Bright0001
Captain
- Registriert
- Juli 2011
- Beiträge
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Moin,
ich möchte die folgende Diskussion starten, weil ich glaube dass das Thema häufig von hinten aufgezäumt wird. Nahezu alle Diskussionen richten sich nach der Frage der Legalität, sprich ob Abtreibungen legal oder verboten sein sollten, womit man eine ganze Reihe von Aspekten ins Rennen bringt, ohne sich bei der eigentlichen Basis einig zu sein: Sind Abtreibungen überhaupt ethisch verwerflich?
Daher möchte ich eine Diskussion genau auf diesen Punkt gerichtet starten. D.h. wir besprechen wirklich nur den Akt eine Abtreibung vornehmen zu lassen, und lassen alle weiteren Perspektiven außen vor. Dazu zählen insbesondere potentielle Folgen von einer legalen Erlaubnis/einem Verbot.
Damit wir eine gemeinsame Basis haben und nicht in fundamentale Fragen der Ethik abdriften, würde ich folgende Axiome für die Diskussion festlegen; Jeden einzelnen Punkt breit auszuformulieren würde schlicht den Rahmen sprengen. Solltet ihr mit ihnen nicht einverstanden sein und trotzdem teilnehmen wollen, dann bitte in einer Geisteshaltung als ob alle Axiome wahr sind.
Zu Religionen: Ihr könnt religiöse Aspekte als unterstützendes Element nutzen, nicht aber als Quelle für Tatsachen. „Die meisten Menschen, die existiert haben, waren religiös, und fast alle Religionen verbieten Abtreibungen“ kann ein sinnvoller Kontext sein, „Gott sagt es ist unmoralisch“ ist es aber nicht.
Für die Diskussion gehe ich vom allgemeinen Fall einer normalen, ungewollten Schwangerschaft aus. Also keine Vergewaltigung, Gefahr für die Mutter oder Missbildungen. Heißt aber nicht, dass ihr darauf nicht eingehen könnt.
Wichtig: Anzuerkennen, dass etwas grundsätzlich falsch ist, ist nicht das gleiche wie zu behaupten, dass es immer falsch ist. Wir sind uns wahrscheinlich alle einig, dass es unethisch ist Menschen in Käfigen zu halten; Gleichzeitig halten wir Gefängnisse für moralisch vertretbar.
Mods: Ich weiß, dass ein ähnlicher Thread von 2007 existiert, die Diskussion dort ist aber ziemlich unfokussiert, daher halte ich einen geordneten Neustart eines solchen Diskurses für vertretbar.
Axiome
ich möchte die folgende Diskussion starten, weil ich glaube dass das Thema häufig von hinten aufgezäumt wird. Nahezu alle Diskussionen richten sich nach der Frage der Legalität, sprich ob Abtreibungen legal oder verboten sein sollten, womit man eine ganze Reihe von Aspekten ins Rennen bringt, ohne sich bei der eigentlichen Basis einig zu sein: Sind Abtreibungen überhaupt ethisch verwerflich?
Daher möchte ich eine Diskussion genau auf diesen Punkt gerichtet starten. D.h. wir besprechen wirklich nur den Akt eine Abtreibung vornehmen zu lassen, und lassen alle weiteren Perspektiven außen vor. Dazu zählen insbesondere potentielle Folgen von einer legalen Erlaubnis/einem Verbot.
Damit wir eine gemeinsame Basis haben und nicht in fundamentale Fragen der Ethik abdriften, würde ich folgende Axiome für die Diskussion festlegen; Jeden einzelnen Punkt breit auszuformulieren würde schlicht den Rahmen sprengen. Solltet ihr mit ihnen nicht einverstanden sein und trotzdem teilnehmen wollen, dann bitte in einer Geisteshaltung als ob alle Axiome wahr sind.
Zu Religionen: Ihr könnt religiöse Aspekte als unterstützendes Element nutzen, nicht aber als Quelle für Tatsachen. „Die meisten Menschen, die existiert haben, waren religiös, und fast alle Religionen verbieten Abtreibungen“ kann ein sinnvoller Kontext sein, „Gott sagt es ist unmoralisch“ ist es aber nicht.
Für die Diskussion gehe ich vom allgemeinen Fall einer normalen, ungewollten Schwangerschaft aus. Also keine Vergewaltigung, Gefahr für die Mutter oder Missbildungen. Heißt aber nicht, dass ihr darauf nicht eingehen könnt.
