Roccat Kone XP Air im Test: Schlechte Sensorik für viel Geld und der Hersteller schweigt

Fabian Vecellio del Monego
175 Kommentare
Roccat Kone XP Air im Test: Schlechte Sensorik für viel Geld und der Hersteller schweigt

Bereits im August 2022 hatte die Redaktion von Roccat ein Testmuster der Kone XP Air erhalten, einem Hybrid aus Kone Pro Air (Test) und Kone XP (Test). Schnell stand fest: Das Produkt enttäuscht. Der Hersteller versprach Besserung per Update, eingetreten ist sie bis heute nicht. Die Zeit ist reif für einen Schlussstrich.

Probleme bei Mausrad, Polling-Rate und CPI-Genauigkeit

Zunächst einmal bat die Redaktion Roccat im August 2022 um eine Stellungnahme zu sich auch im ComputerBase-Forum mehrenden Beschwerden über Mausräder in aktuellen Mäusen des Herstellers: Diese neigen offenbar dazu, nach einigen Monaten der Verwendung beim Scrollen entweder kein, ein reduziertes, ein verstärktes oder gar ein inverses Signal auszugeben, was die Redaktion anhand zweier älterer Testmuster des Herstellers verifizieren konnte: der Kone Pure Ultra (Test) und der Burst Pro (Test).

Aber auch mit der neuen Kone XP Air gab es Probleme. Bei den ausführlichen Sensorik-Analysen, die beim Testen von Gaming-Mäusen auf ComputerBase eine Standard­prozedur darstellen, fiel das kabellose Modell mit diversen Unregelmäßigkeiten auf. In erster Linie war die USB-Abfragerate auch bei der Verbindung mit 2,4-GHz-Funk extrem instabil, was im Vergleich zu konkurrierenden Mäusen mit konsistenten 1.000 Hz zu einer bis zu viermal so hohen Latenz führte und sich auch negativ auf die Präzision auswirkte. Die Klicklatenz der Schalter stieg damit einhergehend ebenfalls an.

Ein weiteres Problem stellte eine unverhältnismäßig hohe CPI-Deviation von über 8 Prozent dar: Wurden beispielsweise 1.600 CPI eingestellt, arbeitete die Kone XP Air mit rund 1.750 CPI. Und auch in weiteren Punkten offenbarten die Messungen zahlreiche Mängel, die bei einem PixArt PAW-3370 und der hohen unverbindlichen Preisempfehlung von 170 Euro so nicht auftreten sollten. Dabei traten die beschriebenen Probleme konstant an verschiedenen Rechnern auf und auch eine Relokalisierung des USB-Dongles und ein Wechsel des Mauspads schufen keine Abhilfe.

Roccat zeigt sich vermeintlich kooperativ

Kein anderer Tester berichtete jedoch zu diesem Zeitpunkt von den Unstimmigkeiten. ComputerBase sah folglich von einer vermeintlich verfrühten, negativen Berichterstattung ab und trat mit dem Sachverhalt an Roccat heran – mit dem Ziel, eine konstruktive Analyse und letztlich eine Lösung des Problems herbeizuführen. Es folgte ein sich über Monate streckender E-Mail-Austausch, Ergebnisse gibt es aber nach wie vor nicht.

Auf den Sachverhalt erstmals angesprochen, gab Roccat im September 2022 zu verstehen, die Polling-Rate- und CPI-Unstimmigkeiten intern reproduzieren und prüfen zu wollen, bevor die Redaktion eine Stellungnahme erhalten sollte. Ende September 2022 hieß es zur Mausrad-Thematik nur knapp: „Es wird keine Stellungnahme geben.“ Zu den Sensorik-Problemen gab es ebenfalls keine Informationen, aber der zu Turtle Beach gehörende Hersteller gab zu verstehen, dass eine neue Firmware Abhilfe schaffen solle. Die neue Firmware-Version 1.04 kam, änderte jedoch in dieser Hinsicht nichts. Darauf angesprochen kündigte Roccat an, den Sachverhalt erneut prüfen und sich anschließend melden zu wollen.

