Nazrael schrieb:
Aber aus dieser Tatsache allein folgt noch nicht automatisch, dass diesem neuen Organismus dieselben moralischen oder rechtlichen Rechte zukommen wie einem geborenen Menschen.
Die moralische Bewertung beginnt dort, wo man entscheiden muss, welche Eigenschaften eines Wesens es schützenswert machen: Ist es das bloße Menschsein (also die DNA)? Oder sind es Bewusstsein, Schmerzempfinden, soziale Beziehungsfähigkeit, Autonomie, also Merkmale, die sich erst im Laufe der Entwicklung ausbilden?
Ich weiß aber nicht, wie du auf einen hohen ethischen Wert eines menschlichen Lebens kommst, ohne diese auf das Menschsein an sich zu reduzieren. All deine Punkte kannst du auf ein Dutzend anderer Säuger anwenden, ohne dass wir ihnen einen hohen (oder zumindest gleichhohen) ethischen Wert zusprechen.
Auf der anderen Seite haben wir auch immer noch das Beispiel mit dem Mensch im Koma: All deine Punkte sind bei ihm nicht mehr vorhanden, trotzdem verliert er dadurch nicht seinen Status als schützenswerter Mensch.
Nazrael schrieb:
Gerade weil diese Frage nicht allein naturwissenschaftlich oder juristisch beantwortet werden kann, sondern auf ethischen Werturteilen beruht, ist die moralische Grenzziehung kein objektiver Fakt, sondern eine gesellschaftliche Entscheidung und genau das macht die Debatte so schwierig und deswegen entgleitet sie sehr schnell in Fundamentalpositionen.
Aber Werturteile müssen trotzdem begründbar sein. Selbst wenn diese auf subjektiven Bewusstseinszuständen basieren, z.B. Schmerz=Schlecht, Freude=Gut, Sterben=schlecht, etc., muss man ja dennoch zeigen wie man von dieser Basis zu einer Schlussfolgerung wie "Abtreibung im ersten Trimester ist ethisch vertretbar" kommt.
Keylan schrieb:
Für die moderne Interpretation des Abtreibungsrechts ist dieser Aspekt aber nicht mehr wirklich relevant.
Er ist sehr wohl noch relevant, aber sicherlich unbeliebt, weil da der Gipfel deutlich schwerer zu erklimmen ist als bei der "Fötus ist Körperteil der Frau" Ansicht.
Keylan schrieb:
Das ist durchaus vergleichbar damit, zu überlegen Menschen zu Organspenden mit "nur" geringen Risiko und Langzeiteinfluss auf den eignen Körper zu zwingen. Also z. B. Leber- oder Nierenspenden.
Komisch, dass es bei der Frage ob dies moralisch Vertretbar sei, deutlich weniger Gegenwind, insbesondere aus dem religiös motivierten Lager, kommt.
Die Metapher ist eine Finte, weil sie zwei sehr unterschiedliche Konstellationen vergleicht. Bei der Organspende reden wir nämlich von unbeteiligten Dritten, während eine Frau in der Regel bewusst das Risiko einer Schwangerschaft eingegangen ist.
Um aber bei der Metapher zu bleiben: Ein Elternpaar sucht nach einem Organspender für ihr Baby, und Nina erklärt sich dazu bereit, worauf die Eltern die Suche nach Alternativen aufgeben. Kurz vor der Transplantation verweigert Nina aber den Eingriff, "My body, my choice", wodurch das Kind stirbt. Frage: Hat Nina unmoralisch gehandelt? Und ist es wirklich so abwegig sie vorher zur Spende zu zwingen, wenn das Leben des Kindes auf dem Spiel steht?
knoxxi schrieb:
Ist in dieser Diskussion eigentlich irrelevant.
knoxxi schrieb:
Wenn jeder Fall von Abtreibung als fragwürdig dargestellt wird, dann auch „5 gegen Willi“ weil hier potentielles Leben vernichtet wird.
Nicht fragwürdig, grundsätzlich unethisch. Ich habe meine Argumentation recht breit dargestellt, und wenn du dort Fehler siehst, dann zitiere gerne und führe aus.
Und beim Masturbieren wird kein potenzielles Leben vernichtet, sondern echtes Leben, außer man verschießt wirklich nur Platzpatronen. Da Spermien aber keine Menschen sind, ist das nicht wirklich von Belang.
banditone schrieb:
Gut und Schlecht ist ein Fantasieprodukt der Menschheit, welches sich jederzeit ändern kann.
ShiftC schrieb:
Ethisch.. moralisch... Werte... Sitte..
Alles relativ
Bitte Eingangspost lesen:
Moralischer Relativismus und Nihilismus sind aus der Diskussion ausgeschlossen, da wir in dem Fall zu keinem Ergebnis kommen können
schwimmcoder schrieb:
Doch, genau das habe ich sogar geschrieben. Nur ein Baby in der 13. Woche ist auch mit bester medizinsicher Unterstützung nicht lebensfähig, die Grenze ist da aktuell die von mir genannte Grenze um die 24. Woche der Schwangerschaft.
Also nur zur Abklärung: Wenn es technisch möglich wäre, eine befruchtete Zelle direkt ab dem Moment der Befruchtung auszubrüten, dann wärst du auch gegen die Abtreibung?