Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft

Sind schon interessante Sichtweisen hier vertreten.
Ich bin aber auch eher der Meinung, das Hilfsbereitschaft ein Geben und Nehmen ist. Hilft mir jemand bereitwillig, so helfe auch ich ihm bereitwillig (Wenn es meine Zeit hergibt).
Ich habe öfters mal Hilfe von Freunden bei der Sanierung meiner Wohnung erhalten. Da haben wir 2x einen Großkampftag gemacht, um richtig was zu bewegen. Das war einmal den alten Boden rausreißen und das Füllmaterial entfernen und das 2x den Boden wieder aufbauen. Da waren ca. 3to. Material händisch in den ersten Stock zu tragen und zu verteilen. Das kann ich natürlich auch alleine machen - brauch ich halt 2 Wochen dafür statt eines Tages.
Alles andere habe ich aber nach Möglichkeit alleine gemacht oder habe Hilfe nur angenommen, wenn sie mir Explizit angeboten wurde. Ansonsten versuche ich meine Dinge alleine zu schaffen/zu regeln.
Ich habe mittlerweile einige wenige Freunde, auf die ich mich fast immer verlassen kann und dir Helfen ohne zu murren. Natürlich nur wenn sie auch Zeit haben. Ist für mich aber eigentlich völlig logisch, das jemand nur helfen kann wenn er auch Zeit dafür hat. Wenn mir dann jemand absagt ist das für mich auch kein Grund, auf die Person böse zu sein.

Wo es für mich mit Hilfsbereitschaft aufhört ist bei Geld. Denn bei Geld hört jede Freundschaft und Familienbande ganz schnell auf. Gerade bei größeren Summen.
In Notsituationen helfe ich viel lieber mit Muskelkraft als mit Zahlkraft. Ich würde niemandem eine Bürgschaft ausstellen, weil er/sie Möbel oder ein Auto braucht. Einen fahrbaren Untersatz bekomme ich kurzfristig für 1000€ und Möbel sind erstmal Luxusgut. Solange man ein Bett, ein Klo und einen Tisch hat, ist alles weitere erstmal Optional.
Ebenfalls hört es auf, wenn man ausgenutzt wird. Und zwar so, das man es schon deutlich merkt. Als ständig einseitige Hilfe.
 
Also ich würde von mir selbst behaupten, dass ich Hilfsbereit bin.

Familie/Freunden helfe ich sowieso immer wenn ich kann und körperliche Arbeit macht mir sehr viel Spaß und so ein Helftertag ist meistens ja auch was lustiges.

Wobei ich Situationen wie Tür aufhalten oder Kinderwagen tragen als selbstverständlich ansehe.
Die heutige Gesellschaft an sich sieht das aber meiner Meinung nach - größtenteils - nicht so...

Ich hatte gerade erst letzten Sommer eine für mich unfassbare Situation.

Ich war mit meiner Familie an einem Badesee und war gerade mit meiner 3 jährigen Tochter im Wasser. Ein älterer Mann neben mir rief plötzlich um Hilfe und konnte sich nicht mehr über Wasser halten. Man konnte an der Stelle auch als Erwachsener nicht mehr stehen. Meine Tochter war in einem Schwimmreifen und ich bin mit ihr direkt dahin und habe ihm so gut es geht geholfen.

NIEMAND sonst ist gekommen. Der See war voll und gaffen konnten sie alle. Ich habe geschrien und auch mehrere Leute direkt angesehen/angeschrien, dass sie verdammt noch mal helfen sollen. Eine zierliche Frau ist dann gekommen und hat mir geholfen. Der Rest hat einfach weggesehen oder weitergegafft.

Mit meiner verstörten und verängstigten Tochter musste ich also mit einer zierlichen Frau einen Erwachsenen Mann so gut es eben geht vorm ertrinken bewahren - in einem See voller Menschen. Aber wo kommen wir denn auch hin wenn die aufhören müssen Wasserball zuspielen.

Es ging zum Glück alles gut aus und die Rettungsschwimmer waren relativ schnell da.

Meine Tochter hat mich später gefragt wieso denn sonst niemand gekommen ist und wieso ich denn so geschrieen habe. Darauf weiß ich bis heute keine sinnvolle Antwort.

