Die Unterschicht in Deutschland

Naja immerhin haben sie mit ihren ganzen E-Geräten den Konsum angekurbelt. :p
Ich denke man sollte an beiden Stellen ansetzen. Mehr ALGII+Beratungsstellen bzw. kompetente Fallmanager & co.
Allerdings glaube ich auch den ganzen Tv-Reportagen, wo das Blut nur so trieft wie in der Bild-Zeitung schon lange nicht mehr. Mir kann keiner erzählen, dass man sich kein Vollkornbrot mehr leisten kann und stattdessen auf Toastbrot angewiesen ist. :rolleyes: die Frage ist doch eher, ob man es sich leisten will und auf anderes verzichten will? also eher ein Prioritäten setzen.
Ist doch alles für den geneigten sensationsgeilen TV-Zuschauer maßgeschneidert getürkt. Ne Hartz-IV Familie, bei der alles den Umständen entsprechend dennoch relativ reibunglos flutscht interessiert in unser Medienlandschaft leider keinen. ;)

Ich denke die meisten haben sich auf ihre aktuellen Lebensumstände zwangläufig ganz gut angepasst.
Not macht nunmal erfinderisch. Was aber nicht heisst, das es ihnen zu gut ginge.
 
Kann man da von "Leben" sprechen? Wenn die Arbeitslosen, auch wenn sie gut mit ihrem Geld haushalten,nicht weggehen können?
Kein Kino, auswärts essen gehen, Disco, Cafe,...usw...mit dem bischen sind da keine oder kaum Unternehmungen möglich.

Das bedeutet den ganzen Tag daheim bleiben.:freak:
 
Anders gefragt: Kann man von "Leben" sprechen, wenn jemand rein gar nichts zu seinem eigenen Lebensunterhalt beiträgt, aber dennoch ein Dach über dem Kopf hat? Wenn er jeden Monat seine Überweisung erhält, die es ihm ermöglicht, ohne Hunger und andere existenzielle Entbehrungen zu (über-)leben?

Ich denke, das ist ein Status, von dem ein paar Milliarden Menschen auf diesem Planeten nur träumen können. Ich kenne Länder auf dieser Welt, in denen Du den Menschen absolut nicht verständlich machen kannst, dass jemand bezahlten (!) Urlaub macht, also nicht arbeitet und trotzdem Geld von seinem Arbeitgeber bekommt. Das sind auch solche Dinge, die für uns selbstverständlich geworden sind, obwohl sie es nicht sind.

Und um es auf die Spitze zu treiben. Wenn Du z. B. nach Afrika schaust, dann leben dort Millionen von Menschen, die in ihrem Leben noch kein einziges Telefonat geführt haben. Schlichtweg deshalb nicht, weil sie sich keines leisten können oder weil sie gar nicht wissen, was das ist. Und diese Menschen leben trotzdem. So gesehen gehören Disco- oder Kinobesuche ganz sicher nicht zu den Dingen, die einem der Sozialstaat unbedingt finanzieren muss.
 
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wenn man den umkehrschluss deines postings (und einiger anderer meinungen hier) nimmt, müsste man dann ja das soziale netz komplett abschaffen. nur der gag daran ist, das dann irgendwas anderes gesucht wird worauf man rumhacken kann.
es geht hier in diesem thread eben nicht um den rest der welt, sondern um die situation in deutschland. da wir eh n "einzigartiges netz" haben was die menschen finanziell auffängt, bringen da solche vergleiche mit afrika und dergleichen auch nix. wenn wir nach den maßstäben der dritte welt länder vorgehen können wir unserm land gleich den sarg schaufeln, denn dann wird es uns "immer gut gehen" bis wir selbst n status eines dritte welt landes haben, und dann auch mal die meckerköpfe die immer alles relativieren wollen einsehen das da wohl was falsch gelaufen ist. es ist eben nicht "immer alles toll" bloss weil es anderen "noch beschissener geht".
 
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@keshkau:

sicher gibt es viele Länder denen es wesentlich schlechter geht als uns. Nur verglichen mit den anderen reichen Industrieländern (England,Frankreich, skandinavische Länder,Schweiz,Österreich..usw..) sacken wir langsam und allmählich ab. Es ist ein schleichender Prozeß der Anfang der 90-er Jahre angefangen hat und immer noch anhält.

