Review: Günstiges Mikrofon (40€): Neewer NW-800 mit Phantomspeisungsinterface NW-100

IceRagequit

Ensign
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Heute habe ich mit meinem Kumpel das Neewer NW-800 an verschiedenen PCs und Audiointerfaces getestet:

Dabei haben wir uns natürlich gefragt wie eine System für 40€ (Mikrofon, Mikrofonständer, Kabel, Phantomspeisung) gegen ein System für über 300 € abschneidet. Außerdem wollten wir natürlich wissen, ob die Phantomspeisung des Neewer NW-100 etwas taugt.

Lieferumfang des Neewer NW-100:

Mikrofon
Popschutz
Windschutz
Spinne
Tischständer
Phantomspeisungsinterface mit Netzteil (NW-100)
2 XLR Kabel (eins auf 3,5er Klinke)

Wertigkeit der Materialien

Das Mikrofon ist aus Metall und wirkt durchaus wertig.
Die Spinne und der Ständerarm sind aus Plastik und Aluminium. Es funktioniert auf jeden Fall, der Ständerarm hält auch das Mikrofon gut vom Gewicht her, bei einigen Herstellern knickt hier der Ständer einfach weg. Lediglich die Stellschrauben drehen manchmal in den Gewinden durch, aber gut was will man für 40 € erwarten. In dieser Kategorie gibt es bei anderen Herstellern nur den Ständerarm zu kaufen.
Das Netzteil (18V bei 500 mA) des NW-100 wirkt nicht besonders wertig und wird im laufenden Betrieb sehr heiß, ich habe es mit einem alten Laptop Netzteil ersetzt.

Zwischenfazit: Aufbau funktioniert, Einrichtung ist selbsterklärend.

Klang:

Wir haben das Mikrofon also fertig aufgebaut und zunächst einfach an die Onboard Soundkarte des MSI X370 Pro Carbon (Realthek ALC 1220 Chip) angeschlossen. Hierbei gibt es einige interessante Beobachtungen:

Ohne Phantomspeisung des NW-100 kommt gar kein Signal an. (XLR -> 3,5er Klinke direkt)
Mit Phantomspeisung des NW-100 kommt ein angemessenes Signal bei einer Entfernung von wenigen Zentimetern (5 cm) zum Mikrofon am Computer an. Das Signal zu Rauschverhältnis ist hierbei durchaus akzeptabel.

In einer Entfernung von 50 Zentimetern allerdings, ist kaum noch etwas zu hören, das Signal fällt stark ab und nur mit extremer Signalverstärkung ist überhaupt etwas zu hören. Dabei gibt es ein starkes elektronisches Rauschen zu hören.

Von diesem Verhalten enttäuscht, haben wir uns also entschlossen einen Testparcour zu durchlaufen in welchem gerade die Distanzabhängigkeit betont wird:

Referenz:

Rode NT1A an Focusrite Scarlett 2i2

Tests:

Neewer an ALC 1220 (Onboard-Sound)
Neewer an Devil HDX (Powercolor Soundkarte)
Neewer an Focusrite Scarlett 2i2

Disclaimer:

Bei einigen Aufnahmen ist extremes Rauschen zu hören. Diese Aufnahmen wurden digital verstärk um überhaupt ein Signal zu hören.

Referenzsound:

Rode NT1A mit Focusrite Scarlett:

https://clyp.it/uowcz2f2

Man hört deutlich, dass der Sound viel Volumen und Tonumfang hat, das Signal zu Rausch Verhältnis ist gut und der Abfall des Signales in Relation zur Distanz ist in Ordnung. Es wurde keine digitale Verstärkung im Nachhinein eingesetzt.

Neewer an Focusrite Scarlett:

Das Neewer NW-800 ohne Zwischeninterface direkt am Scarlett.

https://clyp.it/qad1a0qe

Man hört ein durchaus gutes Mikrofon, das allerdings deutlich dumpfer als das Rode NT1A wirkt. Es bildet das wichtigste ab, aber die Nuancen fehlen. Geht man weiter weg, so fällt das Signal stark ab, durch einen Gain Regler kann das Scarlett diesen Signalverlust aber gut kompensieren.

