milliardo schrieb:
Ich habe nirgends geschrieben, dass es für Apple Konsequenzen hätte, sondern nur aufgezeigt dass die geplanten Veröffentlichungen durchaus auch deutsches Recht verletzen könnten, wenn Wikileaks bei ihrer Veröffentlichungsstrategie bleibt absolut alles zu veröffentlichen, egal ob es sich um brisantes Material handelt oder nur das Bedürfnis nach Klatsch und Tratsch nachkommt.
Ich halte Whistleblowing Plattformen zwar für notwendig, kritisier aber die Entwicklung, die Wikileaks durchläuft, aufs Schärfste.
Meiner Meinung nach sollte eine solche Plattform viel mehr im Hintergrund agieren. Allerdings habe ich bei Wikileaks den eindruck, man sei einem Veröffentlichungswahn verfallen und zunehmend mehr auf den damit verbundenen medialen Hype aus.
Du hast in deinem Post investigativen Journalismus angesprochen. Sicher dieser ist in den vergangenen Jahren in eine Krise geraten, deren Ursache ich in der Schnellebigkeit und der geringen Halbwertzeit von Informationen sehe. Die Zeit vernünftige Arbeit zu leisten bleibt nicht mehr. Aber das was Wikileaks zum Teil betreibt hat mit investigativem Journalismus nichts mehr zu tun. Denn das bedeutet auch Verantwortung zu übernehmen. Und wenn man sieht wie sich Assange, der sich medial selbt immer mehr in den Vordergrund stellt, mit der Kritik umgeht, Klarnamen und Personenbeschreibungen zu veröffentlichen, die durchaus eine ernsthafte Gefahr für die Betroffenen darstellen, zeigt mir das, dass man sich von wichtigen Grundsätzen verabschiedet hat. Hier wollte man einfach nur eine schnelle Veröffentlichung zu Lasten der Sorgfalt und Sicherheit vorantreiben. Nur wenn man so etwas tut, sollte man auch die Verantwortung dafür übernehmen.
Darüber hinaus sollte eine solche Plattform neutral sein und allen Medien eine Berichterstattung ermöglichen. Durch das Abschließen von Exclusivverträgen mit großen Verlagen fördert man allerdings eine Monopolstellung. Durch die enge Kooperation und den Exclusivverträgen mit dem Guardian, New York Times und dem Spegel gibt man diese Neutralität auf.
Darüber hinaus wertet und kommentiert man das Material, wie die Beispiele von Collateral Murder und dem Chef eines afghanischen Radiosenders zeigen. Das ist aber nicht die Aufgabe von Wikileaks, zumal ihnen dafür die Ressourcen fehlen um die dafür notwendige gründliche Recherche zu leisten.
Ein zentraler Kritikpunkt liegt für mich allerdings in der Bedeutung des Begriffs Whistleblowing.
1.Brisante Enthüllung: Ein Whistleblower enthüllt nicht tolerierbare Gefahren, Risiken und Fehlentwicklungen, Korruption, Verstöße gegen internationale Abkommen, die das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft oder die Umwelt bedrohen.
2.Selbstlose Motive: Er handelt nicht aus Eigennutz, sondern aus Sorge um das Wohlergehen der Mitmenschen und den Erhalt der Umwelt.
3.Alarm schlagen: Er bringt Missstände an seinem Arbeitsplatz zur Diskussion. Wenn die Firma bzw. die Behörde nicht angemessen reagiert, geht er an die Öffentlichkeit.
4.Bedrohung der Existenz: Er geht ein hohes Risiko ein, setzt seine berufliche Karriere oder gar seine Existenz aufs Spiel.
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Whistleblower
Das sind für micht die wesentlichen Aufgaben von Whistleblowing. Auch dem wird Wikileaks nicht mehr gerecht. Viele veröffentlichte Dokumente erfüllen eben diese Kriterien nicht, sondern bedienen das allgemeine Bedürfnis nach Klatsch, Tratsch und Sensationsgier.
Wie zum Beispiel dieses hier:
http://www.welt.de/politik/ausland/...aks-Rufmord-an-Gaddafis-Krankenschwester.html
oder dieses hier:
http://www.welt.de/politik/ausland/...kende-Pager-Nachrichten-des-11-September.html
Auch viele der veröffentlichten Depeschen erfüllen diese Kriterien nicht. Daher bekomme ich zunehmend mehr den Eindruck, dass man zunehmend mehr auf eine große mediale Aufmerksamkeit setzt und das sollte meiner Meinung nicht das Ziel einer solchen Plattform sein. Sicher die Medien tragen auch viel dazu bei, indem sie das bis zum letzen ausschlachten, aber Wikileaks trägt mit der Veröffentlichung eben auch Verantwortung, die sie nur all zugern zurückweisen. Eine gewisse Komik hat es schon, dass ausgerechnet Assanges Anwalt eine Untersuchung erwirken möchte, wie den die Vernehmungsprotokolle und die Untersuchungsakten zu Assanges Fall an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Ich heiße diese Veröffentlichung nicht gut, aber es wundert mich schon dass ausgerechnet Assange sich darüber aufregt. Sicher hier wurden Dinge über die Privatperson Assange veröffentlicht, aber genau das hat bei der eigenen Organisation selbst nicht unterbunden. Kritik darüber wurde von ihm abgetan.
Darüber hinaus hat man sich auch von einem wichtigem Grundsatz verabschiedet, indem man sich entschieden hat einen Teil der dokumente über den kommerziellen anbieter amazon zu hosten (ist zwar mitlerweile Geschichte aber das ist ein anderes thema) so dass es für einen Geheimdienst ein leichtes ist, herauszufinden von wem und wann die Seite aufgerufen wird.
Wikileaks hält mit seinen Informationen ein hohes Maß an Macht in den Händen. Aber nach welchen Kriterien wird veröffentlicht, auf welchen Weg werden Etnscheidungen getroffen, gibt es Prioritäten bei der Veröffentlichung usw. Wenn jemand über so viel Macht verfügt sollte er sich auch einer gewissen Transparenz unterwerfen zudem man sie ja von anderen vehement einfordert. Aber Wikileaks ist alles andere als transparent.
Sicher Wikileaks ist auch von der Masse der Dokumente, die sie mittlerweile erhalten haben,
überrollt worden, aber sie haben es schlicht versäumt, sich neu aufzustellen, strukturen anzupassen usw. Dies wurde auch von einigen Mitgründern heftig kritisiert.
Wie gesagt grundsätzlich begrüße ich Whistleblowing Plattformen, allerdings sollten sie sich ihrer Verantwortung bewusst sein, transparent und demokratisch organisiert sein, sich neutral verhalten und sich auf das Wesentliche konzentrieren und nicht pure Sensationslust befriedigen. Und genau das alles vermisse ich bei Wikileaks.