Anleihen und die türkische Lira

BridaX

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Hi,

mir kam gestern der Gedanke auf die türkische Währung zu spekulieren. Persönlich glaube ich einfach an eine Erholung in den nächsten 3-5 Jahren. Außerdem wollte ich schon immer mal in andere Ecken, abseits von Aktien und ETFs, reinschnuppern.

Hängen geblieben bin ich bei Anleihen, z.B.: A1933U (16% Kupon, tripple a Rating, 5 Jahre Laufzeit).

Ich persönlich gehe davon aus, dass die Lira im laufe der nächsten 3-5 Jahren wieder (deutlich) an Wert steigt.
Also Zins inklusive steigender Geldwert. Und je nachdem wie stark die Lira in den 5 Jahren gestiegen ist, gewinnt auch das eingesetzte Eigenkapital an Wert.

Was haltet ihr von dem Gedanken?


VG
 
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Von Anleihen habe ich wenig Ahnung, weil mich das Thema nicht interessiert, denn ich verleihe kein Geld, sondern beteilige mich lieber an Unternehmen die produktiv sind. Aber wenn ich das richtig sehe steht da "Anleihe-Typ: Unternehmensanleihen Welt Rest", obwohl die Internationale Finanz Corporation laut Wikipedia eine eine internationale Entwicklungsbank ist, die sich als Teil der Weltbankgruppe auf die Förderung privater Unternehmen spezialisiert hat. Damit sollte es eigentlich als Sonderorganisation der Vereinten Nationen ein erstklassiger Emittent sein und für solide Anleihen muss niemand einen Kupon von 16% bieten und derartige Anleihen fallen auch nicht auf unter 80% des Nennwertes, was beides nach Junk Bonds mit hohem Risiko aussieht, aber ich sehe gerade hier das die in Lira notiert ist. Trotzdem würde ich die Bedingungen genau studieren um zu sehen war letztlich für die Anleihe gerade steht um abschätzen zu können wie hoch das Risiko hier neben dem Währungsrisiko denn wirklich ist.

Was die Türkei und die Lira angeht, so habe ich angesichts der politischen Lage dort wenig Hoffnung, denn immer wenn statt Vernunft die Ideologie regiert, geht dies meist bald in die Hose und der typische Abwärtsstrudel ist doch schon in Gange, die Währung wertet ab weil die Wirtschaft nach Jahren eines schuldengetrieben Boom schwächelt aber die Geldpolitik nicht gegensteuert, die hohe Verschuldung in Fremdwährungen wird teuer und damit zum Problem für alle die viele Schulden in Fremdwährungen haben, die wurden ja aufgenommen weil die Zinsen dafür ja wohl geringer waren und in Zeiten des Booms keiner auf das Währungsrisiko geschaut hat. Die schwache Währung macht nun Zinsen und Tilgung teuer, daher schwächt die Wirtschaft und dem Staat fehlt doppelt Geld, einmal an Steuern und dann um seine eigenen Fremdwährungsanleihen zu bedienen. Jetzt müsste der Staat den Gürtel richtig enger schnallen, also die Ausgaben massiv kürzern und die Leitzinsen müssen deutlich steigen um die Geldmenge zu reduzieren, was beides der Wirtschaft weiter schadet und die Lage verschärft und weiter Druck auf die Währung ausübt, aber den Exporteuren hilft, da diese ihre Produkte im Ausland billiger anbieten können und es fördert auch den Tourismus. Aber wer will in einem Unrechtsstaat Urlaub machen der Geiseln als politisches Druckmittel nimmt und dessen Defacto Diktator seinen Schwiegersohn zum Finanzminister macht und der Zentralbank die nötigen Zinserhöhungen verbietet? Aber es ist dein Geld.
 
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BridaX schrieb:
Hängen geblieben bin ich bei Anleihen, z.B.: A1933U (16% Kupon, tripple a Rating, 5 Jahre Laufzeit).

Ich weiß, dass das nur ein Beispiel ist. Aber das Ding hat aktuell eine Rendite von 23% und angeblich ein "Triple A"-Rating. Ohne mir das Produkt jetzt im Detail angesehen zu haben, kann da etwas nicht stimmen. Mit Ratings sollte man generell vorsichtig sein. Die Rendite spricht da häufig die deutlichere Sprache.

Wenn du mit dem Thema Anleihen noch keine Erfahrungen hast, würde ich aber nicht gerade mit Anleihen anfangen, für die "Junk" noch ein Euphemismus wäre.