Neewer an ALC 1220:

Das Neewer NW-800 mit dem NW-100 an dem Onboard Chip des MSI X370 Pro Carbon:

https://clyp.it/4rg1awpu

Wir mussten das Signal bei einiger Entfernung digital verstärken, das machen auch Programme wie Discord und Teamspeak. Wir haben das bei Teamspeak auch nachvollzogen: Hier ist ein starkes Rauschen im Hintergrund zu hören, falls man im Abstand von 50 cm zum Mikrofon sitzt.

Neewer an Devil HDX:

Die Devil HDX verfügt über keinen MIC-Boost und hat das Mikrofon lediglich auf der Daughter-Card der Hauptkarte angeschlossen.

https://clyp.it/c1qgkord

Der Sound klingt genauso gut/schlecht wie an der Onboardsoundkarte. Dies ist kein Wunder, ist das S:N Verhältnis des Mikrofons und die Spannung der beiden Ports doch sehr ähnlich. Auch hier haben wir die Sounds digital nachbearbeitet, um sie überhaupt hörbar zu machen.

Abstandstest:

Hier nochmal ein kleiner Abstandstest, um den Signalunterschied deutlich zu machen. Wir haben alle Signale sehr leicht angehoben, um das leiseste Signal noch zu hören:

https://clyp.it/wpikeam3

Fazit:

Pro:

- sehr günstig
- Komplettset mit Stellarm
- annehmbare Soundqualität
- Mikrofon NW-800 durchaus für den Preis überzeugend

Con:

- Kein Inputgain
- Schlechtes Signal zu Rausch Verhältnis bei größeren Abständen
- NW-100 mit keinen Einstellmöglichkeiten (außer an und aus) und mit Chinaböller Netzteil


Für 40€ bekommt man ein Set, das funktioniert. Das Mikrofon wird auch mit XLR auf 3,5er Klinke direkt angeboten, benötigt aber unbedingt mehr Volt als die normalen Mikrofonausgänge hergeben. Das Mikrofon fanden wir schlechter als das Rode NT1A (wie erwartet), aber für den Gelegenheitsstreamer, den Discordler oder Teamspeaker ist es okay. Wir geben aber folgendes zu bedenken: Will man weiter als 5 cm vom Mikrofon entfernt sprechen, so muss man sich auf jeden Fall noch ein Audiointerface für um die 40 € kaufen, welches auch einen Inputgain-Regler hat. Im Bereich von 75 € gibt es allerdings wieder (USB)-Mikrofonsets, die dieses Mikrofon vielleicht schlagen können. Wir sind also hin und her gerissen, ob wir dem Mikrofonset eine Kaufempfehlung geben sollten.
 
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Bist du dir sicher, daß der mitgelieferte Phantomspeisungsadapter nur 18 Volt liefert? Wenn das so ist wundert mich das schlechte Ergebnis überhaupt nicht.

In der professionellen Veranstaltungstechnik wird jedenfalls regulär bei Phantomspeisung eine Spannung von 48 Volt angenommen. Auch sämtliche mir bekannten professionellen Mischpulte liefern (wenn vorhanden) eine Phantomspannung von 48 Volt. Auch auf seiner Internetseite schreibt der Hersteller davon, daß dieses Mikrofon am besten mit einer Phantomspannung von 48 Volt arbeitet.

Ansonsten habt ihr meine Anerkennung für die Arbeit.

Nachtrag:
Was ist bei dem Fazit mit "Kein Inputgain" gemeint?
 
Nein, das Interface liefert laut Hersteller die vollen 48V Phantomspeisung. Es gibt aber keinen Inputgain. Was nützen selbst 48V, wenn ich das Signal nicht verstärken oder abschwächen kann?

Die 18V, 500mA sind die Ausgangsleistung des Netzteiles, das ich bemängelt habe :) . Ich habe das dazugeschrieben, falls sich jemand überlegt das System zu kaufen, aber das Chinaböller Netzteil zu ersetzen.
 
Ich habe mir die ganze Sache im Internet nochmal angesehen.

Das am Mikrofon selbst kein Regler für den Gain ist, ist zunächst einmal kein Kritikpunkt. Auch Mikrofone im professionellen Bereich weisen so etwas nicht auf. Das der NW-100 Phantomspeiseadapter keinen Regler für den Gain hat ist an sich auch kein valider Kritikpunkt, da er wohl ausschließlich als Phantomspeiseadapter konzipiert wurde. Solche Teile haben auch im Profibereich keinen Gainregler da das immer vom Mischpult bzw. externen Mikrofonvorverstärker übernommen wird.

