[Leserartikel] Projekt 2026: IBM ThinkPad T42 – 32-Bit Überlebenskampf mit Stil

Projekt 2026: IBM ThinkPad T42 – 32-Bit Überlebenskampf mit Stil​


Kürzlich konnte ich ein altes IBM ThinkPad T42 in schönem Zustand für 40 Teuronen ergattern. Daraus entstand die Idee: "Wie weit kommt man mit 32-Bit im Jahr 2026?" Gleich vorweg: Nicht arg weit, aber es geht! Finanziell ist das Ganze natürlich Liebhaberei – ein reines Spaß- und Lernprojekt.

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1. Die Ausgangslage​


Ab Werk war Windows XP auf einer 40-GB-HDD installiert, begleitet von lediglich 1 GB RAM. Für heutige Zwecke ist das eine offensichtliche Sackgasse. Um dem Klassiker neues Leben einzuhauchen, musste die Hardware ans Limit gebracht werden.

Wer Linux kennenlernen möchte, ist mit einem alten Notebook übrigens gut beraten. Es ist kostengünstig, man kann kaum etwas kaputtmachen und es verschwindet bei Nichtgebrauch einfach in der Schublade. Tipp: Für den produktiveren Einstieg zu 64-Bit-Modellen wie X220/230 oder T420/430 greifen, die gibts oft auch für ein Appel und ein Ei.

2. Das Hardware-Upgrade​

  • IDE-zu-mSATA-Adapter: Ich habe den Delock 62495 genutzt. Er ist zwar kostspielig, aber ich wusste, dass er UDMA-Modi und Trim-Kommandos sauber unterstützt. Zudem ist der Spannungsregler von 5V auf 3,3V hochwertig. Es gibt günstige China-Adapter auf eBay, die mit Glück funktionieren, oft aber mechanisch gar nicht erst in den Schacht passen.
  • SSD: Eine mSATA-SSD von Transcend (günstig und zuverlässig). Größe beliebig ab 32 GB (das BIOS unterstützt 320 GB AFAIK).
  • RAM: Das physikalische Maximum von 2 GB (2x 1024 MB DDR-SODIMM). Ich empfehle Markenmodule wie SK Hynix, Samsung oder Crucial/Micron. 400-MHz-Riegel (PC3200) funktionieren, laufen aber systembedingt nur mit 333 MHz (PC2700).

3. Die CPU-Falle (FSB400 vs. FSB533)​


Ein CPU-Upgrade ist theoretisch möglich, aber die "Top-Modelle" sind fast unauffindbar. Man benötigt zwingend einen Pentium M Dothan mit FSB400 (M755 mit 2,0 GHz oder M765 mit 2,13 GHz). Die weitaus häufigeren Pentium M mit FSB533 (aus dem Nachfolger T43) laufen hier nicht (oder mit zu geringem Takt). Während man die 533er-Modelle auf eBay für 10 € nachgeworfen bekommt, sind die schnellen FSB400-Varianten extrem selten. Mein Thinkpad hat eine CPU mit 1,7 GHz - ein brauchbarer Kompromiss.

4. Die Software: Welches OS rettet 32-Bit?​


Im Folgenden setze ich Grundkenntnisse in Linux voraus, bitte aber gleichzeitig um Tipps und Anregungen, da meine Optimierungen sicher nicht perfekt ausgearbeitet sind. Kommentare erwünscht, so lässt sich einiges bestimmt noch verbessern.

Nach Tests mit OpenBSD, antiX, Alpine Linux und MX Linux bin ich bei Q4OS mit dem Trinity-Desktop (TDE) gelandet. Trinity (ein Fork von KDE 3.5) passt optisch wie die Faust aufs Display zur Hardware-Ära und läuft im Vergleich zu XFCE 4.20 auf MX Linux spürbar flüssiger.

Q4OS ist unkompliziert zu installieren, wer schonmal irgendeine Distri ausprobiert hat, sollte damit gut zurechtkommen.

