Linux: Debian 9 „Stretch“ löst „Jessie“ ab

Ferdinand Thommes
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Linux: Debian 9 „Stretch“ löst „Jessie“ ab
Bild: Debian

Debian 9 „Stretch“ löst heute nach rund 26 Monaten Debian 8 „Jessie“ als stabiles Debian Release ab. Die Images für 64-Bit sind gebaut, der Rest folgt sukzessive im Tagesverlauf. Wie immer ist das neue Release nach einer Figur aus dem Film Toy Story benannt. Stretch ist der Krake aus dem dritten Teil der Filmserie.

Wer Debian kennt, der weiß, dass eine Veröffentlichung des nach eigenem Anspruch „universellen Betriebssystems“ keine revolutionären Sprünge vollzieht oder allerneueste Software bietet. Das würde sich auch mit dem Anspruch an Sicherheit, den Debian vor sich herträgt, nicht vertragen. Der Universalität will Debian diesmal unter anderem mit der Unterstützung von zehn Architekturen nahekommen. Im Einzelnen sind dies amd64, arm64, armel, armhf, i386, mips, mips64el, mipsel, ppc64el und s390x.

Das universelle Betriebssystem

Seit dem Release von Jessie im April 2015 wurde nach langen Diskussionen die PowerPC-Plattform entfernt. Diese ist nun keine offizielle Release-Architektur mehr, bleibt aber weiterhin als Port verfügbar. Bei der i386-Architektur muss beachtet werden, dass hier mit Stretch ein i686-Prozessor ab der Pentium-Pro-Baureihe vorausgesetzt wird. Ausnahme ist der AMD-Geode-Prozessor, der als einziger noch mit i586 arbeiten wird. Das geht aus den Release Notes (PDF) hervor.

Frische Software

Wie gewohnt stellt GNOME auch bei Debian 9 den Standard-Desktop, der in Version 3.22 ausgeliefert wird. Als alternative Desktops stehen unter anderem Plasma 5.8, Xfce 4.12 und Mate 1.16. zur Auswahl. Darunter arbeitet ein langzeitunterstützter Kernel 4.9. Das ist für die Unterstützung aktueller Hardware ein großer Sprung zu dem bei Jessie verwendeten Kernel 3.16. Systemd wird als 232-25 ausgeliefert. Anwender, die Systemd meiden wollen, können dies über das Meta-Paket init tun, Upstart dagegen wird nicht mehr angeboten, das Paket wird entfernt.

Die GNU Compiler Collection (GCC) ist in Version 6.3 vertreten, PHP 7.0, Python 3.5 und Perl 5.24 sind aktualisierte Programmiersprachen. Weitere Pakete in Debian 9 sind LibreOffice 5.2, Firefox-ESR 52 und Chromium 59. Zudem markiert Stretch den Umstieg von Gnupg1 auf Gnupg2 und damit modernere Kryptographie-Verfahren sowie bessere Standardeinstellungen, eine modular ausgelegte Architektur und verbesserte Smartcard-Unterstützung.

Insgesamt sind seit der Veröffentlichung von Jessie 15.346 Pakete hinzugekommen, was zu einem Gesamtbestand von 51.687 Paketen führt. Im gleichen Zeitraum wurden 29.859 oder 57 Prozent des Bestands aktualisiert sowie 6.739 Pakete entfernt.

Wichtige Änderungen

Debian liefert mit Debian 9 als Datenbankverwaltung nun MariaDB in Version 10.1 anstelle von MySQL. Als Begründung heißt es, Debian vertraue der Einstellung zu Sicherheitsbelangen bei MariaDB mehr als denen von Oracle. Die Entwicklung bei MariaDB sei wesentlich transparenter, so die Entwickler. Anwender, die trotzdem bei MySQL bleiben möchten, können vor dem Upgrade auf Stretch auf MySQL aus Debian-Unstable aktualisieren und dank höherer Versionsnummer der Umstellung entgehen.

Eine weitere Änderung betrifft den X-Server. Dieser kann nun auch ohne Root-Rechte gestartet werden, da das Setuid-Bit nicht mehr gesetzt ist. Diese Sicherheitsmaßnahme wird derzeit nur vom Anmeldemanager GDM unterstützt. Alternativ kann X mittels des Befehls startx mit User-Rechten abgesetzt werden. Das Xorg.0.log wird dann in ~/.local/share/xorg/ geschrieben anstatt wie üblich in /var/log/.

