Steam Link App im Test: Die Hardware per Software getötet

Update 2 Max Doll
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Steam Link App im Test: Die Hardware per Software getötet

tl;dr: Separate Hardware einfach durch eine kostenlose App ersetzen, geht das? Steam Link macht genau das und gräbt damit Streaming-Boxen und dem HTPC das Wasser ab. Denn die Software kann genau das, was die Hardwarelösung bisher auch kann: Steam-Spiele über ein lokales Netzwerk in das Wohnzimmer holen. Und sie kann noch mehr.

Spielen per App auf/über Android und iOS

Update

Eigentlich sollte die Steam Link App für iOS wie die für Android bereits seit dem 21. Mai im Apple App Store zur Verfügung stehen. Wer sie die letzten Tage suchte, wurde allerdings nicht fündig. Die Erklärung liefert jetzt Valve per Pressemitteilung.

Apple habe die Veröffentlichung mit Verweis auf Konflikte mit den Richtlinien im App Store untersagt. Das sei allerdings erst einen Tag nach Valves Ankündigung der App am 9. Mai erfolgt, obwohl die App am 7. Mai zuvor bereits freigegeben worden war. Valve hätte daraufhin argumentiert, die Steam Link App wäre im Kern nur ein einfacher Remote-Desktop mit LAN-Funktion wie es ihn von anderen Anbietern bereits im App Store gibt, Apple überzeugte das aber nicht. Damit bleibt der Steam Link App der App Store und damit iOS vorerst verwehrt.

Update

Einem Nutzer auf Reddit zufolge soll Phil Schiller, bei Apple verantwortlich für das Marketing, ihm gegenüber per E-Mail Stellung zur Ablehnung der Steam Link App im App Store bezogen haben. Schiller behauptet, die App und damit Valves Spiele und Dienstleistungen liebend gerne auf iOS und AppleTV zu sehen.

Die aktuell eingereichte Version wurde allerdings aufgrund von Verstößen gegen die App-Store-Regeln in Bezug auf von Nutzern generierte Inhalte oder In-App-Käufe abgelehnt. Apple hätte diese Themen allerdings inzwischen mit Valve besprochen und würde aktuell dabei helfen die, „Steam Experience“ doch noch auf iOS und Apple TV zu bringen.

Thank you for your email and being a customer of Apple products and the App Store. We care deeply about bringing great games to all of our users on the App Store. We would love for Valve’s games and services to be on iOS and AppleTV.

Unfortunately, the review team found that Valve’s Steam iOS app, as currently submitted, violates a number of guidelines around user generated content, in-app purchases, content codes, etc. We’ve discussed these issues with Valve and will continue to work with them to help bring the Steam experience to iOS and AppleTV in a way that complies with the store’s guidelines.

We put great effort into creating an App Store that provides the very best experience for everyone. We have clear guidelines that all developers must follow in order to ensure the App Store is a safe place for all users and a fair opportunity for all developers.

Sincerely,

Phil

Phil Schiller per E-Mail

Während ein Rechner also im Arbeitszimmer rendert und Signale als Videostream schickt, empfängt die App nun anstelle der Steam-Link-Box das Signal und überträgt Eingaben eines Controllers an den Rechner. Fertig ist eine Lösung, die Spiele nun ohne zusätzliche Kosten in das Wohnzimmer holt.

Vorausgesetzt wird lediglich ein Gerät mit mindestens Android 5.0 und bald auch iOS 10 (tvOS 10.3), was das Spielen auch auf Smartphones, Tablets und jeder Art von TV(-Box) mit den beiden Betriebssystemen erlaubt. Ist dann noch flottes WLAN im 5-GHz-Frequenzband oder eine kabelgebundene Verbindung nebst Bluetooth-fähigem Eingabegerät im Haus, steht dem Spielevergnügen nichts mehr im Wege, sagt Valve.

Damit kann die App sogar mehr als die Hardware: Die benötigte ein Endgerät mit HDMI-Anschluss, in der Regel einen Fernseher. Die App bringt Spiele hingegen jetzt auch auf Smartphones und Tablets.

