EU vs. Vista vs. Anti-Viren-Branche

Jirko Alex
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Je näher der finale Release von Windows Vista zu rücken scheint, desto harscher wird auch die Kritik an dem neuen Betriebssystem. Neben der Europäischen Union, die ein Auge auf die Entwicklung Microsofts geworfen hat, melden sich nun auch vermehrt Schwergewichte der Sicherheits-Software-Branche und melden massive Bedenken an.

So äußerte sich die EU im vergangenen Monat über einige der Sicherheitsfeatures des Windows-XP-Nachfolgers und kritisierte die Implementierung dieser, da der Nutzer auf diese Weise von vornherein auf Microsoft-Produkte zurückgreifen würde und die Lösungen dritter Software-Firmen ins Hintertreffen gerieten. In einer ganzseitigen Anzeige in der Financial Times schlug auch McAfee in diese Kerbe und beschwerte sich darüber, dass Hersteller von Sicherheits-Software keinen Zugang zum Kernel erhielten. Zudem sei die Implementierung von eigenen Sicherheitslösungen durch Microsoft, beispielsweise einer Firewall, die sich gegenüber Windows XP verbessert hat, sowie dem Spyware-Scanner Windows Defender und einem verbesserten Schutz der Benutzerkonten (User Account Control), wettbewerbsschädigend.

In der McAfee-Anzeige in der Financial Times heißt es weiter:

„Microsoft scheint sich eine Welt vorzustellen, in der eine große Firma nicht nur das Betriebssystem der meisten Computer kontrolliert, sondern auch die Sicherheit, die diese vor Viren und anderen Gefahren schützt. Wenn dieser Ansatz schief geht, dann geht er auf 97 Prozent aller weltweiten PCs schief.“

In der Tat erscheint die Vorstellung, einer Sicherheitslösung aus einer Hand, bedenklich. Zwar geht man auf Seiten Microsofts von einer sicheren Lösung aus, musste auf der „Black Hat“-Konferenz jedoch bereits die erste Offenlegung einer Sicherheitslücke hinnehmen. Zwar lud man speziell zum Erkennen von Sicherheitslücken, um diese bis zum Release des Betriebssystems ausmerzen zu können, eine umfassende Garantie kann jedoch nicht erwartet werden.

Dennoch haftet den aktuellen Vorwürfen der gleiche Beigeschmack an, wie auch dem jahrelangen Klagen einiger Softwareproduzenten wie RealNetworks, den Vertreibern des RealPlayers: Diese beschwerten sich über die Integration des Media Players sowie des Internet Explorers in Windows XP und warfen Microsoft eine Ausnutzung der eigenen Monopolstellung vor. Schließlich würden die Microsoft-Produkte so eher genutzt werden als dies der Fall wäre, wenn die entsprechende Software erst aus einer Auswahl herausgesucht und installiert werden müsste. Dass der vorgeworfenen „Verzerrung des Wettbewerbs“, wie dergleichen in diesem Fall genannt wird, entgegenspricht, dass auch der Internet Explorer durch zahlreiche bessere Alternative immer mehr verdrängt wird und sich Media-Player von Drittherstellern ebenso großer Beliebtheit erfreuen, bleibt unerwähnt.

Auch der Ansatz, das Betriebssystem im Auslieferungszustand bereits gegen Viren und Trojaner zu schützen, sollte im Kern nicht kritisiert werden. Solange der Schutz nicht vollkommen ist, und davon geht McAfee selbst aus, ist es nur wahrscheinlich, dass sich PC-Nutzer weiterhin alternative Software installieren. So zumindest beschreibt es Joe Pilchmayr, einer der wenigen Nicht-Kritiker des Sicherheitskonzeptes von Windows Vista. Als Sprecher des Sicherheitsanbieters ikarus befindet er, dass ein „vernünftiger Client“ immer einen Markt haben würde.

Im Gegensatz zu Symantec und McAfee hängt ikarus jedoch auch nicht maßgeblich von den Verkaufszahlen der Sicherheits-Software an den Endverbraucher ab. Vielmehr vertreibt ikarus große Sicherheitslösungen und pflegt unter anderem die Sicherheitssysteme der Telekom Austria.

Statt Windows Vista also mit Argwohn gegenüberzutreten, weil es möglichst alles können will und den unerfahrenen Nutzer so auch ohne sein Zutun schützt, könnte man es auch als Antrieb für externe Softwareentwickler sehen, bessere Produkte als die von Microsoft bereits integrierten zu programmieren. Bisher vermochten sie es laut eigener Werbung schließlich auch.

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