen Verzögerungen derzeit keinen Releasetermin. Den Vogel abgeschossen hat Ubisoft allerdings mit Beyond Good & Evil 2: Seit inzwischen 15 Jahren geistert das Action-Adventure durch die Videospiel-Welt, ohne derzeit einen Releasetermin zu haben. Und seit beinahe einem Jahrzehnt betont der Publisher in unregelmäßigen Abständen: Die Entwicklung dauere an; zuletzt vor zwei Tagen gegenüber Eurogamer. Eine Zeitleiste des Versagens steuert PCGamer bei.

Endlich erscheinen soll nun wiederum am 17. Februar 2023 das jahrelang auf Irrfahrt gegangene Echzeit-Aufbaustrategiespiel Die Sieder: Neue Allianzen.

Ubisoft-Aktie hat 80 Prozent ihres Werts verloren

Bereits Ende 2021 wurde abseits dessen bekannt, dass Ubisoft mit einem gravierenden Mitarbeiterschwund zu kämpfen hat, der in einer Kette von internen Belästigungs­skandalen, fehlender Aufarbeitung und einem kruden Krisenmanagement wurzelt. Da zuletzt außerdem die Verkaufszahlen unter den Erwartungen lagen, musste die finanzielle Prognose nach unten korrigiert werden: Das revidierte Nettobuchungsziel für das dritte Quartal 2022-23, das bei Ubisoft dem vierten Quartal des Kalenderjahres 2022 entspricht, beläuft sich nun auf 725 Millionen Euro statt zuvor 830 Millionen Euro. Pläne, NFTs als Möglichkeit zur erweiterten Monetarisierung von Videospielen zu nutzen, stießen bei Spielern auf wenig Gegenliebe; ein Erfolg blieb aus. Gleiches gilt für Free-to-Play- und Live-Service-Konzepte, etwa am Beispiel des Battle-Royale-Shooters Hyper Scape, der nach 18 Monaten eingestellt wurde.

All das hinterlässt Spuren: Im Sommer 2018 kulminierte die Ubisoft-Aktie bei einem Stückpreis von rund 100 Euro, seitdem geht es abwärts. Derzeit ist ein Wertpapier für rund 20 Euro zu haben. Auch die 300 Millionen Euro schwere Finanzspritze des chinesischen Investors Tencent konnte daran nichts ändern. Tencent hält inzwischen über 11 Prozent an Ubisoft SA.

Update

In einem Meeting mit Angestellten entschuldigte sich Yves Guillemot nun prompt. So will Kotaku von anonymen Teilnehmern des Treffens erfahren haben, dass der Ubisoft-CEO zu verstehen gegeben hätte, dass er die Rückmeldungen der Mitarbeiter zur Kenntnis genommen habe und seine ursprüngliche E-Mail keinesweges Druck auf die Angestellten ausüben oder gar eine Drohung darstellen sollte. Stattdessen habe er an das Talent eben jener appelliert. Ubisoft befinde sich auf einer „kollektiven Reise“, die selbstverständlich bei der Führungsebene beginne, die die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Erfolg setzen müsse.

I heard your feedback and I’m sorry this was perceived that way. When saying „the ball is in your court“ to deliver our lineup on time and at the expected level of quality, I wanted to convey the idea that more than ever I need your talent and energy to make it happen. This is a collective journey that starts of course with myself and with the leadership team to create the conditions for all of us to succeed together.

Yves Guillemot, CEO von Ubisoft

Auf die konkreten Forderungen der gewerkschaftlich organisierten Angestellten sei Guillemot allerdings nur vage eingegangen, so Kotaku. CFO Frederick Duguet hingegen habe erneut bekräftigt, dass Sparmaßnahmen dringend notwendig seien. Und die Leiterin der Personalabteilung, Anika Grant, hätte zu verstehen gegeben, dass eine Vier-Tage-Woche und Gehaltserhöhungen derzeit vom Tisch seien – beides könne sich Ubisoft angesichts der aktuellen Umstände nicht leisten. Keine endgültige Antwort sei hingegen zum Thema Entlassungen gegeben worden. CEO Guillemot habe lediglich angemerkt, dass er Dinge in erster Linie „anders“ angehen wolle, nicht aber weniger Beschäftigte mehr Arbeit verrichten lassen wolle.

It’s not about doing more with less, but finding ways to do things differently across the company.

Yves Guillemot, CEO von Ubisoft