Es ist Fakt das die meisten Arbeitslosen nicht freiwillig diesen Status haben, und sehr viele auch bemüht sind eine Arbeitsstelle zu bekommen, es aber nicht klappt. Sie können einfach nichts dafür und sind nicht selber schuld!

Wer nicht arbeitet ist nicht selbst schuld daran!

Ich bleibe bei meiner Ansicht: 340 Euro sind witzlos.:freak:
Da bleibt kein Geld mehr für Kleidung, weggehen, oder sonstwas auch für die Supersparer bleibt nichts mehr fürs richtig Leben.
 
Wahrscheinlich sind 347 Euro (plus Miete und Heizung) tatsächlich wenig Geld - aus meiner Sicht zumindest. Aber das steht hier eigentlich nicht zur Debatte. Ob die Menschen nun 300 oder 400 Euro erhalten, ändert doch substanziell rein gar nichts an ihrer Lebenssituation!

Ob nun jemand aufgrund eigener Versäumnisse oder wegen persönlich nicht zu vertretender Umstände seinen Job verloren hat, macht ebenso wenig den Unterschied aus. Denn entscheidend ist doch, dass diese Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen sollen.

Das aber ist ein schwieriges Unterfangen. Denn wie bereits gesagt wurde, haben 40 Prozent der Arbeitslosen nicht einmal eine Berufsausbildung. Und die Langzeitarbeitslosen tendieren allem Anschein dazu, in gewisser Art und Weise arbeitsunfähig zu werden.

Die Frage, die ich hier stelle und diskutieren möchte, lautet also nicht, ob man den Sozialhilfesatz anpassen sollte, sondern welche (individuelen) Maßnahmen ergriffen werden müssten, um aus Arbeitslosen wieder Arbeitnehmer zu machen. Und dabei interessieren mich insbesonere die harten Problemfälle, also nicht der qualifizierte Facharbeiter, der nach drei Monaten wieder in Lohn und Brot steht, sondern eher der Jugendliche, dessen Eltern schon seit 10 Jahren keinen Job mehr hatten und der mehr schlecht als recht durch die Schule gekommen ist. Oder der Arbeitslose mit Alkoholproblemen, der es auf keinem Arbeitsplatz länger als zwei Wochen ausgehalten hat.

Ich gebe zu bedenken: Der technische Fortschritt wird auch in Zukunft zu Rationalisierungen führen. Davon werden überproportional diejenigen betroffen, die über keine besonderen Qualifikationen verfügen. Einerseits ist es also schade um diejenigen, die sich bereits heute im Abseits fühlen, andererseits wird die Gruppe in den nächsten Jahrzehnten immer größer werden. - Wenn wir denen absolut keine Perspektiven aufzeigen können (Beschäftigung, Erwerbseinkommen), dann sehe ich schwarz.
 
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meiner ansicht nach produziert die kapitalistische produktionsweise und wirtschaftsordnung diese gruppe von menschen zum teil selbst.
es ist doch klar, dass in einer konkurrenzgesellschaft wo die darwinistischen ellenbogen in voller breite ausgepackt werden dürfen es nun auch einige menschen gibt, die da nicht mithalten können und die dann einfach fallen.
dass für solche menschen in einem kapitalistischen system nichts zu holen ist sollte eigentlich jedem einleuchten.
deshalb meine ich, dass es überhaupt nichts bringt innerhalb des systems, der eben diese gruppe von menschen produziert, über eine änderung innerhalb des kapitalistischen systems selber zu reden und da vorschläge zu machen.
die probleme die dazu führen, dass es überhaupt solche leute auch weiterhin geben wird, die werden damit nicht weniger sondern ggf. nur ein wenig weiter aufgeschoben und/oder verdeckt.
was mir hier eindeutig fehlt ist das in-frage-stellen des systems als ganzes...aber diese diskussion hatten wir ja zu genüge.
 
Als Deutschland noch unbeschwert vor sich hin expandierte und Arbeitskräfte aus dem Ausland holte, war die Sache einfach, zumindest aus Sicht der Arbeitnehmer. Dagegen tobte zu dieser Zeit unter den Arbeitgebern ein bisher nie dagewesener Konkurrenzkampf um Arbeitskräfte.