Was man aber durchaus dem Gesamtsystem mit vollem Recht ankreiden kann ist, daß der generelle Pegel so schwach ist, daß man mit einer derart hohen Verstärkung gegensteuern muß. Das ist bei einem Mikrofon das vom Hersteller als "Professional Studio Broadcasting & Recording Microphone" beworben wird absolut inakzeptabel. Bei einem Kondensatormikrofon ist das Grund genug für die Disqualifikation.

Bitte fasse das jetzt nicht als Kritik am Review selbst auf. Als jemand der mit Veranstaltungstechnik sein Geld verdient und eben ausschließlich mit professioneller Tontechnik arbeitet habe ich nun einmal eine etwas andere Sichtweise.
 
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Nenn es dann, wie du willst, Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott!

Ich glaube wir sind einer Meinung. Das Signal müsste stärker sein. Wir hätten erwartet, dass entweder das Signal vom Mikrofon an sich stärker ist, sodass es für einen PC-Chip ausreicht oder dass man es nachregeln kann, z.B. an diesem Phantomspeisungsmodul.

P.S. Ich habe auch noch nie ein Mikrofon mit Gainregler gesehen :)
 
Danke für deinen Erfahrungsbericht!

Der Vergleich zum NT1-A ist ja mutig! Da hast du dir ausgerechnet ein Mikro mit 5dB(A) Eigenrauschen als Referenz rausgesucht :D

Interessant wäre es mal, die Samples per Equalizer anzugleichen.
Sprich, das Neewer per Equalizer an die Färbung des Rode anzupassen oder umgekehrt. Das NT1-A ist nämlich ein sehr helles Mikro mit betontem Treble. Daher wäre ggf. der "dumpfe" Eindruck des NW-800 zu erklären.

Ich empfehle in dem Zusammenhang insbesondere folgende Serie:


Wer die Zeit hat, sollte da unbedingt mal reinhören.
Dort wurde ein NW-700 (prinzipiell baugleich) mit einem AKG C4000B, CAD E-100 und einem Shure SM7B verglichen.
Die Samples wurden per EQ manipuliert. Mehr sage ich an der Stelle mal nicht ;)

Die Kostendifferenz von ganzen 300-500 Euro hört man in dem Grade eigentlich nicht raus.
Wenn man diese Mikros richtig befeuert, dann können sie - dafür, dass sie fast nichts kosten - eigentlich erstaunlich gut klingen.

Aber zurück zum eigentlichen Vergleich.

Beim kurzen Drüberhören über die Samples ist mir aufgefallen, dass die beiden Soundkarten gegenüber dem Scarlett deutlich präsenter klingen. Das Interface scheint mir die Stimme im direkten Vergleich etwas nasaler und dumpfer zu zeichnen.
Hast du mal überprüft, ob bei den Soundkarten ggf. irgendwelche Filter aktiviert waren, die dies hervorrufen könnten? Ansonsten würde ich davon ausgehen, dass diese per Design den Hochton etwas anheben, um den oft zu dumpfen Sound von Headset-Mikrofonen auszugleichen und die Verständlichkeit für VoIP zu verbessern. Das Phänomen könnte im gleichen Maße natürlich auch vom Neewer Vorverstärker ausgehen.

PS: wenn das NW-100 wirklich 48V liefert, dann müste der Gain vom Prinzip her eigentlich mit dem Scarlett mithalten können. Dass dies nicht der Fall ist, wäre denke ich ein Indiz dafür, dass es sich in der Tat um einen Chinaböller handelt :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Ohne das NW-800 selbst ausprobiert zu haben würde ich nach eurem Test sagen, daß man das Teil, wenn man es denn einsetzen will, mindestens an einem guten USB-Audiointerface (wie z.B. dem Focusrite Scarlett oder dem Steinberg UR22 MK2) betreiben sollte was dann auch die Phantomspannung liefert.

Angesichts der Schwächen im Frequenzgang stellt sich allerdings die Frage ob nicht ein kleines Mischpult mit USB-Schnittstelle und der Möglichkeit mit dem EQ den Frequenzgang etwas zu korrigieren trotz des höheren Preises die bessere Option wäre.
 
"Schwäche" ist relativ.
Die Frage der Entzerrung ist immer eine persönliche.

