Mondscheinsonate, welche Tempi?

DerOlf

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Hallo.
Ich übe gerade (bzw. seit einiger Zeit) an der "Mondscheinsonate" von L. v. Beethoven.

So langsam sind mir die Stücke geläufig genug, dass ich mir um mehr Gedanken machen kann, als "wo müssen die Fnger als nächstes hin?" ;)

Spielanweisungen (Lautstärke, Ausdruck etc.) sind in den Noten ja angegeben und man kann sich auch an den verschiedenen Interpretationen im Netz recht gut orientieren.

Beim Tempo ist mir allerdings (anhand des dritten Satzes) etwas aufgefallen.
Angegeben ist "Presto agitato". Presto steht soweit ich weiß, für Tempi zwischen 168 und 200 BPM.

Allerdings habe ich bisher kaum Aufnahmen gefunden, wo jemand dieses (ziemlich mörderische) Tempo auch durchzieht, also fing ich an nach Empfehlungen zu suchen.

Und fand alles mögliche ... allerdings alles Tempi, die nicht wirklich im Presto-Bereich liegen.
Diese Seite empfiehlt z.B. 144 BPM (das Tempo ist OK) ... aber ich hatte auch schon 125BPM dabei (finde ich zu langsam).
Nirgends habe ich eine Seite gefunden, die Zahlen zwschen 168 und 200 BPM angibt (presto).

Ich habe allerdings einige Blog-Beiträge gefunden, in denen es darum ging, dass man sich selbst in der Musikwissenschaft uneinig ist, ob "60 BPM" (Larghetto) um 1800 für das gleche stand, wie heute ... allerdings ging es da um Chopin, und ganz speziell um die komplizierten Verziehrungen in seinen Stücken (die Frage, ob man dabei das Tempo bebehalten muss).

Ausserdem weiß ich (aus eigener Erfahrung), dass viele alte Klaviere (Baujahr am besten vor 1900) schmalere tasten haben, als das heute üblich ist, was das schnelle spielen durchaus erleichtert.
Einer wies auch darauf hin, dass man ein Klavier für den Hausgeberauch etwas anders einstellt, als eines in einem Konzertsaal (weniger Gewicht, sodass beim Spielen weniger Kraft gebraucht wird und das Klavier gleichzeitig etwas leiser wird).
Natürlich kann man auf einem Klavier mit schmalen Tasten und weichem Anschlag schneller spielen, als auf einem bretthart eingestellten Konzertflügel.

Lange Rede kurzer Sinn:
Ich bin mir unsicher ... bisher habe ich beim Üben des 3. Satzes der Mondscheinsonate zwei verschiedene Modi verfolgt.
1.) langsam ... Konzentration auf jede einzelne Note (in komplizierteren Teilen geht das Tempo dann auch gerne mal auf 50 BPM runter).
2.) so schnell wie geht ... Konzentration auf die Gesamtwirkung (einzelne Teile laufen hier bereits mit über 180 BPM - also schon gesund im Presto-Bereich).
Am Ende hätte ich aber doch gerne eine Geschwindigkeit, auf die ich mich "einpendeln" kann ... mal von launebedingten Schwankungen abgesehen.

Gibt es hier Jemanden, der sich mit dem Thema beschäfrtigt hat, und mir eine Empfehlung geben kann?


Zweite Frage (eher zur Mondscheinsonate insgesamt):
Mir ist aufgefallen, dass man (theoretisch) vom 2. direkt in den 3. Satz gehen kann ... dann fehlt dem 2. Satz zwar der Schlussakkord in C# Dur, aber das ist für mein Ohr nicht so schlimm.

Was haltet ihr davon. direkt rüber oder Pause dazwischen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich schreib mal unspezifisch aus meiner (nicht besonders musiktheoretisch fundierten) Rock und Pop Sicht.

Wenn ich mir Songs/Werke erarbeite interpretiere ich, unter Beachtung von musikalischen Anforderungen, selten nah am Original. Wie du darbietest ist im Grunde auch deine Entscheidung, außer du willst/musst bestimmte Anforderungen oder Erwartungen (des Publikums) erfüllen.

Tendenziell würde ich bei deinen zwei Optionen eher die zweite wählen und da natürlich auch die „Gesamtwirkung“ des zu Werkes wahren. Ich würde mir die Freiheit nehmen selbst zu entscheiden wie schnell presto ist und wie wallend agitato.
Wenn du die Erste lieber magst, why not?

Pausen sind für mich „richtig“ getimt ein wichtiges Element, aber auch hier, die Gesamtwirkung muss passen und der flow sollte nicht zu sehr leiden.

Soweit erstmal.
 
Der Standpunkt ist sehr gut nachzuvollziehen. Danke für die Antwort.

Ich versuche mich möglichst am "Original" zu orientieren ... zumindest vorerst.
Irgendwann löse auch ich mich von den Noten und Anweisungen, und spiele die Stücke auch gerne mal "ganz anders" (z.B. "gepitcht" - also eine Oktave höher und etwa doppelt so schnell ... oder tiefer und langsamer bzw. in sehr schwankendem Tempo).
Zum Glück brauche ich die Noten meist nicht lange ... und die Mondscheinsonate habe ich momnentan komplett im Kopf. Daher mache ich mich nun halt ans Feintuning - zu dem für mich auch gehört, zu lernen, wie "man" das Stück spielen sollte, um die Erwartungen der Hörer nicht ZU sehr zu enttäuschen.