Heute ist das Verhältnis gekippt. Und wie es scheint, trägt die Technik dazu bei, diese Verhältnisse auf absehbare zu zementieren und vor allem weniger leistungsfähige Arbeitskräfte in die Arbeitslosigkeit zu drängen. Ob solche Schwankungen nun ein Systemfehler sind oder ob sie zum ständigen Auf und Ab auf den Märkten gehören, ist in erster Linie Geschmacksache.

Wenn sich jetzt abzuzeichnen scheint, dass das Heer der Arbeitslosen - zumindest auf Basis der jetzigen Arbeitsmarktgestaltung - eher zunehmen wird, dann gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Einer der versuchten Strategien war die der Arbeitszeitverkürzung, die jedoch unter den gegebenen Umständen nur zu einer Verteuerung der Arbeitskosten geführt hat. Eine andere Strategie bestand darin, die Anzahl der Arbeitnehmer durch Frühverrentung zu verringern, um Arbeitsplätze für nachrückende Generationen zu schaffen. Auch das war ein Fehlschlag, wie wir heute wissen, weil die Arbeitgeber zwar die Frühverrentung durchführten, aber die Stellen anschließend strichen.

Wir müssen aber auch sehen, dass die Problemfälle unter den Arbeitslosen vielfach gar nicht mehr in der Lage sind, den heutigen Anforderungen an Arbeitsplatzbewerbern unter Konkurrenzbedingungen zu entsprechen. Das zeigt sich an fehlender Bildung, fehlender Zuverlässigkeit, fehlendem Fachwissen usw. Diese Liste kann je nach Fall lang sein (multiple Vermittlungshemmnisse).

Das Ellenbogensystem können wir nicht einseitig abschaffen. Denn wenn höhere Leistungsfähigkeit (gepaart mit höherer Leistungsbereitschaft) nicht länger belohnt wird, landen letzten Endes alle in der Hängematte. Wozu noch den Finger krumm machen, wenn es auch anders geht? So würden die meisten wohl denken, zumindest nach den Erfahrungen, die sie bisher gemacht haben und die sie wohl kaum abschütteln können.

Das ist ein Grund dafür, um nach Lösungen zu fragen, die systemimmanent sind, die sich also innerhalb des Rahmens unseres marktwirtschaftlichen Systems bewegen. Es handelt sich ohnehin stets um Transferleistungen, von denen wir hier sprechen, die von den Betroffenen nicht eingekauft, sondern von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Amen.


Bei dieser Gelegenheit kann ich auch gleich noch etwas ablästern [@ th30: Bei Dir kann ich mir das ja erlauben.]: Eine "Revolution von oben" wird es in Deutschland nicht geben. Und eine "Rolution von unten" sehe ich ebenfalls nicht. Die paar Millionen Betroffenen waren ja nicht einmal in der Lage, geschlossen und dauerhaft gegen die Hartz-IV-Gesetze auf die Straße zu gehen. Und das, obwohl sie unmittelbar an ihrer schwächsten Stelle (dem Geldbeutel) betroffen waren. Sollen wir warten, bis sie iher wahres Klassenbewusstsein entwickelt haben oder überlegen wir uns nicht vielleicht doch schon vorher, wie man ihnen helfen kann?
 
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mal im ernst... du glaubst doch nicht ernsthaft das beispielsweise ein unternehmen was gewinnmaximiert ausgerichtet ist, die leute weniger arbeiten lässt bei selbem gehalt, um noch jemanden einzustellen der dann nochmal um einiges mehr kostet, wenn man das alles auch ohne schaffen würde, indem man dem bisher angestellten alles aufdrückt. das wirds nicht geben. nichtmal wenn die geschäfte 24/7 offen sind. selbe gilt im übrigen für dein rentenbeispiel, das ist surreal.
 
@KLOk
Ich sage nicht, dass die Arbeitsverkürzung, die von den Gewerkschaften gefordert wurde, clever war. Zumal sie nicht bereit waren, auf das entsprechende Gehalt zu verzichten. In lohnintensiven Branchen hätte eine Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichzeitig angepasster Bezahlung durchaus funktionieren können. Aber eine Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichem Lohn entspricht lediglich einer dratischen Lohnerhöhung (pro Stunde gerechnet), wodurch diese Unternehmen an Konkurrenzfähigkeit verlieren. - Ich habe auch nur erwähnt, dass dies einer der Versuche war, die ausprobiert wurden.