Rückblickend war es von mir sogar sehr leichtsinnig dem Mann zu helfen, da meine Tochter ohne Schwimmreifen nicht schwimmen kann und in der Situation sehr verunsichert war.

Der Großteil der Gesellschaft ist leider einfach nur zum kotzen.

Natürlich weiß ich, dass das nicht auf alle zutrifft aber an dem Tag waren wirklich nicht wenige Menschen dort und die Resonanz war einfach nur traurig.
 
Es gab da vor Jahren mal einen "gestellten" Unfall, wo die Hilfbereitschaft getestet wurde. Man hatte jemandem eine blutende Wunde an die Hand geschminkt. Geholfen hat quasi keiner und einer sagte sinngemäß: "Gehen sie ins Krankenhaus, schließlich ist ja ihre Hand verletzt und nicht ihr Bein"
 
Solche "sozialen Experimente" gibt es haufenweise .... das Ergebnis ist (leider) fast immer ähnlich.

Den Allermeisten ist es einfach total egal ... einige wenden sich gezielt ab, und ein paar wollen wissen, wie es ausgeht und gaffen (oder fummeln mit ihren Handys rum).
Und dann gibt es da dann noch die ein oder zwei, die tatsächlich helfen ... man sollte sich eventuell auch mal drauf besinnen, dass es diese Wenigen eben immer gibt.
Das ändert aber auch nichts dran, dass viele eben nicht helfen ... subjektiv wird es dafür immer "Gründe" geben ... und einige davon wird wohl auch jeder einigermaßen nachvollziehen können.
Ergänzung ()

In Bielefeld gab es lange Zeit (1980er und 90er) Kampagnen für "Zivilcourage" ... da war die Rede von einer "Kultur des Wegsehens" in Deutschland. Und bei diesen Kampangen ging es auch immer um Hilfsbereitschaft und gegenseitige Unterstützung.

Das Problem ist also alles andere als "neu".
 
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downforze schrieb:
Es gab da vor Jahren mal einen "gestellten" Unfall, wo die Hilfbereitschaft getestet wurde. Man hatte jemandem eine blutende Wunde an die Hand geschminkt. Geholfen hat quasi keiner und einer sagte sinngemäß: "Gehen sie ins Krankenhaus, schließlich ist ja ihre Hand verletzt und nicht ihr Bein"
Unser Verhalten ist trotz allem evolutionsbedingt. Vieles kann man kaum beeinflussen. Wenn man also solche Versuche macht, muss man sich 10.000 bis 50.000 Jahre in die Vergangenheit versetzten. Was hatte es also für Auswirkungen, wenn man einem (fremden) Verletzten hilft? Man wurde leicht Ziel eines Raubtieres.
 
downforze schrieb:
Es gab da vor Jahren mal einen "gestellten" Unfall, wo die Hilfbereitschaft getestet wurde. Man hatte jemandem eine blutende Wunde an die Hand geschminkt. Geholfen hat quasi keiner und einer sagte sinngemäß: "Gehen sie ins Krankenhaus, schließlich ist ja ihre Hand verletzt und nicht ihr Bein"
Das Beispiel zeigt aber auch wunderbar, wie durchdrungen unsere heutige Gesellschaft von der neoliberalen Denkweise ist. Die Antwort ist in der Sache vollkommen richtig, weist jedoch auf humanistische Defizite hin, die sich auch in vielen anderen (meist kleinen) Dingen des Alltags offenbaren können. Menschlichkeit "lohnt" sich in diesem Sinne einfach nicht. Dabei würde sich für die meisten Menschen der Aufwand in Grenzen halten, als Minimum einfach nur einen Notruf abzusetzen zumal im 21. Jahrhundert Smartphones allgegenwärtig sind.
 
Also ich helfe gerne und bin damit allerdings auch schon auf die Schnauze gefallen. Vorallem bei Umzügen, man selber schaut das es passt und für die Helfer so angenehm wie es eben möglich ist und selber steht man vor vollkommen eingerichteten Buden die erst zerlegt werden müssen.

Habe auch schonmal Geld verliehen, natürlich gab es einen Vertrag und einen Bürgern, trotzdem bin ich als es nur schleppend zurückgezahlt wurde nicht gleich zum Bürgern und hab sie blechen lassen.
Hat halt dann ein Jahr länger gedauert und Nerven gekostet, aber immerhin hab ich gelernt es definitiv nicht mehr zu tun.

