Tim Sweeney: Große Publisher sollten neutrale Plattformen sein

Max Doll
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Tim Sweeney: Große Publisher sollten neutrale Plattformen sein
Bild: Offical GDC | CC BY 2.0

Auf dem DICE Summit sprach Tim Sweeney über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen der Spieleindustrie. Die Aussagen des Epic-CEO auf der Fachtagung berührten Lootboxen und Ökosysteme. Für Kritik sorgten aber erst seine Äußerungen zu politischen Aussagen in Spielen – allerdings für unnötige.

In den letzten fünf Minuten seiner Rede kam Sweeney auf das kontrovers verstandene Thema zu sprechen. Unter Bezugnahme auf den Roman Wer die Nachtigall stört, der den Rassismus in den Südstaaten der USA kritisiert, forderte er eine strikte Trennung von den in Spielen ausgedrückten Stellungnahmen und Marketing-Abteilungen.

Entwickler sollen politisch sein

Verstanden worden waren die Aussagen, die Sweeney später über Twitter konkretisierte, teils allerdings, als würde Sweeney eine allgemein unpolitische Haltung von Spielen einfordern. Dem ist nicht so: Werke von Moddern und Entwicklern sollen politisch sein, wie das Buch aber, weil ihren Autoren die Aussage am Herzen liegt und nicht, weil ein Verleger oder Publisher durch eine bestimmte Ausrichtung höhere Absatzchancen sieht. Es geht demnach um die Integrität des künstlerischen Werkes aus dem Konsens der Entwickler heraus. Dass Sweeney Spiele als solche sieht, machte er zuvor deutlich.

Diese Aussagen, konkretisierte der CEO später über Twitter, beziehen sich auf große Unternehmen, zuvorderst also Publisher mit mehreren Entwicklerteams, Ökosystemen und die Anbieter von Verkaufsplattformen wie Epic selbst. „Wir als Unternehmen müssen uns von Politik distanzieren“, diese sei für „Individuen“, Firmen sollen eine Rolle als „neutrale Anlaufstellen“ für Unterhaltungsangebote einnehmen.

Diese wiederum können durchaus politisch sein, denn die skizzierte Neutralität, das lassen die Ausführungen Sweeneys deutlich werden, gilt nach außen gegenüber Staaten und Kunden, aber auch nach innen gegenüber Angestellten, die ihre Ansichten vertreten und politische Spiele entwickeln respektive politische Aussagen auf der Plattform tätigen dürfen. Einfluss nehmen sollen sie aber nicht: „Wir müssen eine sehr klare Trennung zwischen Kirche und Staat erzeugen“, sagte Sweeney, was als Trennung zwischen Publisher und Plattformanbieter auf der einen Seite und Nutzern sowie Entwicklern auf der anderen Seite verstanden werden soll.

Indirekte Kritik an Blizzard

Woher die Sorge stammt, wurde gegen Ende seiner Ausführungen deutlich, als Sweeney indirekt Bezug zur Sperre eines Hearthstone-Spielers durch Blizzard nach Kommentaren zu den Bürgerprotesten in Hong Kong nahm und von „Kontroversen um politische Zensur durch fremde Länder“ sprach. Es brauche bei der Moderation von Inhalten mindestens klarer Regeln, sie dürfe nicht ad hoc aus Bequemlichkeit erfolgen – auch das ein Bezug zur Blizzard-Kontroverse, bei dem dem Anbieter vorgeworfen wurde, aus kurzsichtigem Profitinteresse die chinesische Regierung nicht verärgern zu wollen. Auch hinter der Neutralität lassen sich aber kommerzielle Interessen erkennen. Aktuell bestimme die politische Haltung, welches Fast-Food-Restaurant man besuche, sagte Sweeney, der dies „wirklich dumm“ nannte. Bezug nehmen diese Aussagen auf die Kette Chick-fil-A, die für Organisationen gespendet hat, die Homosexualität ablehnend gegenüberstehen und damit Boykotte provozierte.

Darüber hinaus sollte ein Unternehmen auf Basis von Prinzipien handeln, die klar kommuniziert werden müssen. Dies schütze vor Manipulation durch Außenstehende und erlaube es der Öffentlichkeit, ihr Handeln mit ihren Werten abzugleichen. Es sei unangemessen von CEOs, ihrer Firma und ihren Angestellten durch politische Äußerungen eine persönliche Agenda aufzudrängen, die über das Ziel der Firma – etwa das Herstellern leckerer Nahrung – hinausgehe. In Frage gestellt wird diese Haltung auf Twitter durch die Frage, inwieweit großen Unternehmen nicht auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zukommt, der sie durch Neutralität ausweichen.

Neutral ist trotzdem politisch

Hier stößt die Haltung naturgemäß an Grenzen. Mit dem Aufstellen von Regeln über die Grenzen des Zulässigen ist eine mehr oder minder mehrheitsfähige Positionierung verbunden. Schon Valve hatte dies nach Einführung eines Free-for-All-Ansatzes für die Zulassung von Spielen erfahren müssen: Einige Nutzer beklagten die Zulassung von Titeln mit sexuellem Inhalt, anderen waren Angebote zu gewaltverherrlichend. Eine Diskussion um die Grenze des Akzeptablen scheint schwer vermeidbar – denn letztlich ist jede Entscheidung eine politische Stellungnahme.