Und welches Rentenbeispiel meinst Du, doch nicht die Frühverrentung, oder? Was passiert denn, wenn die Telekom oder ein anderer Konzern sagt, dass innerhalb der nächsten 2 Jahre z. B. 20.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, ohne dass es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen soll? Das bedeutet zum einen Auslagerung oder Nichtbesetzung von Stellen, die durch Verrentung frei werden.
 
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ach, selbst wenn diese frührentenmasche nich zieht wird da irgendwie getrickst, sei es durch wegrationalisierung und die abgabe an zweigstellen die dann "zufällig" aufgelöst werden müssen oder sonstwas. das sind doch alles dinge die man schon vor/seit zig jahren durchgezogen hat. da brauchen die nicht mit ner "rentnerei" (schönes neues wort :D) anfangen.

theo hat in dem punkt wirklich recht, das es schon dieses system ist, was diese situation überhaupt hervor ruft, und sämtliche maßnahmen dem entgegenzuwirken eigentlich wie das kämpfen gegen besagte windmühlen ist. meiner meinung nach kann man diesem "fluss" der entwicklung nicht wirklich entgegen wirken, sondern müsste es irgendwie anders nutzbar machen, in dem man dann im selben atemzug die konzerne finanziell belastet, quasi für jeden den sie vor die tür setzen aus ihrer profitgeilheit heraus (wie wasserräder die man in den fluss baut, um es metaphorisch zu sagen). aber das wird diese wirtschaft nicht mit sich machen lassen und notfalls abwandern.

es ist meiner meinung nach wirklich jacke wie hose, wo man ansetzt, das wird irgendwann über kopf gehen.
 
Die Unterschicht in Deutschland?

Ich würde hier zwei Fragen in Vordergrund stellen:

1. Fällt die Frage nach der Unterschicht nicht mit der Feststellung zusammen, dass wir mit den Verlierern der allgemeinen Konkurrenz zu tun haben und dass sie selbst daran schuld sind? Oder will man uns wirklich weiß machen, dass Konkurrenz auch ohne Verlierer geht, vielleicht?
Ist das nicht so, dass die Anstrengung aller an der heiligen Konkurrenz Glaubenden um die "Armen" nur das eine beweist: Diese Menschen können nicht mehr konkurrieren, aber bitte, sie sollen sich in ihrer Misere nicht einrichten, uns Probleme machen und mit dem Geld kalkulieren, was ihnen gegeben wird (obwohl "wir" alle das tun - "wir, freie Menschen" haben dieses Recht noch nicht abtreten müssen!) Sind diese Menschen unserem Respekt würdig nur dann, wenn sie das Märchen über "Selbständigkeit" glauben, diese Almosen ablehnen und bis an den äußersten Grenzen gehen und da wieder von unserer Feststellung getroffen werden, dass ihr "Leben" nichts wert ist?

2. Warum übernimmt man die Probleme, die die Lenker dieser Gesellschaft mit derselben haben, ohne die Frage nachzugehen, woher diese Probleme kommen? Da könnte man vielleicht feststellen, dass diese Lenker selbst die Probleme in die Welt gesetzt haben durch ihren Konkurrenz- und Reichtumsvermehrungszwang.
 
Wenn hier so provokant die Schuldfrage in den Vordergrund gerückt wird, dann gehe ich gerne darauf ein: Unser Arbeitsmarkt wird durch Angebot (an Arbeitskraft) und Nachfrage (nach Arbeitskraft) geregelt. Das Versäumnis der Arbeitslosen liegt darin, dass sie den Arbeitgebern kein attraktives bzw. am Markt konkurrenzfähiges Angebot an Arbeitskraft unterbreiten können. Deshalb bleiben sie ohne Arbeit.