Wichtig: Anzuerkennen, dass etwas grundsätzlich falsch ist, ist nicht das gleiche wie zu behaupten, dass es immer falsch ist. Wir sind uns wahrscheinlich alle einig, dass es unethisch ist Menschen in Käfigen zu halten; Gleichzeitig halten wir Gefängnisse für moralisch vertretbar.
Mods: Ich weiß, dass ein ähnlicher Thread von 2007 existiert, die Diskussion dort ist aber ziemlich unfokussiert, daher halte ich einen geordneten Neustart eines solchen Diskurses für vertretbar.
Axiome
- Eine allgemeingültige moralische Bewertung von Dingen ist möglich
- Moralischer Relativismus und Nihilismus sind aus der Diskussion ausgeschlossen, da wir in dem Fall zu keinem Ergebnis kommen können
- Sterben ist ein grundsätzlich negativ zu bewertender Prozess
- Wirbeltiere können eine negativ empfundene Todesangst verspüren und versuchen immer den Tod zu vermeiden
- Menschen vorsätzlich zu töten ist grundsätzlich unethisch
These
Abtreibungen sind grundsätzlich unethisch.
Dem Axiom folgend wissen wir, dass es unethisch ist Menschen zu töten. Stellt sich also fundamental die Frage, ob bzw. wann eine befruchtete Zelle einen Menschen darstellt. Ich behaupte, dass es tatsächlich schon in dem Moment passiert, in dem eine neue Genkombination entsteht, also bei der Befruchtung. Aber vielleicht starte ich zuerst mit den häufigsten Argumenten, ab wann ein Embryo als Mensch klassifiziert wird, und warum ich diese für unzureichend halte:
Geburt
Ich denke es ist relativ offensichtlich, dass der Gang durch den Geburtskanal/Kaiserschnitt keinerlei Signifikanz in der Bewertung der Menschlichkeit hat. Wenn eine Frühgeburt genauso Mensch ist wie eine Normalgeburt, dann scheint die Menschlichkeit nicht an den eigentlichen Geburtszeitpunkt gekoppelt, denn sie muss zwangsweise vorher bestehen um bei einer Frühgeburt vorhanden zu sein.
Überlebensfähigkeit
Überlebensfähigkeit beinhaltet medizinische Unterstützung, d.h. auch wenn eine Frühgeburt ohne medizinische Unterstützung sterben würde, gilt sie als überlebensfähig, wenn sie bspw. in einem Brutkasten weiter heranwachsen kann. Das macht Überlebensfähigkeit keine Frage der innewohnenden Menschlichkeit, sondern der zum aktuellen Zeitpunkt verfügbaren medizinischen Technik.
Anders ausgedrückt: Man kann sich eine Zukunft vorstellen, in der schon eine befruchtete Zelle in einem Brutkasten überlebensfähig ist.
Hirnentwicklung/Schmerzempfinden
Die Menschlichkeit an subjektive Wahrnehmungen zu koppeln ist inkonsistent mit unseren allgemeinen Vorstellungen im Alltag: Personen, die ohne Schmerzempfinden geboren werden, verlieren dadurch nicht ihre Einordnung als Mensch, das gleiche gilt für schwerbehinderte oder komatöse Menschen.
Beispiel: Einem Hirntoten, aber lebendigen Menschen in den Kopf zu schießen bewerten wir allgemein als unethisches Handeln.
Typische anthropologische Physiologie / Entwicklung von Organen, Gliedern, Herzschlag etc.
„Es sieht aus wie ein Mensch“ oder „Es hat alle Bestandteile eines Menschen“ ist ähnlich wie beim Punkt zuvor inkonsistent mit unseren Alltagserfahrungen: Missgebildete Menschen werden trotzdem als Menschen anerkannt, das gleiche gilt für Menschen die durch Unfall oder Krankheit Körperteile oder Organe verlieren, die für einen Menschen typisch sind.
Einnistung nach Befruchtung
Die befruchtete Zelle hat eine Mikrosekunde vor der Einnistung die gleiche Beschaffenheit wie eine Mikrosekunde danach. D.h. eine Änderung der Bewertung findet statt, ohne dass sich die Beschaffenheit der Sache geändert hat. Wenn man diese Meinung vertritt, muss man ausführen wie das möglich ist, denn so ist es ziemlich willkürlich.
Was bleibt übrig?
