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Terra Nil angespielt: Auf- und Abbaustrategiespiel bringt Leben in tote Wüsten

Update 2 Fabian Vecellio del Monego (+1)
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Terra Nil angespielt: Auf- und Abbaustrategiespiel bringt Leben in tote Wüsten
Bild: Free Lives

Am Ende klassischer Aufbaustrategiespiele stehen zumeist beeindruckende Städte, komplexe Industrien und eine völlig ausgeschöpfte Karte. In Terra Nil jedoch steht am Ende eines erfolgreichen Spiels kein einziges Gebäude – sondern lediglich neu erschaffene, unberührte Natur. ComputerBase konnte den Titel anspielen.

Auf- und Abbau machen aus Wüste eine lebendige Welt

Am Anfang war eine tote Wüste. Unfruchtbares, toxisches und staubiges Niemandsland, mit ausgetrocknete Flussläufen und vereinzelten Steinen. Und auf einem dieser Felsen beginnt der Spieler mit dem Bau eines Windrades. Die dadurch gewonnene elektrische Energie kann in einem weiteren Gebäude zur Entgiftung des Bodens genutzt werden, ein weiteres sät Gras. Im neu entstehenden Biotop folgen in mehreren Stufen Wasser, Blumen und Wälder, bis erste Tiere zurückkehren und das Klima wiederhergestellt werden kann. Anschließend gilt es, die nun unnötigen Gebäude zu recyclen, die Materialien einzusammeln und per Luftschiff zu verschwinden. Am Ende bleibt eine unberührte, lebendige Biosphäre.

Spiel entpuppt sich als interessantes Puzzle

Auf der Gamescom hatte die Redaktion die Möglichkeit, das Spielkonzept eine halbe Stunde lang auszuprobieren. In der verfügbaren Mission standen zu Beginn 1.000 Einheiten Biomasse zur Verfügung. Der Bau von Gebäuden kostet Biomasse und wachsende Pflanzen füllen das Konto des Spielers wieder auf. Terra Nil entpuppte sich dabei schnell als interessantes und mitunter anspruchsvolles Puzzle, in dem Windräder, Entgiftungsmaschinen, Saatgutschleudern, Wasserpumpen, Bohrer und weitere Gebäude mit Berücksichtigung von Entfernungen, Höhenunterschieden und Wirkungsradien sowie anderen Abhängigkeiten gezielt platziert werden müssen. So scheiterte der erste Anlauf, weil die verfügbare Biomasse aufgebraucht war, bevor auch nur ein Bruchteil der prozedural generierten Karte renaturiert werden konnte. Im zweiten Versuch gelang die Begrünung jedoch – dank der gewonnenen Erfahrung und geplantem Vorgehen.

Wichtig ist jedoch nicht nur der stetige Blick auf die verfügbare Biomasse und die durch das Spiel beim Bau vorgenommene Berechnung des zu erwartenden Gewinns, sondern auch der Blick in die Zukunft: Ist ein ausreichender Teil der in Quadrate aufgeteilten Karte einmal begrünt, gilt es Biotope zu erschaffen. Im Falle der gemäßigten Klimazone sind das eine Blumenwiese, eine Sumpflandschaft und Wälder. Ersteres geschieht durch den Einsatz von Bienenvölkern. Für Bäume wiederum ist der Grund noch nicht fruchtbar genug, sodass zunächst die Temperatur angehoben und eine Blumenwiese verbrannt werden muss, um fruchtbaren Ascheboden zu erhalten. Agiert der Spieler jedoch nicht vorsichtig, kann ein großes Gebiet unkontrolliert in Flammen aufgehen und die Renaturierungs­bemühungen zunichte machen.

Nach erschaffender Biosphäre folgt das Recycling

Die Krux an alldem: Abreißen lassen sich Gebäude zunächst nicht. Zwar gibt es eine Undo-Funktion, diese erlaubt allerdings lediglich einen einzigen Schritt zurück. Somit ist es durchaus möglich, dass sich Spieler bei unvorsichtigem und planlosen Vorgehen in Sackgassen navigieren und von vorne starten müssen. Da eine Runde nur rund 15 bis 30 Minuten dauert, geht dabei zumindest nicht allzu viel Fortschritt verloren.