Es gäbe für die Arbeitslosen (bzw. für die sie vertretenden Gewerkschaften) verschiedene Möglichkeiten, die Situation zu verbessern: So würde die Nachfrage nach Arbeitskräften steigen, wenn die menschliche Arbeitskraft günstiger wäre. Im Extremfall sehen wir das an den sog. 1-Euro-Jobs. Nun will ich damit nicht sagen, dass wir in Zukunft alle für diesen Stundenlohn arbeiten sollten. Aber ich gebe zu bedenken, dass die Löhne und Gehälter in Deutschland aufgrund von Tarifverträgen kaum Korrekturen nach unten erlauben. Auf den Gütermärkten ist das anders. Denn wenn z. B. die Bauern eine gute Ernte eingefahren haben, dann fallen die Preise für Obst usw. Wenn aber in bestimmten (regionalen oder branchenspezifischen) Bereichen zu viele Arbeitskräfte um zu wenige Jobs streiten, passiert auf der Lohnseite wenig. Mit anderen Worten: Die Arbeitnehmer sind nicht bereit, zum niedrigeren Gleichgewichtspreis zu arbeiten und verursachen somit einen Teil der Arbeitslosigkeit.

Eine weitere Schuld der Arbeitnehmer kann darin bestehen, sich nicht genügend weiterzubilden oder sich für Qualifizierungen zu entscheiden, die am Arbeitsmarkt nicht gefragt sind. Wie hoch wäre z. B. die Arbeitslosenquote, wenn alle Studierenden das Fach Philosophie wählten? Nun kann eine erworbene Qualifikation zwar nicht von heute auf morgen geändert werden, aber der Tenor meiner Aussage sollte klar sein. In diesem Zusammenhang verweise ich nur noch auf die Problemfälle, die keinen Schulabschluss oder keine Ausbildung haben. Sie haben praktisch gar nicht dazu beigetragen, sich für einen Job zu qualifizieren. Die Schuld dafür würde ich größtenteils ihnen selbst geben.

Wie gesagt, das ist nicht die Diskussion, die ich hier eigentlich führen wollte. Aber notfalls geht es auch auf dieser Schiene, wenn ihr es denn unbedingt so wollt.
 
"Das Versäumnis der Arbeitslosen liegt darin..."?

OK, wir wollen zuerst verstehen, wie die Sache ist, bevor wir - sozusagen - eine Kiste aus faulem Holz mit teurer Farbe lackieren.

Wir sehen uns also zusammen auf dem Arbeitsmarkt um:

Da stehen sich die Verkäufer und die Käufer der Arbeitskraft gegenüber: Die einen wollen durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft nur leben. Die anderen wollen bekanntermaßen ihr Geld vermehren, leben tun sie ja sozusagen nebenbei und gar nicht schlecht. Seit dieses Theaterstück vorgeführt wird, sind keine Zeiten bekannt, wo das Vermögen auf der Seite der Reichen nicht gewachsen ist (s. mehrfache Angaben über die ungleiche Verteilung des Vermögens in diesem Thread). Selbst in den Wunderjahren der Vollbeschäftigung in BRD ("nie dagewesener Konkurrenzkampf um Arbeitskräfte"!) war die Akkumulation so gewaltig, dass an der Perversion gegrenzt hätte, "unsere Arbeitnehmer" nicht daran zu "beteiligen". Dass diese Mitbeteiligung eine bestimmte Rolle im Fertigmachen der Feinde im Osten spielen musste, hat man im Freudentaumel nicht mehr so richtig mitbekommen.

Was die Rolle diese Teile der Nation innehaben, steht nie und nimmer zur Diskussion. Die Reichen setzen ihr Vermögen ein, um vermittels der menschlichen Arbeit mehr Vermögen zu machen (das wollen sie ja!), und gehen in ihrer Konkurrenz um das "Wohl der Gemeinschaft" mit harten Bandagen aufeinander los. Und wenn da etwas in die Hose geht, werden Löhne gekürzt, Leute vors Tor gesetzt, Fabrik geschlossen. Die Frage, wer da verliert, ist von vornherein geklärt: Der Lohnabhängige hat das auszubaden! Als "Almosenempfänger" verschiedener Grade muss er sich dann auch noch sagen lassen, das er immer noch Pflichten hat. Wenn er für die Vermehrung des Reichtums nicht mehr in Frage kommt, dann hauptsächlich in der ganz empfindlichen Sache mit der "Zersetzung der Moral" seiner Nation.

Was dann die Nation im Ernstfall fähig ist, wenn sie die "Zersetzung der Moral" vermutet, kann man diese Tage im Fall Türkei besichtigen: Den von den Kurden freigelassenen Soldaten wird vorgeworfen, dass sie in Gefangenschaft geraten sind, also ihr Leben einem Heldentod vorgezogen haben! Notabene: Nicht die Regierung sondern "das Volk" setzt "die Moral" durch!