Andererseits hatte ich gestern ein schönes Erlebnis. Als ich im Nebenjob Zeitungen ausgetragen habe traf ich vor der Sparkasse einen Migranten der mich auf Englisch nach Hilfe fragt, ob ich ihm beim Überweisungsautomat helfen kann. Hab ich getan und er hat sich gefreut und ich fühlte mich auch gut. Abends kam der Pizzabote und nachdem der geschäftliche Part vorbei war fragte er mich kurz ob ich ihm helfen kann weil sein Kofferraum nicht mehr aufgeht (er musste über die Rücksitzbank reinkriechen). Habe ihm geholfen und hat sich auch gut angefühlt.

Also einfach im Alltag helfen ist schon was schönes. Allerdings ausnutzen lassen, vorallem im Freundes/Bekanntenkreis sollte vermieden werden. Insbesondere wenn in diesen Kreisen schon schlechte Erfahrungen gemacht worden sind.
 
CCIBS schrieb:
Man wurde leicht Ziel eines Raubtieres.
daran hat sich nur eins geändert ... wir haben sehr viel seltener mit echten Raubtieren zu tun ... und trotzdem kann es passieren, dass man durch Hilfsbereitschaft mal zum Opfer wird.

Wer Menschen hat, der braucht dazu keine Raubtiere.

Ich meine, was diskutieren wir in diesem Thread seit mittlerweile 6 Seiten?

Die einen beklagen sich über zu wenig oder weniger Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft, und darüber, dass man auch mal ausgenutzt wird, wenn man hilft.
Auf der anderen Seite gibt es dann die Argumentation, die das "nicht-Helfen-wollen" als Evolutionsvorteil verkaufen möchte und damit natürlich eine tolle Legitimation dafür liefert, nicht zu helfen oder eben nur unter ganz bestimmten Vorraussetzungen (kontrollierbares Risiko, Dankbarkeit, Gegenleistung oder gesetzliche Verpflichtung im Zusammenhang mit dem Broterwerb).

Hilfe zu leisten bedeutet sicher heute wie vor 50.000 Jahren ein gewissens Risiko ... aber heute wie vor 50.000 Jahren hat sowas eben auch immer zwei Seiten.
Situation Anno dazumal (mitten in der Steinzeit):
Der Verletzte, dem man helfen könnte, ist eventuell ein guter Jäger, hat wichtiges Wissen, welches aus welchen Gründen auch immer nicht weitergegeben werden kann/darf (z.B. wegen des gemeinsamen Glaubens daran, dass dieses Wissen eben nur einer in der Sippe haben darf). Egal, wie die Rolle des Verletzten in der Sippe ist, die Aufgaben, denen die Gruppe begegnet, müssen mit einer Arbeitskraft weniger erledigt werden, wenn diesem Menschen nicht geholfen wird und wenn es ein Spezialist ist, werden einzelne Arbeiten durch sein Fehlen eventuell unmöglich ... beim einzigen Heiler ist eventuell sogar der Fortbestand der Gruppe insgesamt gefährdet.
Es existiert also ein Interesse daran, diesem Menschen zu helfen ... und je nach geistigem Überbau bewertet man dann das Risiko entweder egoistisch (ICH könnte bei dem Versuch gefährdet werden) oder altruistisch (die Gruppe hat ein Problem, wenn ICH jetzt nicht helfe).
Auch eine Intakte Gruppe hat sich immer wieder als Evolutionsvorteil erwiesen ... und die erfordert eben auch Hilfsbereitschaft ... auch wenn diese hilfe mit Risiken verbunden ist.

Wenn man nur das Risiko betrachtet, dann dürfte es in unserer Gesellschaft eigentlich keine Ärzte geben ... denn dann gebietet der Selbsterhaltungstrieb eigentlich, kranke Menschen zu meiden.
Aber Schamanen, Medizinmänner und Heiler gibt vbei uns seit Jahrtausenden ... sogar in der Steinzeit gab es sowas wohl schon (hier geht es nicht darum, wie gut die nach modernen medizinischen Standards helfen konnten, sondern nur um die Tatsache, dass sie es überhaupt versucht haben). Mehr noch, meist gehörten die in den Sippen zu den angesehendsten Leuten (das beweisen ihre Grabbeigaben bis heute).
 
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