Wenn Gebäude aber nicht abgerissen werden können – wie kann es dann möglich sein, dass am Ende kein einziges mehr steht? Nun, sofern Biotope aufgebaut, die Luftfeuchtigkeit erhöht und die Temperatur auf ein für Leben brauchbares Niveau gebracht wurde, läutet Terra Nil eine Zäsur im Gameplay ein. Der Spieler muss ein Luftschiff bauen, um die Region mit sämtlichen menschengemachten Konstrukten zu verlassen. Zu diesem Zweck müssen sämtliche Gebäude recycelt und durch eine Drohne auf dem Wasserweg eingesammelt werden. Sollten nicht alle Bauwerke über Flüsse, Bäche und Seen erreichbar sein, muss in dieser späten Phase noch nachgebessert werden.

Terra Nil (Bild: Free Lives)

Ist die neu erschaffene Natur jedoch von allen Spuren des menschlichen Eingriffs befreit, bietet Terra Nil den unbeschwerten Blick auf die Früchte der Puzzlearbeit: Wasserfälle plätschern, Bienen fliegen von Blume zu Blume, Frösche hüpfen im Sumpf, Rehe grasen auf Lichtungen im Wald und Vögel queren das Sichtfeld. Screenshots zeigen weitere Biome in anderen Breitengraden, darunter eine Tundralandschaft mit Schnee oder ein tropischer Regenwald mit Strand und Korallenriff.

Unverbrauchtes Konzept hat Potenzial

Zwar überraschte Terra Nil den zuvor mit dem Spiel unbekannten Redakteur mit einem überraschenden und mutmaßlich hervorragend skalierbaren Anspruch, wirkte aber dennoch entschleunigend: Zwischen jedem Schritt kann beliebig lang überlegt und geplant werden, die entstehende Biosphäre lädt zum Beobachten ein und wenn die karge Wüste allmählich einer lebendigen Landschaft weicht, stellt sich das befriedigende Gefühl ein, etwas erschaffen zu haben – auch, wenn sämtliche Gebäude wieder verschwinden müssen.

Fraglich ist jedoch, inwiefern der Titel Langzeitmotivation aufbauen kann. Verschiedene Karten und Biome bringen zwar Abwechslung, eine hohe Spieltiefe bietet Terra Nil jedoch konzeptionell nicht. Die Aufteilung in Level mit begrenzter Fläche verhindert überdies, dass Spieler in Manier eines Endlosspiels lange an einer Karte tüfteln und eigene Landschaften entwerfen können – ist ein Spiel abgeschlossen, wartet die nächste Wüste. Nichtsdestoweniger verspricht der Titel, ein gemütliches und vor allem erfrischend anderes Strategie- und Puzzlespiel zu werden.

Ein Releasetermin steht noch aus

Wann Terra Nil indes erscheinen soll, dazu konnte Publisher Devolver Digital noch keine Angaben machen. Entwickler Free Lives, der zuvor unter anderem für das Jump ’n’ Run Broforce verantwortlich zeigte, bietet derzeit jedoch eine kostenlose, nur rund 350 MB große Demoversion mit begrenztem Inhalt auf Steam an. Überdies soll das Spiel auf GOG erscheinen.

Update

Free Lives und Devolver Digital haben einen neuen Trailer zu Terra Nil veröffentlicht. Inzwischen steht auch ein grober Release-Zeitraum fest: Noch im Laufe des Jahres 2023 soll das Abbaustrategiespiel auf Steam und GOG erscheinen. Eine kostenlose und gekürzte Demoversion steht nach wie vor bereits jetzt auf Steam zum Download zur Verfügung.

Update

Eine Woche nach dem neuen Trailer steht nun der Releasetermin fest: Bereits in fünf Wochen, am 28. März 2023, soll Terra Nil auf Steam zum Preis von rund 25 Euro erscheinen. Die kostenlose Demoversion ist vorerst weiterhin verfügbar. Auf GOG wird derzeit noch kein Datum genannt, dort heißt es nach wie vor „coming soon“.

Die Redaktion dankt Community-Mitglied Syrato für den Hinweis zu diesem Update.

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