Übrigens: Die Probleme der Regierungen mit ihrem "dienende" Volk sind genau so alt wie die Lohnarbeit selber. Zuerst wird es dumm und untertänig gemacht und gehalten, dann wird ihm vorgehalten, jetzt kommt gerade darauf an, dass es gescheit und selbständig ist - eine Art Kapitalist ohne Kapital -, weil es sonst viel zu teuer für die Gemeinschaft ist.
 
Genauso wie die einzelnen Arbeitskräfte stehen auch Unternehmen und Staaten im harten Wettbewerb. Und in diesem können wir nunmal nicht bestehn und Wohlstand generieren, wenn sich nicht alle Menschen in der Weise entweder durch begehrtes Fachwissen und Qualifikation oder eben durch nierdrige Lohnerwartung bereitstellen.

Besagtes Konkurrenzverhalten entstand durch die Vernetzung aller Völker, was wir auch als Globalisierung bezeichen.
 
@barista
Bei Dir lese ich mehr Ideologie als Fakten:

Die einen wollen durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft nur leben. Die anderen wollen bekanntermaßen ihr Geld vermehren, leben tun sie ja sozusagen nebenbei und gar nicht schlecht.
So ist das also? Jetzt gehe mal weg von den Großkonzernen, die bereits Rücklagen gebildet haben, und wende Dich einem kleineren Unternehmer zu, etwa dem Lebensmittelhändler um die Ecke, der vier Angestellte hat. Du unterstellst eine völlige Abhängigkeit der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber. Aber das ist eine einseitige Sichtweise. Wenn nämlich die Beschäftigten nicht im Laden erscheinen, dann kann der Eigentümer sein Geschäft schließen. Dann ist niemand da, der die angelieferte Ware einräumt, der Kunden berät, der hinter der Theke steht oder der an der Kasse sitzt. Die eine Seite kann nicht ohne die andere. Und dass der Unternehme ruckzuck pleite sein kann, darf auch nicht übersehen werden.

Seit dieses Theaterstück vorgeführt wird, sind keine Zeiten bekannt, wo das Vermögen auf der Seite der Reichen nicht gewachsen ist
Auch hier möchte ich etwas entgegnen. Dazu bediene ich mich eines Beispiels, das dem aus #176 des Threads über die Entfremdung angelehnt ist: Ein Küntler stellt sich vor die Tür des Kölner Doms, wo er Sketche aufführt und Geld von den Passanten einsammelt. Nach einer Weile entschließt er sich, zu einer Agentur zu gehen, die ihm Arbeitsgelegenheiten (Aufträge) vermitteln kann. Die Mühe, sich selbst zu überlegen, wo er am besten auftreten kann, kann er sich von nun an schenken. Dafür überlasst er der Agentur 10 Prozent seiner Einnahmen. Dieser Preis (nach Marx: Mehrwert) erscheint ihm gerecht, weil die Agentur dafür eine Leistung erbringt. Nun kann die Agentur von einem Künstler allein schlecht leben. Nach einer Weile haben sich bereits zehn Künstler dort eingetragen. Der Arbeitsaufwand für die Agentur wächst, die Einnahmen ebenfalls. Nach fünf Jahren sind 500 Künstler bei der Vermittlungsagentur eingeschrieben. Die Agentur hat ihre Arbeitsabläufe optimiert und verdient nun auch gut.

Meine Frage dazu: Ist der Reichtum der Agentur nun etwas Schlechtes oder haben sich die dort arbeitenden Leute nicht vielleicht ihr Geld redlich verdient? Wer will das leichtfertig beurteilen bzw. verurteilen? – Die Arbeitnehmer, die sich dazu entschlossen haben, nicht selbst als Unternehmer tätig zu sein (z. B. weil ihnen die notwendige Qualifikation fehlt), sondern in ein Arbeitsverhältnis einzuwilligen, machen im Grunde das, was auch der Künstler aus meinem Beispiel macht. Sie geben einen geldwerten Teil ihrer Produktivität ab (den Mehrwert), um dafür einige Annehmlichkeiten zu haben, etwa das garantierte Monatseinkommen, da sie als Selbstständige nicht hätten.