Einfach, gut

Und das funktioniert tatsächlich? Sogar erstaunlich gut von der Ersteinrichtung an. Die erweist sich als unkompliziertes Geschäft. Nach der Einrichtung eines Bluetooth-Controllers (unter Android und iOS neuerdings auch der Steam Controller) scannt die App das Netzwerk nach Rechnern mit Steam, die Verbindung wird einfach über die Eingabe eines Codes hergestellt, wobei Tipps jeden Schritt begleiten. Anschließend kann das Streaming per Tastendruck gestartet werden – das geht selbst Laien flott von der Hand.

Drei Schritte zur Einrichtung
Drei Schritte zur Einrichtung (Bild: Valve)

Der Start der Übertragung versetzt den verbundenen Rechner noch immer in den Big Picture Modus von Steam und blockiert ihn so für weitere Tätigkeiten. Welches Betriebssystem dort genutzt wird, ist dabei egal; auch ein Windows-Rechner kann die Spieldaten auf iPhone und Co. senden. Nur die Netzwerkanforderungen sollten beachtet werden: Ein 2,4-GHz-WLAN ist definitiv nicht schnell genug zum Spielen, der Datenhunger tatsächlich hoch.

Sind die Voraussetzungen von Valve aber erfüllt, macht sie die App nur durch ihre reibungslose Funktion bemerkbar. Mehr als zwei Klicks sind nicht nötig, dann erscheint die Spielebibliothek im Wohnzimmer auf dem Fernseher. Was wirklich verblüfft, ist aber, dass sie sich dort auch vernünftig spielen lässt und zwar oberhalb von Konsolen-Standards in 1080p oder gar UHD-Auflösung bei 60 Bildern pro Sekunde.

Schnelle Shooter gehören weiter an den Schreibtisch

Die Latenzen bleiben dabei durchaus im Rahmen. Um klassische „Konsolenspiele“ in ihrer natürlichen Umgebung zu spielen, ist das völlig akzeptabel. Lediglich der Hardcore-Anwender wird nicht immer in jedem Spiel ganz zufrieden sein. Die fraglichen Titel, etwa schnelle Shooter, die mit Wettbewerbsgedanken gespielt werden, sind aber ohnehin auf Maus und Tastatur am Schreibtisch abonniert. Dort hinzugehen wird ansonsten aber weniger wichtig, da die Link-App auch den Desktop anzeigen kann und somit eine komplette Fernsteuerung erlaubt.

„Konsolenspiele“ wie Darksiders 2 sind ideal für Link
„Konsolenspiele“ wie Darksiders 2 sind ideal für Link

Für das Streaming auf den Fernseher braucht es allerdings entweder ein Modell mit Android oder eine TV-Box mit Googles oder Apples Betriebssystem. Während aber Android jedes Bluetooth-Eingabegerät akzeptiert, verlangt Apple nach MFi-Produkten und der Steam Controller soll laut Valve eines sein. Aber es gilt: Ohne das Zertifikat kein Betrieb, Xbox- und PlayStation-Controller müssen bei Apfel-Produkten trotz Bluetooth-Funk draußen bleiben und rufen dem Verbraucher „Vorzüge“ streng geschlossener Plattformen ins Gedächtnis. USB-Eingabegeräte – der einzige Unterschied zur Hardware-Link – lassen sich nämlich eher selten an TV und Tablet anschließen.

Auf Smartphones ein mäßiges Erlebnis

Dass bislang hauptsächlich von Fernsehern die Rede war, liegt in der Natur der Sache. Die App kann natürlich auch auf einem Smartphone mit Android oder iOS genutzt werden, nur ist das Ergebnis arg vorhersehbar. Mobile Begleiter können nicht als Zuspieler für das große TV-Display genutzt werden, die Devise heißt dann: Mit Controller auf dem Handy spielen, was, da ein lokales Netzwerk benötigt wird, an der Bildschirmdiagonale scheitert.

Selbst auf einen OnePlus 3 mit 5,5 Zoll Displaydiagonale bleibt die Darstellung von HUD und Co. zu winzig. Und da der Begleiter mit dem Controller bedient wird, muss er abgelegt oder in einer Halterung montiert werden, weil die Extremitäten das Eingabegerät halten. Hier macht sich das kleine Gehäuse durch ungünstige Handhabung bemerkbar. Schon besser funktioniert ein Tablet mit möglichst großer Diagonale, das sich an Gegenständen anlehnen lässt. Die Freiheit, im Haus nach Belieben zu spielen, wo immer es gerade bequem ist, hat dann durchaus etwas Magisches – Steam Link verwandelt Tablets in eine Nintendo Switch mit richtigen Spielen. Wobei es eher heißen müsste: Mit den richtigen Spielen, denn das Interface muss mit hohen Pixeldichten kompatibel oder weitgehend irrelevant sein. 4X-Strategiespiele von Paradox mit seitenlangen Menüs im Stile von Excel-Tabellen wollen sich auf viel Fläche ausbreiten.