5. Hardware-Konfiguration​


Ultra-DMA-Modus für SSD aktivieren​


Um den UDMA-Modus für die SSD zu erzwingen, ist ein Kernel-Bootparameter nötig:

Bash:
sudo nano /etc/default/grub
# Zu den Bootparametern hinzufügen:

GRUB_CMDLINE_LINUX_DEFAULT="... libata.force=1.00:udma5 ..." 
sudo update-grub

Nach Reboot prüfen mit:
Bash:
hdparm -i /dev/sda

SSD-Pflege (TRIM):
Bash:
sudo fstrim -v /
(alle paar Wochen ausführen reicht, je nach Nutzungsintensität)

Der Radeon-Grafik-Hack (Mesa-Fix)​


Die (sehr) alte Radeon-Grafikkarte wird zwar erkannt, aber bei den aktuellen Distributionen ist kein Mesa-Treiber mehr dabei. Was etwas seltsam ist, denn da werden einerseits alte 32-Bit-Distributionen gepflegt, aber dann (angeblich) zu alte Treiber ausrangiert?
Wie auch immer, die meisten T42 haben eine ATI Mobility Radeon 7500 GPU, mit RV200 Chipsatz: https://www.thinkwiki.org/wiki/ATI_Mobility_Radeon_7500
Den letzten funktionierenden Treiber extrahieren wir aus einem Debian-Archiv: Treiber-Download

Bash:
dpkg x libgl1-mesa-dri_18.2.8-2~bpo9%2B1_i386.deb libgl1
sudo cp libgl1/usr/lib/i386-linux-gnu/dri/radeon_dri.so /usr/lib/i386-linux-gnu/dri/

X-Server Konfig erstellen (/etc/X11/xorg.conf.d/20-radeon.conf):
Code:
Section "Device" 
Driver "radeon"
Identifier "ATI Radeon 7500"
Option "ChipID" "0x4c57"
Option "AccelMethod" "EXA"
Option "DRI" "2"
EndSection

Mesa-Loader zwingen: In /etc/environment die Zeile MESA_LOADER_DRIVER_OVERRIDE=radeon einfügen. Prüfung mit glxinfo | grep render sollte ergeben:
Code:
direct rendering: Yes
OpenGL renderer string: Mesa DRI R100 (RV200 4C57)

zRAM​


Hier habe ich lange überlegt. Aber da wir nur 2 GB RAM haben und eine eher gemütliche SSD (mSATA via PATA-Adapter ist halt kein PCIe-Porsche) denke ich, daß man auslagern in SWAP möglichst vermeiden will. Und der Pentium M müsste genug Bumms haben um mal eben ein paar Pages zu komprimieren. Also her mit den zram-tools:

Bash:
sudo apt install zram-tools
Konfiguration in /etc/default/zramswap:

ALGO=lzo-rle PERCENT=50 PRIORITY=100

sudo systemctl restart zramswap
sudo systemctl enable zramswap

Swappiness anpassen:
Code:
echo 'vm.swappiness=80' | sudo tee -a /etc/sysctl.d/99-swappiness.conf

Nach reboot prüfen:
Code:
zramctl
swapon --show

Zwar habe ich keine Benchmarks um die Wirksamkeit zu belegen, aber die Konfiguration läuft subjektiv "gut".

6. Das Browser-Problem: SSE2 ist das Limit​

Der kritischste Punkt: Chromium-basierte Browser laufen nicht, da dem Pentium M die SSE3-Unterstützung fehlt. Es bleibt nur Firefox-ESR (Palemoon habe ich ausprobiert, lief aber auch nicht besser als Firefox).

