Hallo an Apfelsine und an alle anderen am Beruf des Arbeitspädagogen interessierten,
um die Frage direkt vorwegzunehmen: Ja, ich habe mich eigens wegen dieses Threats in diesem Forum angemeldet, auf das ich gestern beim „googeln“ nach dem Wort Arbeitspädagoge gestoßen bin.
Als langjähriger Kenner der Landschaft der beruflichen Rehabilitation im Allgemeinen sowie des BFW Oberhausen und der Weiterbildung zum Arbeitspädagogen im Besonderen, möchte ich hier zu einigen gestellten Fragen Stellung nehmen. (Ich bitte die Leserinnen meines Postings um Entschuldigung, wenn ich im Folgenden aus reinen Gründen der einfacheren Schreibweise ausschließlich die männliche Form verwende.)
1. Assessment
Vor einer Weiterbildung zum Arbeitspädagogen ist die Teilnahme an einem RehaAssessment nahezu obligatorisch. Zu unterscheiden sind hierbei vorrangig zwei Assessment-Varianten: Die viertägige Kurzerprobung (auch gezielte Arbeitserprobung genannt) und die vierzehntägige Berufsfindung und Arbeitserprobung.
1.1 Die viertägige Kurzerprobung
Die Kurzerprobung kommt zum Einsatz, wenn der Proband beim finanzierenden Leistungsträger (i.d.R. Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsträger oder Berufsgenossenschaft) überzeugend seine Motivation, an einer Weiterbildung zum Arbeitspädagogen teilnehmen zu wollen, deutlich gemacht hat und aus Sicht des Leistungsträgers keine bzw. nur geringe Bedenken bzgl. der erfolgreichen Teilnahme bestehen. Der Vorteil ist der kurze Zeitraum. Der Nachteil ist, dass eben aufgrund des kurzen Zeitraums bei nicht gegebener Eignung keine beruflichen Qualifizierungsalternativen mit dem Probanden durch das interdisziplinäre Reha-Team eines Berufsförderungswerkes erarbeitet werden können.
Bei den Konzepten für die Kurzerprobung zum Arbeitspädagogen wie auch bei der Weiterbildung zum Arbeitspädagogen selbst, setzen die Berufsförderungswerke Birkenfeld, Weser-Ems (ehem. Bookholzberg) und Oberhausen durchaus eigene Schwerpunkte. Im Folgenden beziehe ich mich auf die Oberhausener Variante. Dort beginnt die Kurzerprobung mit ausführlicher Berufskunde zum Berufsbild des Arbeitspädagogen. Das erscheint bei den ganzen kursierenden Halbwahrheiten und Unklarheiten bzgl. des Berufsbildes auch dringend notwendig. Die Abtestung der mathematischen Kenntnisse konzentriert auf runde drei bis vier Stunden und verbleibt vom Schwierigkeitsgrad auf Hauptschulniveau. Der Erhebung sozialer Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Kritikfähigkeit, Kritisierbarkeit und Selbstsicherheit wird klar der Vorrang gegeben. Weiterhin liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf der Erhebung der Rechtschreibkenntnisse, des schriftsprachlichen Ausdrucksvermögens sowie des Textverständnisses. Das macht durchaus Sinn, wenn man bedenkt, wie berichtswesenlastig (Falldokumentationen) die spätere Weiterbildung zum und Berufstätigkeit des Arbeitspädagogen ist. Sollten seitens des ärztlichen Dienstes des Berufsförderungswerkes Oberhausen Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Probanden bestehen, findet in den vier Tagen eine integrierte arbeitsmedizinische Untersuchung statt. Weiterhin besteht optional die Möglichkeit, das allgemeine intellektuelle Leistungsvermögen des Probanden zu erheben (Intelligenzstrukturtests), falls dieses im Vorfeld noch nicht beim Leistungsträger durchgeführt wurde. Durchschnittliches intellektuelles Leistungsvermögen gemessen an Hauptschulabsolventen sollte gegeben sein. Wichtig ist, dass in den Bereichen Sprachverständnis und Sprachlogik keine gravierenden Abweichungen nach unten vorkommen. Parallel zur Kurzerprobung werden in Einzelgesprächen die formalen Zugangsvoraussetzungen zur Weiterbildung zum Arbeitspädagogen thematisiert: Dazu zählen mindestens der Hauptschulabschluss, ein eintragsfreies polizeiliches Führungszeugnis, eine abgeschlossene Berufsausbildung (bevorzugt im handwerklich-technischen Bereich) zzgl. mindestens zwei Jahre Berufstätigkeit im erlernten Beruf und vieles mehr.
1.2 Die zweiwöchige Berufsfindung und Arbeitserprobung
Diese Assessment-Variante beinhaltet nahezu alle Module der o.g. Kurzerprobung bietet jedoch dem Probanden die Möglichkeit, seine Eignung für erheblich mehr Berufe als nur für den Arbeitspädagogen ganzheitlich erheben zu lassen. Das Angebot der Arbeitsgemeinschaft der Berufsförderungswerke bewegt sich z.Zt. bei rund 320 verschiedenen Qualifizierungsmöglichkeiten. Wie schon in anderen Postings in diesem Thread zu lesen war, ist bei der vierzehntägigen Berufsfindung und Arbeitserprobung der Mathematikanteil (Stichwort: Kaufmännische und handwerklich-technische Berufe) allerdings auch ungleich höher.
2. Begriffsklärung RVL
Bei RFL (siehe eines der vorausgegangenen Postings) muss es sich schlicht um einen Tippfehler handeln. Das gebräuchliche Kürzel lautet RVL. Es steht für Rehabilitationsvorbereitungslehrgang. In diesem dreimonatigen Vorkurs werden in Vollzeit vorrangig die schulischen Grundkenntnisse bis Klasse 10 aufgefrischt. Empfehlenswert ist die Teilnahme nahezu für jeden, der nicht erst in den letzten paar Jahren die Schulbank verlassen hat.