Was die sonstigen Parameter angeht, ist natürlich klar, dass das Mikro nicht mit der Auflösung und dem Rauschabstand eines professionellen Studiomikrofons mithalten kann. Für den vergleichsweise verschwindend geringen Preis finde ich es dennoch erstaunlich, was man bekommt.

Unter den Interfaces könnte man ggf. auch schon bei einem Behringer U-Phoria UMC 22 oder 202HD ansetzen. Das sind so ziemlich die günstigsten Interfaces, die man in dem Segment in Erwägung ziehen sollte.
Behringer genießt nicht immer den besten Ruf. Einige derer Interfaces sind aber gar nicht mal so schlecht, wie mancherorts behauptet.
 
Der Kabelbinder schrieb:
Der Vergleich zum NT1-A ist ja mutig! Da hast du dir ausgerechnet ein Mikro mit 5dB(A) Eigenrauschen als Referenz rausgesucht

Ganz ehrlich, das war das andere Großmembranmikro was wir da hatten :D.

Der Kabelbinder schrieb:
Hast du mal überprüft, ob bei den Soundkarten ggf. irgendwelche Filter aktiviert waren, die dies hervorrufen könnten?

Ich vermute ja. Ich habe aber alle Equalizer oder Effekte ausgestellt, dennoch machen die Soundkarten etwas mit dem Ton. Also, kann ich dir darauf keine Antwort geben. Wir wollten aber das Rode auch nicht an den "Chinaböller" anschließen, um das NW-100 weiter zu testen, das war uns dann doch zu heikel.
 
Mein Problem mit Behringer ist, daß man dort gerne Teile verbaut die dann doch ein klein wenig ZU billig waren.

Ein gutes Beispiel ist da der DEQ2496 Ultracurve Pro. Ich habe das Teil selbst im Einsatz und kann an sich nicht klagen. Das Teil macht das was es soll und hat ein wirklich gutes Preis/Leistungsverhältnis. Der Kritikpunkt sind aber die Klinkenbuchsen die im Gegensatz zu den XLR-Verbindungen nicht absolut sattelfest sind. Auch wenn es selten vorkommt, aber hier wurden definitiv ein paar Cent zuviel eingespart.

Ansonsten hat Behringer seinen schlechten Ruf vor allem in seiner Anfangszeit erworben. Da hatten die Jungs jedenfalls ein echtes Problem in der Qualitätssicherung. Klar, Behringer ist jetzt nicht unbedingt tourtauglich, aber im eher geschützten stationären Bereich kann man das Zeug, auch wenn es soundtechnisch besseres gibt, mittlerweile durchaus gut einsetzen.
 
Es kommt dabei ja immer auf den persönlichen Anspruch an.
Der eingefleischte Tontechniker hat für gewöhnlich ja schon ganz andere Kaliber gesehen (und gehört). Dementsprechend fallen dann meist auch die Urteile aus.

Aber auch hier muss man im Endeffekt wieder den Kosten-Nutzen-Faktor sehen. Für Einsteiger sind deren Geräte eigentlich vollkommen in Ordnung, so lange man nicht zum blutigsten Einsteigermodell greift.

Was die technischen Belange angeht, erwarte ich ebenso wenig, dass deren Interfaces oder Mixern (gerade in der Einsteiger- und Mittelklasse) mit absoluten Premium-Komponenten ausgestattet sind und durch außerordentlich hohe Qualitätskontrollen geleitet werden. Das lässt allein die Tatsache vermuten, dass sie mit den technischen Spezifikationen äußerst sparsam umgehen :p

You get what you pay for.
 
ThanRo schrieb:
Ansonsten hat Behringer seinen schlechten Ruf vor allem in seiner Anfangszeit erworben. Da hatten die Jungs jedenfalls ein echtes Problem in der Qualitätssicherung. Klar, Behringer ist jetzt nicht unbedingt tourtauglich, aber im eher geschützten stationären Bereich kann man das Zeug, auch wenn es soundtechnisch besseres gibt, mittlerweile durchaus gut einsetzen.

Ich denke auch, dass es heutzutage mit der modernen Digitaltechnik viel einfacher geworden ist, ein halbwegs vernünftiges Gerät für weniger Geld zu bauen. Das sieht man ja in vielen Bereichen, nicht nur bei Audio.
Deshalb waren günstige Behringer früher im Vergleich sicher viel schlechter.
 
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