Und wenn da etwas in die Hose geht, werden Löhne gekürzt, Leute vors Tor gesetzt, Fabrik geschlossen.
Das hört sich bei Dir so an, als ob es dem Unternehmer weiterhin gut ginge und lediglich die Arbeitnehmer die Suppe auslöffeln müssten. Dem ist aber nicht so. Die Inhaber einer oHG zum Beispiel sind nach einer solchen Firmenpleite selbst pleite. Sie verlieren ihr Haus, ihr Auto, ihre Aktien, praktisch alles. Der Arbeitnehmer hat dagegen nichts riskiert. Er verliert seinen Job, kann sich aber sogleich einen neuen suchen und bis dahin die Abfindung aus dem Sozialplan auf den Kopf hauen.


Und so geht es in Deinem Beitrag in einer Tour weiter. Wo ist der Bezug zum Thema, wo bleibt die Objektivtät? Meine Darstellung sollte nur deutlich machen, dass die Dinge nicht unumstößlich so sind, wie Du sie beschrieben hast, sondern dass man die objektiven Sachverhalte auch anders bewerten kann.

Weiterhin gehört zum Arbeitsmarkt folgende Eigenschaft: Wenn der Freiberufler oder der selbstständige Schuhmacher einen Tag lang nicht arbeitet, dann verdient er nichts, auch wenn seine betrieblichen Kosten weiterlaufen. Der Arbeitnehmer dagegen macht sechs Wochen Urlaub im Jahr, die ihm der Arbeitgeber bezahlt. Und wenn er darüber hinaus noch sechs Wochen krank ist, dann zahlt ihm der Arbeitgeber trotzdem seinen Lohn weiter. So kann es kommen, dass jemand fast ein viertel Jahr keinen Handschlag für seinen Boss macht und trotzdem gut davon leben kann. So dreckig kann es den Arbeitnehmern also gar nicht gehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Bei Dir lese ich mehr Ideologie als Fakten?

@ keshkau

Etwas substantieller hätte ich mir schon gewünscht!
All diese aufwändig erzählten Geschichten gehen stramm an den Argumenten vorbei. Alles unreflektierte Stammtischgeschichten als Fakten
Am schärfsten blieb am Ende doch der erste Satz:
"Bei Dir lese ich mehr Ideologie als Fakten" Es tat richtig weh!
 
harten Wettbewerb, Konkurrenz, etwas für wahre Männer

@ ObServer88

harten Wettbewerb, Konkurrenz, etwas für wahre Männer. Krieg vielleicht, natürlich nur für einen guten Zweck, z. B. für unser Wohlstand und natürlich nur gegen die bösen Jungs...

Ist Dir klar, dass Konkurrenz nicht Wohlstand oder Spielpunkte bringt, sondern Reichtum und Armut, Sieger und Verlierer? - schön getrennt...
 
Jetzt ist also die Konkurrenz (der Markt) schuld daran, dass es eine Unterschicht in Deutschland gibt? Ich will Dir erklären, was Konkurrenz auslöst. Dazu ein Beispiel aus der Automobilindustrie. Die Firma Toyota begann 1972 damit, Autoteile in den USA zu produzieren. Im Jahr 1983 stand das erste komplette Werk von Nissan in den USA. Die amerikanische Automobilindustrie (Schwerpunkt Detroit) ging langsam aber sicher den Bach hinunter. Denn die Japaner verfügten über eine bessere Fertigungsstrategie, basierend auf Kaizen und Lean-Management usw.

Erst als die US-Firmen und auch die Europäer begannen, die Produktionsbedingungen der Konkurrenz zu studieren und zu verstehen, bekamen sie mit der Zeit ihre Probleme in den Griff. Die Qualität wurde verbessert, indem man die Qualitätssicherung in die Fertigung einbaute und sich nicht auf die kostenintensive Nachkontrolle konzentrierte. Die Kosten sanken, die Autos wurden besser und auch günstiger. Nach ein paar Jahren wurden die Japaner eingeholt, weil die Konkurrenz ihre Hausaufgaben machte, bevor sie völlig am Boden lag.

Wer profitierte davon? Alle! Weniger Ausschuss spart Rohstoffe, Energie und Material. Die höhere Qualität erfreut die Kunden und die Konkurrenz sorgt für günstige Preise. Gewinner auf der ganzen Linie, auch wenn sich niemand aus der Unterschicht ein Auto leisten kann. Aber das ist ja schließlich ein Luxusgut.
 
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