Ausschuss Digitale Agenda: Experten warnen Bundestag vor Abschottung

Sven Bauduin
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Ausschuss Digitale Agenda: Experten warnen Bundestag vor Abschottung
Bild: inyucho | CC BY 2.0

Der Ausschuss Digitale Agenda des Deutschen Bundestages hörte Experten zum Thema „IT-Sicherheit von Hard- und Software“ an, die das Gremium ihrerseits vor einer Abschottung warnten. Die Expertenbefragung in Berlin widmete sich dabei vorrangig dem Ist-Zustand der IT-Infrastruktur Deutschlands und möglicher Sicherheitslücken.

Dabei sprachen sich mehrere Experten gegen eine Abschottung Deutschlands und den Ausschluss des chinesische Netzausrüsters Huawei bei Ausbau von 5G aus. Obwohl die Bundesregierung nach einer monatelangen Debatte entschied, dass das Unternehmen aus der Sonderwirtschaftszone Shenzhen nicht vom 5G-Ausbau der Bundesrepublik ausgeschlossen werden soll, regten sich zuletzt große Proteste gegen den 5G-Kurs innerhalb der Fraktionen von CDU/CSU und SPD.

5 Jahre Rückstand ohne Huawei

Nachdem sich bereits Vodafone-Konzernchef Nick Read während einer Veranstaltung in Brüssel öffentlich für eine Beteiligung von Vodafone und ZTE am 5G-Ausbau in Europa ausgesprochen und einen herstellerübergreifenden Ansatz von der Politik gefordert hat, ging Vodafone-Sicherheitschef Oliver Harzheim bei der öffentlichen Anhörung noch einen Schritt weiter und skizzierte die Folgen eines Ausschlusses von Huawei am Beispiel des eigenen Unternehmens.

Laut Harzheim habe Vodafonehochgerechnet, dass das für uns vielleicht einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren bedeutet, den wir benötigen würden, um das vorhandene Equipment umzubauen und 5G-ready zu machen“ und fügte bei seiner Anhörung vor dem Bundesausschuss hinzu, dass sich der daraus resultierende Verzug „im schlimmsten Fall“ sogar über einen noch längeren Zeitraum hinziehen würde. Dies begründete der Sicherheitsexperte mit der Strategie aller involvierten Provider, die „erst einmal die komplette 4G/3G-Technologie mit diesem Lieferanten zurückbauen müssten“, auf denen das geplante 5G-Netz basiere.

Da grundsätzlich die Provider einen sogenannten Single-RAN-Ansatz verfolgen, der bedeutet, dass man immer den gleichen Hersteller auf vorhandene Technologie aufbaut, einfach um Kompabilitäts- oder Qualitätsverluste auszuschließen, würde das für alle Provider bedeuten, dass sie erst einmal die komplette 4G/3G-Technologie mit diesem Lieferanten zurückbauen müssten, beziehungsweise umbauen müssten, bevor sie dann 5G-Technologie ausbauen würden.

Oliver Harzheim, Vodafone-Sicherheitschef

Bei dem heutigen Anteil an 3G-, 4G- und 5G-Netzwerkkomponenten von Huawei, würden alle beteiligten Unternehmen zuerst einmal „eine unheimliche Vorlaufzeit“ benötigen, um die bereits vorhandenen Anlagen zurück zurüsten und umzubauen, bevor diese überhaupt mit dem 5G-Ausbau beginnen könnten. Zudem sieht Oliver Harzheim Huawei auch qualitativ und technologisch im Vorteil, auch wenn andere Unternehmen zur Zeit aufholen würden.

Huawei mit deutlichem Qualitätsvorsprung

Ein Verzicht auf Huawei wäre zudem mit Qualitätseinbußen verbunden, sagte der Experte und fügte an, „Das ist auch ganz klar. In welchem Rahmen man die eindämmen kann, das würde dann tatsächlich in letzter Instanz erst die Praxis zeigen“. Zudem hätte Huawei noch immer „einen deutlichen Qualitätsvorsprung“ und würden zudem „wesentlich weniger Strom verbrauchen“, führte er aus.

Wir stellen fest, dass wir bei Komponenten von Huawei insbesondere dann, wenn wir sie im Radio-Access-Netzwerk draußen an den Masten einsetzen, immer noch einen deutlichen Qualitätsvorsprung haben. Wir stellen zum Beispiel heute fest, dass Komponenten im RAN von Huawei wesentlich weniger Strom verbrauchen.

Oliver Harzheim, Vodafone-Sicherheitschef

Abschottung ist nicht der richtige Weg

Isabel Skierka von der European School of Management and Technology GmbH fügte hinzu, dass China derzeit massiv in die eigene IT-Sicherheit investiere. Da man in Deutschland und Europa in vielen Bereichen sehr stark von ausländischen Technologien abhängig sei, könne Abschottung nicht der richtige Weg sein. Die Sachverständige plädierte vielmehr dafür die Kompetenzen in Deutschland und Europa massiv zu verstärken und regulatorische Anforderungen an IT-Sicherheit zu erhöhen.

Technologie als Machtmittel

Frank Rieger vom Chaos Computer Club e.V. sagte, „Wir leben in einer Welt, in der Technologie als Machtmittel eingesetzt wird“ und verwies darauf, dass technologische Souveränität auch unter widrigen Bedingungen gelten müsse. Deutschland und Europa hätten allerdings – bedingt durch fehlende Industriepolitik – bereits „ein großes Stück dieser Souveränität verloren“, so Rieger.

Die Sachverständigenliste (PDF), der Fragenkatalog (PDF) sowie die offizielle Stellungnahme (PDF) des BSI zur Anhörung des Ausschusses Digitale Agenda zum Thema „IT-Sicherheit von Hard- und Software als Voraussetzung für Digitale Souveränität“ können zudem heruntergeladen werden.