Für viele Anwender, die Intel-Grafikchips verwenden, wird mit Debian 9 der Intel-Treiber nicht mehr installiert, die GPUs werden durch den Modeset-Treiber gesteuert. Dadurch kann es vorkommen, dass unfreie Firmware benötigt wird um alle Funktionen der Intel-Chips nutzen zu können.

Schlecht zu merken, aber immer gleich

Netzwerkschnittstellen erhalten unter Debian 9 neue Bezeichnungen. Die althergebrachten Namen eth0 oder wlan0 werden nicht mehr verwendet, da sie zu inkonsistent waren und sich die Bezeichner von Netzwerkgeräten ändern konnten. Die neuen Bezeichner wie etwa enp1s1 oder wlp2s0 sind zwar auf den ersten Blick weniger eingängig, bleiben aber konsistent. Diese Änderung gilt jedoch nur für Neuinstallationen, beim Upgrade von Jessie nach Stretch bleibt die alte Namensvergabe, die in /etc/udev/rules.d/ 70-persistent-net.rules festgeschrieben ist, erhalten.

75 Sprachen im Installer

Auch beim Debian-Installer (D-I) gab es Änderungen. So ist die grafische Variante des Installers nun auf allen unterstützten Architekturen Standard, der textbasierte Installer kann alternativ ausgewählt werden. Der Installer unterstützt jetzt 75 Sprachen komplett. Der D-I bringt verbesserte Unterstützung für eine Reihe von UEFI-Firmware und beherrscht nun auch die Installation mit einem 64-Bit-Kernel auf 32-Bit-UEFI-Firmware. UEFI Secure Boot ist noch nicht mit von der Partie, soll aber möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt des Stretch-Zyklus eingeführt werden. Der Installer unterstützt außerdem HTTPS, sodass Pakete von HTTPS-Spiegelservern heruntergeladen werden können.

Weniger Installationsmedien

Debian bietet keine Installationsmedien pro Desktop mehr an, die Wahl des Desktops (oder mehrerer) geschieht bei Stretch während der Installation durch das Programm Tasksel. Ab Stretch werden zudem keine kompletten CD-Sätze mehr angeboten. Diese fanden zuletzt kaum noch Abnehmer. Fortan werden komplette Image-Sets für DVDs für alle Architekturen sowie für Blu-Ray (BD) und Dual-Layer-Blu-Ray (DLBD) für amd64 und i386 bereitgestellt. Eine Ausnahme bildet hier ein auch weiterhin erstelltes Image mit Xfce, das mit rund 630 MByte noch auf eine CD passt. Zudem gibt es weiterhin die Net-Installer-Images, die unter 300 MByte bleiben.

Upgrade auf Stretch

Für ein Upgrade von Jessie auf Stretch sollte zuvor das bestehende System gesichert werden. Besonders durch die Umstellung von MySQL auf MariaDB und dem damit einhergehenden Wechsel des Datenbankformats kann es potentiell zu Problemen kommen, die ohne Backup schwer zu lösen sind. Die Release Notes halten ausführliche Anleitung für das Upgrade bereit. In jedem Fall macht es Sinn, vor dem endgültigen Umstieg durch Änderung der Quellenliste zuerst auf das letzte Point-Release Debian 8.8. zu aktualisieren und einen Neustart folgen zu lassen.

Jessie noch 3 Jahre unterstützt

Anwender, die nicht gleich umsteigen wollen oder können, müssen sich keine Sorgen machen. Jessie wird standardmäßig noch ein Jahr unterstützt. Danach übernimmt das Team von Debian-LTS und gewährt weitere Unterstützung bis Juni 2020. Mit dem heutigen Release, dessen finaler Schritt die Umbenennung des Testing-Repositories in Stable ist, öffnet sich ein neuer Release-Zyklus unter dem Namen Buster, der in Toy Story der Dackel des Protagonisten Andy ist. Debian-Unstable bleibt davon unberührt und behält wie immer seinen Namen Sid bei. Dabei handelt es sich um den Nachbarn von Andy, der so gerne Spielzeuge zerstört.

Mit der offiziellen Ankündigung der Veröffentlichung von Debian 9 Stretch ist am Sonntag Morgen zu rechnen.

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