3. Staatliche Anerkennung des Titels „Arbeitspädagoge“
Es existiert keine staatliche Anerkennung des Titels Arbeitspädagoge. In Baden-Württemberg (und nur dort!) ist der Titel „Arbeitserzieher“ geschützt. Für die Weiterbildung zum Arbeitspädagogen am BFW Oberhausen ist zu sagen, dass am Ende quasi eine doppelte Abschlussprüfung stattfindet. Eine interne BFW-Prüfung und eine staatliche Prüfung, die nach Bestehen berechtigt, den Titel „Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung“ zu führen. Letzterer ist staatlich geschützt.
4. Methodik und Didaktik der Weiterbildung zum Arbeitspädagogen am BFW Oberhausen
Hier ins Detail zu gehen, würde den Rahmen des Postings völlig sprengen. Laienhaft formuliert, ist die Unterrichtsmethodik aber schon stark an der Wissensvermittlung und Wissenserabeitung an Fachschulen bzw. Fachhochschulen angelehnt. Auf Theorieinputs (Frontalunterricht) folgen in der Regel längere Phasen von Kleingruppenarbeit, die mit der Präsentation des Erarbeiteten durch die Kleingruppenmitglieder im Plenum enden. Rund ein Drittel der achtzehnmonatigen Weiterbildung besteht aus Praktikumsblöcken. Fächerbezogener Unterricht findet nahezu nicht mehr statt. Die Theorievermittlung erfolgt in Themenblöcken in denen arbeitspädagogische Sachverhalte aus psychologischer, sonderpädagogischer, medizinischer, kommunikationstheoretischer und noch vielerlei anderer Hinsicht betrachtet werden.
5. Prognose bzgl. des Bedarfs von Arbeitspädagogen auf dem ersten Arbeitsmarkt
Grundsätzlich gilt, dass Arbeitspädagogen auf dem ersten Arbeitsmarkt weiterhin gesucht sind und daher gute Integrationschancen haben. Insbesondere die stetig steigende Zahl von Menschen mit chronifizierten, schweren psychischen Störungen (PB = psychische Behinderung) sorgt dafür, dass „sonderpädagogisch geschulte Vorarbeiter“ (nichts anderes sind Arbeitspädagogen in der Regel) gefragt sind, wenn es um „behindertengerechte Produktion“ in „Werkstätten für Menschen mit Behinderungen“ geht.
Wie auf fast allen (trotz der gegenwärtigen Rezession)„boomenden“ Märkten, so sind aber auch im expandierenden Bereich der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen negative Veränderungen für Arbeitspädagogen zu beobachten. Diese äußern sich in erster Linie in der Vergütung und Art der Beschäftigungsverhältnisse. Tarifgeschichtlich betrachtet, war die Einführung des TVÖD (Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes) schon ein sehr schmerzhafter Einschnitt im Sinne von Gehaltsreduzierung für kommende, neue Arbeitspädagogen. Die vor der Einführung des TVÖDs bereits beschäftigen Mitarbeiter wurden zumeist nach dem alten BAT (Bundesangestelltentarifvertrag des Öffentlichen Dienstes) bezahlt und behielten im Sinne der „Besitzstandswahrung“ ihre im Vergleich zum TVÖD deutlich besseren Konditionen. Dieses Lohndumping war aber augenscheinlich vielen Personalchefs und Kostenrechnern in den Einrichtungen der Behindertenhilfe noch nicht Ersparnis genug. Gerade große Einrichtungen verabschiedeten sich vom BAT und wechselten gleich in Haustarifverträge, die noch deutlich unterhalb des ohnehin schlechteren TVÖDs rangieren. Andere, und da machen selbst die kirchlichen Träger absolut keine Ausnahme, gründeten Tochterfirmen, die als Zeitarbeitsfirmen fungieren. Neue Arbeitspädagogen werden also häufig nicht mehr z.B. vom Diakonischen Werk oder der Caritas angestellt, sondern von deren Tochterfirmen. Diese bezahlen die Arbeitspädagogen nach eigenen Haustarifverträgen, die sich an den gängigen Tarifen der Zeitarbeitsbranche orientieren, und „verleihen“ dann die Arbeitnehmer wiederum entgeltlich an die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen des „Mutterhauses“. Das hat nicht nur verheerende gehaltstechnische Konsequenzen für die Arbeitspädagogen, sondern nimmt ihnen auch ein hohes Maß an langfristiger Arbeitsplatzsicherheit. Von den negativen Auswirkungen auf die Behinderten in den Werkstätten durch die deutlich höhere Fluktuation der Arbeitspädagogen ganz zu schweigen. Wem es ein Trost ist: Selbiges gilt natürlich auch für alle anderen beruflichen Disziplinen, die im Behindertenbereich neu an den Start kommen, wie pflegerische Kräfte, Ergotherapeuten, Heilpädagogen, Sozialpädagogen und so weiter.
Merkwürdigerweise haben gerade viele kleine Werkstätten für Menschen mit Behinderungen diesen Weg des Umgangs mit ihrem Personal nicht beschritten und rechnen sich augenscheinlich trotzdem. Ein Schelm, wer jetzt Böses denkt…
So, mein Posting erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit bzgl. des Informationshintergrundes zur Weiterbildung und zum Beruf des Arbeitspädagogen. Ich hoffe aber trotzdem, etwas Licht ins Dunkel gebracht zu haben.
Grüße,
Weißkopfadler