Steam Controller wird wichtiger

Steam Link und jetzt die Link App machen leistungsfähige Hardware zum Spielen im Wohnzimmer in der Tat fast obsolet. Dass Valve Steam Machines als HTPCs praktisch aufgegeben hat, passt da ins Bild, werden sie doch im Wohnzimmer nicht (mehr) benötigt. Den Steam Controller (Test) wiederum kümmert das nicht. Valves Allzweckwaffe für den Angriff auf die Couch wird künftig wichtiger: Sie darf dank Firmware-Update nicht mehr nur über einen proprietären, sondern nun über den allgemeinen Bluetooth-Standard senden und wird damit zumindest unter Android fit für die App-Zukunft gemacht. Gewechselt wird zwischen beiden Betriebsmodi einfach per Tastenkombination („Steam“ + „Y“).

Drei Jahre nach der Erstveröffentlichung wird das Potential des Controllers darüber hinaus besser ausgeschöpft, was den Bedarf an Maus und Tastatur je nach Spiel sinken lässt. Ganz optimal wirkt das Pad aber noch nicht, es ist ein Kompromiss, für langes Spielen auch durch die Position des Thumbsticks und der ABXY-Tasten vor allem ergonomisch. Hier sind Xbox- und PS4-Controller einfach ein wenig bequemer und intuitiver – was vielleicht auch an der Macht von Gewohnheiten liegt.

Für Valves Wohnzimmer-Ambitionen markiert die neue App den zweiten Meilenstein nach dem Steam Controller. Für ihre Umgebung trägt sie einen gut sitzenden Maßanzug, die Stärke liegt in der Umsetzung, der einfachen Handhabung und dem Potential, einfach vorhandene Hardware nutzen zu können. Link als App kann (aber nur auf kompatiblen Endgeräten) das, was Link als Hardware kann, nur kostenlos.

Spielst du Steam-Spiele am TV?
  • Ja, per Streaming
    16,1 %
  • Ja, per lokalem System
    22,8 %
  • Nein
    61,0 %

Dem Multimedia-Zentrum so ohne Aufwand neue (Spiele-)Fähigkeiten zu spendieren, ist sexy, den Fernseher zur Konsole zu machen verblüffend konsequent. Denn die niedrigen Einstiegshürden, der Kosten- und Komfortfaktor mit der Lösung von einem Betriebssystem hat gute Chancen, sich in zahlreiche Wohnzimmer zu schleichen und dort schwache Hardware mit limitiertem Betriebssytem um die Fähigkeiten eines PCs zu erweitern – Android oder iOS im oder am TV vorausgesetzt. Plötzlich ist nicht nur Steam nur einen Klick weg, sondern auch die Steam Machine – der Rechner am Schreibtisch. Und all das, ohne auch nur den Eingang des Fernsehers wechseln zu müssen.

Die Frage nach der Leistung ist noch offen

Offen bleibt im Test die Frage nach der Leistung, die das Gerät, auf dem die App läuft, bieten muss, um die Kodierung nach H.264/H.265 in Echtzeit zu bewerkstelligen. Das verwendete OnePlus 3 und ein aktueller Apple TV hatten zwar keine Probleme. Wie es aber zum Beispiel auf älteren Fernsehern mit Android aussieht, konnte aber noch nicht getestet werden.

Verfügbar jetzt und ab 21. Mai

Die finale Version der App wird ab dem 21. Mai über iTunes und den PlayStore angeboten. Besitzer eines Endgeräts mit Android 5.0 oder neuer können Link schon schon jetzt als Beta ausprobieren. Auf Samsungs Tizen-Betriebssystem ist die App für Fernseher ab dem Modelljahrgang 2016 schon seit Mitte des vergangenen Jahres verfügbar.

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