Wenn du wirklich an eine kurzfristige Erholung der Türkei/Lira glaubst (ich tue das nicht), kann man auch mit "normalen" - in Dollar notierten - türkischen Staatsanleihen anfangen. Das ist auch noch riskant genug :D
 
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feynman schrieb:
Ohne mir das Produkt jetzt im Detail angesehen zu haben, kann da etwas nicht stimmen.
Das haben ich auch erst später gesehen: Die Anleihe ist in Lira! Im Ausfallrisiko dürfte also nicht der Grund für die Rendite liegen, sondern eben im Währungsrisiko, also der Gefahr einer weiteren Abwertung der Lira. Die 16% des Kupon sind übrigen weniger als selbst der geringste der drei Leitzinssätze der türkischen Zentralbank, also nicht üppig. Wenn man sich die Entwicklung der Lira zum Euro ansieht, so hat die innerhalb eines Jahren in der Spitze die Hälfte an Wert verloren: (52 W. Tief: 4,0565 (02.09.2017) 52 W. Hoch: 8,0635 (13.08.2018)", bei 23% Rendite pro Jahr wäre der Verlust erst nach knapp 4 Jahren wieder drin, wenn dies noch einmal passiert, wo die (Einkommens-)Steuern auf die Erträge gar nicht einberechnet sind, ich weiß ja nicht wie hoch der persönlicher Steuersatz des einzelnen ist und in den kommenden Jahre sein wird.

Zwar bin ich auch kein Fan von Derivaten, aber wenn jemand den Drang auf die Erholung der Lira zu wetten gar nicht mehr beherrschen kann, würde ich dafür andere Produkte als eine Anleihe in Lira wählen. Anleihen sind in Zeiten steigender Zinsen nämlich die schlechteste Form der Geldanlage die es gibt, da die alten Anleihen mit geringeren Kupons dann sofort an Wert verlieren, da die neue emittierten ja mit größeren Kupons auf den Markt kommen. Zinserhöhungen sind aber derzeit praktisch überall auf der Welt wahrscheinlicher als Zinssenkungen (von denen alte Anleihen mit dann höheren Kupons ja in Form von Kursanstiegen profitieren) und gerade in einem Land wie der Türkei die zuletzt 15,85 Prozent gemeldet hat. Da gibt es wie gesagt nur zwei künftige Entwicklungen die wahrscheinlich sind und eine davon oder eine Mischung aus beiden dürfte mittelfristig eintreten:
1.) eine stark Anhebung der Zinsen um die Inflation zu senken
2.) weiter steigende Inflation mit entsprechen einhergehender Abwertung der Lira
Beides sind aber keine Szenarien in denen man mit der Anleihe gut fahren wird.
 
Gehen wir mal in der Annahme, dass sich die Lira bis 2021 wieder bei 4~5 Euro einpendelt. Eine Korrektur sozusagen. Die Türkei hat schon immer eine starke Inflation gehabt - aber in den letzten 3 Jahren war es extrem. Ich glaube einfach das jetzt der Punkt gekommen ist, an dem die Türkei kapieren muss, dass es so nicht weiter gehen kann.

Klar steigt bei einer Erholung auch der Kurs der Anleihe und der Zins fällt geringer aus. Der negative Effekt wird aber durch den steigenden Geldwert der Lira wieder abgefedert.

Wenn die Türkei weiterhin auf stur macht kann die Lira natürlich weiter im Wert fallen und wenn sie zu stark fällt verliere ich womöglich noch Geld.

Ich werde noch einmal drüber schlafen :)
 
BridaX schrieb:
Gehen wir mal in der Annahme, dass sich die Lira bis 2021 wieder bei 4~5 Euro einpendelt. Eine Korrektur sozusagen.
Eine Korrektur halte durchaus nicht für unmöglich, aber nur kurzfristig bis mittelfristig, wobei es eine kurzfristige Gegenbewegung nach den Höchstkursen Mitte des Monats ja schon gegeben hat. 4 bis 5 Euro in 2021 halte ich allenfalls für möglich falls die Eurozone massive Probleme bekommt und der Euro viel an Wert verliert.
BridaX schrieb:
Die Türkei hat schon immer eine starke Inflation gehabt - aber in den letzten 3 Jahren war es extrem.
Und was lässt Dich nun hoffen das die Inflation dort wieder massiv nachlässt? Zumal wenn der Diktator der Zentralbank die dafür nötige Anhebung der Leitzinsen verbietet.

Außerdem spricht doch gerade die hohe Inflation dagegen das die Lira in einigen Jahren wieder so hoch stehen wird, denn durch die Steigerung der Löhne und Preise würde sonst irgendwann ein Müllmann dort mehr Verdienen als ein Professor hier. Langfristig muss der Wechselkurs also die unterschiedlichen Inflationsraten wiederspiegeln, damit eben nicht so ein krasses Missverhältnis entsteht.
BridaX schrieb:
Ich glaube einfach das jetzt der Punkt gekommen ist, an dem die Türkei kapieren muss, dass es so nicht weiter gehen kann.
In Venezuela ist der Punkt schon lange vorbei, der dortige Diktator und seine Hardcoreanhänger leben aber trotzdem noch sehr gut und haben keine Lust etwas zu ändern, auch wenn das Volk millionenfach vor dem Elend flieht. Ausländische Sanktionen sind nur eine willkommene Möglichkeit die Schuld auf andere zu schieben um von der eigenen Korruption und Misswirtschaft abzulenken, die in autoritären Systemen typischer blüht. Das wenigstens bei der Wirtschaftspolitik doch noch Vernunft einkehrt ist, leider auch eher die Ausnahme als die Regel.
BridaX schrieb:
Wenn die Türkei weiterhin auf stur macht kann die Lira natürlich weiter im Wert fallen und wenn sie zu stark fällt verliere ich womöglich noch Geld.
Nicht nur womöglich, wenn die Lira stärker fällt als 23% Rendite, verlierst Du Geld. Du musst wissen für wie wahrscheinlich Du dies über den Zeitraum hältst in dem Du da investiert sein möchtest. Und denke daran das Anleihen in Zeiten steigender Zinsen generell kein gutes Investment sind.
 