Ein anderer Test bestätigt die Unstimmigkeiten

Ende Dezember 2022 erschien dann wiederum ein erster ausführlicher Test der Kone XP Air, in dem die von der Redaktion erkannten Probleme ebenfalls auftraten und analysiert wurden. TechPowerUp bescheinigte der Maus mit aktueller Firmware eine „entsetzliche“ Polling-Rate-Stabilität, attestierte eine Bewegungsverzögerung im drahtlosen Betrieb, wies auf die „erheblichen“ CPI-Abweichungen hin und monierte überdies eine „fehlerbehaftete und ressourcenintensive“ Software. Das Fazit las sich entsprechend negativ, vom Kauf der Kone XP Air wurde abgeraten.

Overall, I'm simply baffled by the Kone XP Air. Despite being priced like a premium product, the performance to match this pricing is nowhere to be found. [...] As a comedic effort, I can appreciate ROCCAT charging $169.99 for the Kone XP Air, but even at half of that, I'd steer clear of this mouse.

TechPowerUp zur Kone XP Air

ComputerBase konnte dieses Fazit uneingeschränkt unterschreiben und schloss gedanklich mit einem eigenen ausführlichen Test ab. Allerdings wurde Roccat erneut um eine Stellungnahme gebeten.

Roccat schweigt

Auf den Test von TechPowerUp angesprochen, stellte der Hersteller Anfang Januar 2023 einmal mehr in Aussicht, die erläuterten Unregelmäßigkeiten prüfen zu wollen und hielt die Redaktion an, mit einer Veröffentlichung abzuwarten. ComputerBase werde „selbstverständlich auf dem Laufenden gehalten“, hieß es. Es war zu diesem Sachverhalt der letzte Kontakt zu Roccat, der Hersteller hat sich nicht mehr gemeldet. Dabei hatte die Redaktion Roccat unmissverständlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass die anhaltenden Probleme und der Umgang des Herstellers mit diesen ultimativ noch zur Sprache kommen werden. Gesagt, getan.

Wenig überraschend kämpft die Kone XP Air auch Ende April 2023 mit allen geschilderten Problemen; Besserung im Vergleich zum Zustand im August 2022 gibt es nicht. Wieso es überhaupt zu den Unstimmigkeiten kommt, ist nach wie vor ungeklärt, Roccat schweigt sich diesbezüglich aus. Vom Kauf der Maus rät auch ComputerBase damit am Ende öffentlich ausdrücklich ab. Zwar funktioniert die Kone XP Air und lässt sich durchaus auch zum Spielen verwenden, aber die Konkurrenz bietet zum Preisniveau von rund 150 Euro nicht nur technisch einwandfreie Sensorik, sondern insgesamt überlegene Produkte an, beispielsweise in Form der Razer Basilisk V3 Pro oder der Logitech G502 X Plus.

Roccat Kone XP Air
Produktgruppe Mäuse, 28.04.2023
  • Sensorik
  • Primärtasten & Mausrad
    O
  • Oberfläche & Verarbeitung
    O
  • Gleiteigenschaften
    +
  • Software
    O
  • Optomechanische Primärtasten
  • Viele, meist sinnvoll platzierte Zusatztasten
  • Sekundärbelegung aller Tasten möglich
  • Flexibles Kabel und PTFE-Gleitfüße
  • Für den PAW-3370 erschreckend schlechte Sensorik
  • Extrem instabile USB-Abfragerate bei 2,4-GHz-Funk
  • Hohe CPI-Deviation
  • Niedrige Akkulaufzeit bei aktivierter RGB-Beleuchtung
  • Kleine, schlecht unterscheidbare und etwas scharfkantige Daumentasten
  • Wenig Platz für breite Daumen
Technische Spezifikationen zur Maus

ComputerBase hat eigene Schlüsse aus dieser Odyssee gezogen, die zu Anfang schnell Klärung bringen sollte, dann aber immer länger gedauert hat: Werden Produkte bereits verkauft, wird die Redaktion in Zukunft enge Fristen setzen, um Käufer von einer vor einer potentiellen Fehlinvestition bewahren, oder den Hersteller zur schnellen Lösung bewegen zu können.

Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.

25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.