Das Einzige, was übrigbleibt, ist die Befruchtung der Zelle. Durch die Kombination der elterlichen Gene wird neues Leben geschaffen, das alleine aufgrund dieser Gene als menschlich zu werten ist. Dies lässt sich auch mit einem biologischen Verständnis der Arten untermauern: Der Mensch wird vom Affen nicht durch Kognition oder Physiologie unterschieden, sondern durch genetische Differenzierung. Am Ende ist der Mensch Homo Sapiens, und Homo Sapiens Mensch, und die befruchtete Zelle findet nur in dieser Kategorie Platz.
Auch der Hinweis darauf, dass eine befruchtete Zelle „nur ein Zellhaufen“ ist, ist aus meiner Sicht ein schwacher Einwand. Was ist denn ein ausgewachsener Mensch, wenn nicht einfach nur ein größerer Zellhaufen?
Die Kopplung an Entwicklung, Physiologie und Überlebensfähigkeit lassen sich dabei auch auf andere Art entkräften: Die Einordnung zum Menschen ist nicht einmal auf Lebendigkeit beschränkt. Wenn jemand eine Leiche als „toter Mensch“ definiert, dann haben wir damit keinerlei Problem, weil dem Körper trotzdem Menschlichkeit innewohnt, obwohl die Person als Charakter nicht mehr existiert. Ein Toter hat keinen Herzschlag, kein Schmerzempfinden, keine Hirnfunktion und ist effektiv „wirklich“ nur ein Zellhaufen ohne übergeordnete Funktion, nichtsdestotrotz ist Leichenschändung Kulturübergreifend ethisch geächtet.
Fazit
Die Menschlichkeit beginnt mit dem Entstehungsprozess des neuen Lebens, und geht über die gesamte Entwicklungszeit sogar über den Tod hinaus. In der Annahme, dass es unethisch ist Menschen zu töten, muss man also aus Sicht der Frau sehr gravierende Gründe anbringen, die in ihrer Notwendigkeit die Unmoral des Tötens überwiegen. Gegeben, dass Mord nebst Folter und Misshandlung zu den schwerwiegendsten ethischen Vergehen gezählt wird, können nur ähnlich schwerwiegende Umstände eine Rechtfertigung darstellen. Beispiele wären Lebensgefahr für die Mutter, schwere psychische Schäden für die Mutter (bspw. nach Vergewaltigung) oder gravierende Missbildungen des Kindes, die eine pur qualvolle Existenz bedingen würden.
Aber da diese Fälle nur eine Minderheit aller tatsächlich durchgeführten Abtreibungen darstellen, ist meine Konklusion dieselbe: Abtreibungen sind grundsätzlich unethisch, und die meisten „typischen“ Argumente (ungewollt, zu früh, Finanzen, etc.) nicht einmal im Ansatz ausreichend um sie zu rechtfertigen.
Abtreibungen sind grundsätzlich unethisch.
Dem Axiom folgend wissen wir, dass es unethisch ist Menschen zu töten. Stellt sich also fundamental die Frage, ob bzw. wann eine befruchtete Zelle einen Menschen darstellt. Ich behaupte, dass es tatsächlich schon in dem Moment passiert, in dem eine neue Genkombination entsteht, also bei der Befruchtung. Aber vielleicht starte ich zuerst mit den häufigsten Argumenten, ab wann ein Embryo als Mensch klassifiziert wird, und warum ich diese für unzureichend halte:
Geburt
Ich denke es ist relativ offensichtlich, dass der Gang durch den Geburtskanal/Kaiserschnitt keinerlei Signifikanz in der Bewertung der Menschlichkeit hat. Wenn eine Frühgeburt genauso Mensch ist wie eine Normalgeburt, dann scheint die Menschlichkeit nicht an den eigentlichen Geburtszeitpunkt gekoppelt, denn sie muss zwangsweise vorher bestehen um bei einer Frühgeburt vorhanden zu sein.
Überlebensfähigkeit
Überlebensfähigkeit beinhaltet medizinische Unterstützung, d.h. auch wenn eine Frühgeburt ohne medizinische Unterstützung sterben würde, gilt sie als überlebensfähig, wenn sie bspw. in einem Brutkasten weiter heranwachsen kann. Das macht Überlebensfähigkeit keine Frage der innewohnenden Menschlichkeit, sondern der zum aktuellen Zeitpunkt verfügbaren medizinischen Technik.
Anders ausgedrückt: Man kann sich eine Zukunft vorstellen, in der schon eine befruchtete Zelle in einem Brutkasten überlebensfähig ist.