Mit ein paar Optimierungen (uBlock Origin, Deaktivierung von Smooth-Scrolling) ist Firefox-ESR halbwegs nutzbar, und folgende Tweaks setzen:

"about:config" in der Adresszeile eingeben und eintragen:

Code:
browser.cache.disk.enable false
browser.cache.memory.enable true
browser.cache.memory.capacity 102400
layers.acceleration.force-enabled true
webgl.force-enabled true accessibility.force_disabled 1

7. Desktop-Tweaks​


Im "Welcome-Screen" von Q4OS kann man unter dem Punkt "Switch Start Menu" das Startmenu ändern (wer hätts gedacht :D ). Das Voreingestellte ist arg sperrig und braucht viele Mausklicks um auch nur eine Anwendung zu finden und zu starten. Mit "Kickoff + Q4OS" ist das wesentlich angenehmer. Freilich Geschmackssache, muss jeder selbst ausprobieren, was am besten gefällt.

Über das "Settings-Menu" von Trinity kommt man ins "Control Centre" (Kontrollcenter), da muss man sich durcharbeiten und alle grafischen Effekthaschereien ausschalten, die Radeon 7500 (von 2001!) ist halt schnell überfordert. Ein paar Effekte kann man sich durchaus gönnen, ist halt auch Geschmackssache.

8. Youtube & Medien: Der Browser-Bypass​


YouTube im Browser ist eine Diashow. Die Lösung: SMTube + SMPlayer.
Hierbei dient SMTube als schlanker Browser für die YouTube-Suche. Sobald man ein Video anklickt, wird nicht die Webseite geladen, sondern der Videostream direkt an den SMPlayer (und dessen hocheffizientes Backend mpv) übergeben.

Bash:
sudo apt update
sudo apt install smplayer smtube

Da YouTube ständig seine Signaturen ändert, ist die yt-dlp Version in den Debian-Paketquellen meist veraltet, was zu einem HTTP 403 Forbidden Fehler führt. Also brauchen wir die aktuellste Version von yt-dlp, wir müssen die Version aus dem Repository durch die aktuellste Version direkt von den Entwicklern ersetzen:

Code:
sudo wget https://github.com/yt-dlp/yt-dlp/releases/latest/download/yt-dlp -O /usr/local/bin/yt-dlp
sudo chmod a+rx /usr/local/bin/yt-dlp sudo ln -s /usr/local/bin/yt-dlp /usr/bin/yt-dlp

Einstellungen für SMPlayer:
  1. Allgemein -> Video: Ausgabetreiber auf xv (0 - Radeon Textured Video).
  2. Leistung: Frames überspringen aktivieren / Skip-H.264-Loop-Filter auf Skip (always).
  3. Unter Einstellungen -> Netzwerk: Qualität auf 360p / Support application auf yt-dlp.
  4. Unter Einstellungen -> Netzwerk muss bei "Unterstützung für Video-Seiten" yt-dlp ausgewählt sein.
  5. Ebenso in Netzwerk die bevorzugte Qualität auf 360p stellen.
  6. Unter Leistung: "Frames überspringen" aktivieren und "Skip-H.264-Loop-Filter" auf Skip (always) stellen.
Jetzt sollte alles richtig konfiguriert sein und wir können smtube (unser Youtube-Browser) starten. Da knallt uns eine Fehlermeldung entgegen, das ist aber nicht schlimm Mit Klick auf "youtube.com" können wir direkt auf der Seite von youtube browsen und suchen.
Das Wunschvideo mit Rechsklick anwählen und "Play with SMPlayer" auswählen. Popcorn aus der Mikrowelle holen, voila :)

9. Synaptics Touchpad​


Beim automatisch installierten libinput-Treiber funktioniert Zwei-Finger-Scrollen mit dem Touchpad nicht (vielleicht kann man das irgendwie konfigurieren). Ich habe jedenfalls den synaptics-driver installiert:

Bash:
sudo apt install xserver-xorg-input-synaptics

Die Datei /etc/X11/xorg.conf.d/50-synaptics.conf erstellen:

Code:
Section "InputClass"
        Identifier      "Touchpad"                      # required
        MatchIsTouchpad "yes"                           # required
        Driver          "synaptics"                     # required
        Option          "MinSpeed"              "0.5"
        Option          "MaxSpeed"              "0.7"
        Option          "AccelFactor"           "0.075"
        Option          "TapButton1"            "1"
        Option          "TapButton2"            "2"     # multitouch
        Option          "TapButton3"            "3"     # multitouch
        Option          "VertTwoFingerScroll"   "1"     # multitouch
        # Option          "HorizTwoFingerScroll"  "1"     # multitouch
        Option          "VertEdgeScroll"        "1"
        Option          "CoastingSpeed"         "8"
        Option          "CornerCoasting"        "1"
        Option          "CircularScrolling"     "0"
        Option          "CircScrollTrigger"     "7"
        Option          "EdgeMotionUseAlways"   "1"
        Option          "LBCornerButton"        "8"     # browser "back" btn
        Option          "RBCornerButton"        "9"     # browser "forward" btn
EndSection

Und in /etc/X11/xorg.conf.d/60-libinput.conf alles auskommentieren was mit dem Touchpad zusammenhängt:

Code:
#Section "InputClass"
#       Identifier "libinput touchpad catchall"
#       MatchIsTouchpad "on"
#       MatchDevicePath "/dev/input/event*"
#       Driver "libinput"
#       Option "Tapping" "true"
#       Option "ScrollMethod" "edge"
#       Option "AccelSpeed" "0"
#EndSection

Fazit: Lohnt sich 32-Bit im Jahr 2026?​


Das Projekt "T42" ist für mich eine Reise in eine Zeit, in der Laptops noch Charakter hatten und man nicht durch geplante Obsoleszenz, sondern durch physikalische Limits gebremst wurde. Rein rational betrachtet ist ein 32-Bit-System heute ein Anachronismus. Aber als fokussierte "Distraction-Free" Schreibmaschine, für Retro-Gaming oder als lautlose Musik-Station ist das T42 dank SSD-Mod und Q4OS/Trinity immer noch absolut zu gebrauchen.

Warum man es trotzdem tun sollte:
  • Haptik: Das Tippgefühl auf der klassischen IBM-Tastatur ist auch nach über 20 Jahren ungeschlagen. Moderne Klapperbooks fühlen sich dagegen oft wie Spielzeug an.
  • Lerneffekt: Man lernt Linux-Internals auf eine Weise kennen, die man bei einem modernen "Install-and-Forget"-System nie anrühren würde.
  • Nachhaltigkeit: Es hat eine ganz eigene Befriedigung, Hardware vor dem Recyclinghof zu retten und zu beweisen, dass "alt" nicht "nutzlos" bedeutet.

Das T42 wird bei mir bleiben. Ein wunderbares Fenster in eine Ära, in der ein roter Punkt in der Tastatur noch die Welt bedeutete. 32-Bit lebt – man muss nur wissen, wie man es füttert!

to be continued..
 
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Also für 32bit-Retro muss man schon hart einen an der Waffel haben ... mit Sahne und Kirsche! :evillol:

Aber geil ist's allemal!

TRIM ist bei entsprechender Over-Provisioning nur äußerst selten nötig, aber schön, dass du es umsetzen konntest. Obwohl mir nicht klar ist, wie das mit IDE gehen soll. Braucht man dafür nicht AHCI?

Deine GPU ist doch mesa-amber? Guggst du vielleicht hier: github.com/Smu1zel/mesa-amber-debian
 
Ja, TRIM ist ein ATA-Befehl, es gab (früher!) sogar PATA-SSDs, das funktioniert also auch ohne AHCI-Modus.
Die GPU ist mesa-amber, stimmt. Aber im aktuellen Package ist der RV200-Treiber nicht mehr drin, das ist die Crux :/
Im Artikel sind noch viele Tippfehler, SORRY! Z.b. zwei Befehle in einer Zeile, oder die unnötig riesige synaptics-conf :(
Korrigiere ich morgen :)
 
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