duckyisshiny schrieb:
1) Eine Zentralbank kann durch hohe Zinsen nur dann Preisstabilität herstellen, wenn die Ursache der Inflation auf zuviel Geld zurückzuführen ist. In diesem Fall ist die Ursache: enorm gestiegene Energiekosten. Da kann die Zentralbank gerne den Leitzins anheben, die Liquidität entziehen und dadurch die Wirtschaft abkühlen. Hat sie ihr Ziel erreicht? Nein, denn die Energiepreise sind relativ gesehen noch immer erhöht. Das ist so als wie wenn du einen Patienten, den du erschossen hast, als geheilt betitelst, weil ein toter Mensch kann keine Krankheiten haben.
Alles ein wenig arg verkürzt und vereinfacht, meinst du nicht? Die aktuelle Inflationssituation ist durch verschiedenste Überlappungen hochkomplex (Energiekrise, ja, aber auch extrem liquide Märkte, Fachkräftemangel etc. pp.). Einfach alles auf die Energiepreise zu schieben, greift mir persönlich zu kurz (zumal die Kerninflation ohne Energiepreise immer noch hoch ist). Aber für eine volkswirtschaftliche Diskussion ist dieser Thread vermutlich auch nicht der passende
duckyisshiny schrieb:
2) Der Aktienkurs ist sehr wohl sehr wichtig! Da viele Kreditvergaben den Aktienkurs berücksichtigen. Wenn du die letzten zwei Jahre mehr als sonst eingestellt hast und dieses Jahr größere Investitionen tätigen wolltest und in der Zwischenzeit deine Bewertung -50% ist, dann wird die Bank deinen Kredit unabhängig von Inflation auch nochmal neu bewerten und mitunter bist du gezwungen deinen Invest um 2-3 Jahre nach hinten zu schieben und Leute zu entlassen 🙃
Die Kurse verschiedenster Unternehmen sind durch ein Jahrzehnt maximal niedriger Zinsen und extrem lockerer Geldpolitik an allen Börsen dieser Welt enorm aufgeblasen. AMDs Marktkapitalisierung allein, um nur mal ein Beispiel herauszugreifen, hatte von 2017 ausgehend zeitweise eine Verachtzigfachung erfahren. Zugegeben, man bewegte sich vor Ryzen auch auf absoluten Ramschniveau, eine zwischenzeitlich deutliche Überbewertung ist aber dennoch sehr wahrscheinlich. Bei anderen Unternehmen sieht es nicht viel anders aus.
Diese Marktbedingungen haben dazu geführt, dass mit mehr Krediten jongliert wurde als jemals zuvor, sowohl in privaten als auch in öffentlichen Sektoren weltweit. Dass diese Bedingungen sich früher oder später wieder verschieben würden, war mitnichten absolut unabsehbar. Wenn man in diesem Umfeld also absolut rücksichtslos vorgeprescht ist und dafür jetzt kürzer treten muss, ist das in meinen Augen kein außergewöhnlich dramatischer Vorgang, sondern wird durch eine "Normalisierung" der Umstände hervorgerufen. Du würdest dich auch nicht über ein Pendel beschweren, das irgendwann wieder zurückschwingt, nachdem es mal in eine Richtung angestoßen wurde.
Unser Wirtschaftswachstum (in Deutschland und Europa) ist übrigens auch über sehr lange Zeit über die niedrigen Preise für russisches Pipeline-Gas quasi-subventioniert worden und der Wegfall dieses Marktfaktors bringt gerade auch jene Unternehmen jetzt in Schieflage, die in ihrer Kalkulation zwingend auf günstigbleibendes Gas angewiesen waren. Natürlich kann man hier nicht alle über einen Kamm scheren, aber wer keine Rücklagen hat, um diese Sondersituation zu überbrücken oder nicht genug Geld verdient, um wenigstens zeitweise entsprechend kompensieren zu können (bis eben, um bei meinem Bild zu bleiben, das Pendel etwas Momentum verloren hat), hat seine Unternehmung wirtschaftlich möglicherweise nicht auf hinreichend solide Beine gestellt.
Um aber wieder auf Intel zurückzukommen: Da muss man sich erstmal wohl keine Sorgen machen. AMD hat selbst dann noch tragbare Kreditkonditionen bekommen, als sie damals weit schlechter dastanden als Intel es heute tut.
duckyisshiny schrieb:
Aber ja … alles halb so wild … wir töten die Wirtschaft, um die Inflation zu bekämpfen 😎 smart!
Inflationsbekämpfung schwächt die Wirtschaft grundsätzlich, das ist ganz normal. Tötet es Unternehmen ... nunja, siehe oben.
Eine in einem "normalen" Inflationsszenario relativ wirksame staatliche Maßnahme wäre beispielsweise eine Erhöhung der Steuerlast, da sie ebenfalls Geld aus dem Kreislauf zieht und nachfragedämpfend wirkt. Fällt die Inflation, wie jetzt, mit einer sich anbahnenden Rezession zusammen, sieht das natürlich nochmal anders aus. Aber eine gebremste Nachfrage würde in solchen Umständen auch aufs Wachstum und damit in zweiter Runde auf die Bewertung von Unternehmen drücken, so wie es erhöhte Leitzinsen eben auch zwangsläufig tun. Kein Grund, melodramatisch zu werden.