Hirnentwicklung/Schmerzempfinden
Die Menschlichkeit an subjektive Wahrnehmungen zu koppeln ist inkonsistent mit unseren allgemeinen Vorstellungen im Alltag: Personen, die ohne Schmerzempfinden geboren werden, verlieren dadurch nicht ihre Einordnung als Mensch, das gleiche gilt für schwerbehinderte oder komatöse Menschen.
Beispiel: Einem Hirntoten, aber lebendigen Menschen in den Kopf zu schießen bewerten wir allgemein als unethisches Handeln.
Typische anthropologische Physiologie / Entwicklung von Organen, Gliedern, Herzschlag etc.
„Es sieht aus wie ein Mensch“ oder „Es hat alle Bestandteile eines Menschen“ ist ähnlich wie beim Punkt zuvor inkonsistent mit unseren Alltagserfahrungen: Missgebildete Menschen werden trotzdem als Menschen anerkannt, das gleiche gilt für Menschen die durch Unfall oder Krankheit Körperteile oder Organe verlieren, die für einen Menschen typisch sind.
Einnistung nach Befruchtung
Die befruchtete Zelle hat eine Mikrosekunde vor der Einnistung die gleiche Beschaffenheit wie eine Mikrosekunde danach. D.h. eine Änderung der Bewertung findet statt, ohne dass sich die Beschaffenheit der Sache geändert hat. Wenn man diese Meinung vertritt, muss man ausführen wie das möglich ist, denn so ist es ziemlich willkürlich.
Was bleibt übrig?
Das Einzige, was übrigbleibt, ist die Befruchtung der Zelle. Durch die Kombination der elterlichen Gene wird neues Leben geschaffen, das alleine aufgrund dieser Gene als menschlich zu werten ist. Dies lässt sich auch mit einem biologischen Verständnis der Arten untermauern: Der Mensch wird vom Affen nicht durch Kognition oder Physiologie unterschieden, sondern durch genetische Differenzierung. Am Ende ist der Mensch Homo Sapiens, und Homo Sapiens Mensch, und die befruchtete Zelle findet nur in dieser Kategorie Platz.
Auch der Hinweis darauf, dass eine befruchtete Zelle „nur ein Zellhaufen“ ist, ist aus meiner Sicht ein schwacher Einwand. Was ist denn ein ausgewachsener Mensch, wenn nicht einfach nur ein größerer Zellhaufen?
Die Kopplung an Entwicklung, Physiologie und Überlebensfähigkeit lassen sich dabei auch auf andere Art entkräften: Die Einordnung zum Menschen ist nicht einmal auf Lebendigkeit beschränkt. Wenn jemand eine Leiche als „toter Mensch“ definiert, dann haben wir damit keinerlei Problem, weil dem Körper trotzdem Menschlichkeit innewohnt, obwohl die Person als Charakter nicht mehr existiert. Ein Toter hat keinen Herzschlag, kein Schmerzempfinden, keine Hirnfunktion und ist effektiv „wirklich“ nur ein Zellhaufen ohne übergeordnete Funktion, nichtsdestotrotz ist Leichenschändung Kulturübergreifend ethisch geächtet.
Fazit
Die Menschlichkeit beginnt mit dem Entstehungsprozess des neuen Lebens, und geht über die gesamte Entwicklungszeit sogar über den Tod hinaus. In der Annahme, dass es unethisch ist Menschen zu töten, muss man also aus Sicht der Frau sehr gravierende Gründe anbringen, die in ihrer Notwendigkeit die Unmoral des Tötens überwiegen. Gegeben, dass Mord nebst Folter und Misshandlung zu den schwerwiegendsten ethischen Vergehen gezählt wird, können nur ähnlich schwerwiegende Umstände eine Rechtfertigung darstellen. Beispiele wären Lebensgefahr für die Mutter, schwere psychische Schäden für die Mutter (bspw. nach Vergewaltigung) oder gravierende Missbildungen des Kindes, die eine pur qualvolle Existenz bedingen würden.
Aber da diese Fälle nur eine Minderheit aller tatsächlich durchgeführten Abtreibungen darstellen, ist meine Konklusion dieselbe: Abtreibungen sind grundsätzlich unethisch, und die meisten „typischen“ Argumente (ungewollt, zu früh, Finanzen, etc.) nicht einmal im Ansatz ausreichend um sie zu rechtfertigen.