Du bist halt mit vollem Risiko mit dabei.

Wer 16% zahlen muss, damit er Geld bekommt, macht das nicht ohne Grund.

Geht der Emittent Pleite, bist du dein Geld los.
 
Nicht außer acht lassen sollte man sich das Thema Wechselkurs Euro. Durch die seit Jahren niedrigen Zinsen im Euroraum wird der Euro aktuell schwach gehalten. Sollten die Zinsen hier wieder steigen, und die Stimmen dazu werden immer lauter, wird das die türkische Lira nochmals deutlich schwächen.
Da das Anleihenkaufprogramm der EZB ja bereits ausläuft halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass in einem Zeitraum von vier bis fünf Jahren die Zinsen wieder moderat steigen werden. Die türkische Regierung hat aber bereits mit dem aktuell sehr schwachen Euro und den niedrigen Zinsen große Probleme. In dem Moment wo Anleihen in Euro wieder mehr Zinsen bringen müssten demnach ja türkische Anleihen, auf Grund des hohen Ausfallrisiko noch stärker steigen um für Investoren interessant zu bleiben, was ich bei der aktuellen Regierung nicht sehen kann.
 
Auch lesenswert: Die Geschichte lehrt, was der Türkei jetzt droht (Welt.de):
Eine Woche Handelspause beruhigte die Lage bei der türkischen Lira. Doch kaum sind die Händler zurück, gerät die Währung erneut schwer unter Druck. Und ein Vergleich mit der Lira-Krise von 2001 lässt nichts Gutes erahnen.
...
Kurz nach der Jahrtausendwende hatte die Lira ihre letzte schwerere Krise durchlitten. Damals schwächelte die Währung ... Als Reaktion darauf versuchte die Regierung, ... eine einwöchige Handelspause für einen neuen Plan zur Stabilisierung der Währung zu nutzen. Vergeblich: Bis zum Jahresende verdoppelte die Lira ihren Wertverlust sogar beinahe.
 
Warum legst du nicht einfach ein waehrungskonto bei der bank deiner wahl an und kaufst lira, wenn du mit lira zocken willst?
 
Dass die Türkei pleite geht glaube ich nicht, aus geopolitischen Gründen (Bündnis mit Ostmächten + große Verstrickung mit europäischen Banken) aber man kann sich ja sehr schwer verletzen und leiden, ohne wirklich zu sterben. ;-) In Lira selbst würde ich momentan gar nichts aufnehmen ...wobei es demnächst eine sanfte Erholung geben sollte, wenn der Pastor freikommt (muss eigentlich passieren) und die USA ihre Doppel-Wobbel-Zölle wieder senken. Das die Krise in 5 Jahren wohl vorbei sein könnte, kann man ruhig annehmen aber wer weiß, wie tief es davor noch runter geht und wie langsam der Wiederaufbau sein wird?
 
Rudikolum schrieb:
wenn der Pastor freikommt (muss eigentlich passieren) und die USA ihre Doppel-Wobbel-Zölle wieder senken
Der normale Menschenverstand würde beides erwarten, aber regiert der bei beiden Beteiligten auch noch? Außerdem ist ein Feind von außen das beste Mittel um ein autokratisches System / eine Diktatur im Inneren zusammen zu halten, da man dann auch die selbst verursachten Probleme immer auf diesen Feind abwälzen kann.
 
Zur Rettung Griechenlands wurde damals ein "Haircut" bei den Staatsanleihen um 40% gemacht. Sprich, du hast 100€ investiert, bekamst am Ende aber nur 60€ wieder.
Bei einer Türkei-Rettung zahlen zuerst die Investoren ...

Noch 2 schöne Zitate aus dem Handel:
"Every deal has an idiot" & "There is no such thing as a free lunch".

Bei einer hohen Coupon-Verzinsung sollte man schon wissen, warum da freiwillig so viel Zins gezahlt wird.
 
Wer sollte denn die Türkei retten? Die müssen sich schon selbst retten und da kann es sein das sie die Schulden auch gar nicht Zurückzahlen, sowas gab es auch schon oft genug. Aber bei den Anleihen um die es ging ist ja nicht der türkische Staat der Emittent, sondern eine Entwicklungsbank aus der Weltbankgruppe. Nach der Anhebung der Leitzinsen sind die 16% Kupon jetzt natürlich sehr wenig, wie schon gesagt fallen die Kurse laufender Anleihen bei steigenden Zinsen, da die nächsten Anleihen die dann begeben werden eben einen höheren Kupon haben. Je nachdem wie liquide eine Anleihe ist, sieht man dies eben früher oder später am Kurs.
 
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