Meine zwei Optionen betreffen eher die Übung, das mache ich bei allen Stücken regelmäßig.
Der erste Teil dient als Geläufigkeits- der zweite als Geschwindigkeitsübung - letzteres dient dabei eher als Konditionsübung ... schneller wird man eh von selbst oder garnicht ;)
SE. schrieb:
Pausen sind für mich „richtig“ getimt ein wichtiges Element, aber auch hier, die Gesamtwirkung muss passen und der flow sollte nicht zu sehr leiden.
Meine zweite Frage bezog sich eher auf den Übergang zwischen zwei Stücken ... das "feeling" bzw. der flow sind beim 2. und 3. Satz schon recht unterschiedlich. Ich kann sowas gut ab, aber gilt das auch für Zuhörer?

Für alle, denen die Mondscheinsonate seltsamerweise nicht geläufig ist, hier mal ein Vdeo:
Ich finde die macht das ganz gut ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
DerOlf schrieb:
Meine zweite Frage bezog sich eher auf den Übergang zwischen zwei Stücken ...
Ja. Hatte ich so auch verstanden. Ich versuchs nochmal in meiner laienhafteren Sprache bildhafter, vielleicht wird mein Punkt so deutlicher.
kleingeschrieben erster satz GROSsGESCHRIEBEN ZWEITER SATZ
erstersatzerstersatzZWEITERSATZZWEITERSATZ (ohne Pause)
erstersatzerstersatz....ZWEITERSATZZWEITERSATZ (Pause)
erstersatzerstersatz..ÜbeRgaNg..ZWEITERSATZZWEITERSATZ (kurze Pause mit Übergang)

Ohne Pause, oder geschicktem Übergang, wirkt es auf mich als Hörer eher „gehetzt“ und „angespannt“ – dieses Konstrukt kann auch ein gewolltes Stilelement sein, natürlich.
Bei klassischen Konzerten ist mir schon öfter, gerade bei Pianisten, aufgefallen, dass sehr gern lauteres Ausatmen genutzt wird um die Pause zu füllen und zum Nachfolgendem hin oder überzuleiten. Ein entspannter Blick zum Publikum kommt auch gut. Interaktion schadet selten.
DerOlf schrieb:
Ich kann sowas gut ab, aber gilt das auch für Zuhörer?
Tja. Gute Frage. Keine Ahnung. Kommt wohl aufs Publikum an. 😅
 
OK, die Frage nach dem Übergang leitet sich für mich eher aus der Beschäftigung mit Beethoven her. Es gibt von dem einige Sonaten (z.B. Appassionata), bei denen es zwischen 2. und letztem Satz keine echte Pause gibt.
Es sind zwei getrennte Stücke, aber es gibt eben einen direkten Übergang.

Der Grund liegt oft darin, dass der zweite Satz bei Beethoven oft Varationensatz ist ... und bei so etwas ein echtes Ende zu schreiben (eines, das auch so wahrgenommen wird), ist eben etwas komplizierter.
In der Appassionata hat z.B. der zweite Satz ein "offenes" Ende, welches gleichzeitig als "Intro" für oder Übergang in den letzten Satz fungiert.

Mir ist aufgefallen, dass das bei der Mondscheinsonate auch geht (spieltechnisch betrachtet), obwohl der zweite Satz dort eben kein Variationensatz ist und daher ein echtes Ende hat.

Es gibt sogar ein sehr bekanntes Stück, welches formal zwar eine Sonate bzw Symphonie darstellt, aber statt der üblichen 3 oder 4 Sätze eben nur 2 hat ... in denen man aber alles findet, was eine 3 oder 4-Sätzige Sonate auch bietet.
Die berühmte "Unvollendete" von Schubert, die nicht ansatzweise unvollendet ist (der Unterschied zwischen Symphonie und Sonate ist kleiner, als viele denken).


Das mit dem hörbaren Ausatmen hat (zumindest bei mir) auch was mit Anspannung und Entspannung zu tun ... ich ertappe mich dabei, dass ich das genauso mache, wenn ich allein im stillen Kämmerlein übe ;)
Live wird das eventuell nochmal etwas überzeichnet ... manchmal kann man die Konzentration vorm nächsten Stück ja fast hören.

Sicherlich ist da auch viel Show dabei ... mein Traumoutit für die Bühne (egal ob an Klavier, Klassischer Gitarre oder in der Rock-/Punkband) wäre ein Frack mit Zylinder ... müsste aber ein echter "Pinguin" sein ... schließlich will ich was über den Hocker wefen können, bevor ich mch setze :lol:
Leider ist son ganzes Set auch etwas teuer ... und ein Gehstock muss da eigentlich auch noch zu (Monokel kann ich als Brillenträger eh vergessen).
Wer mich kennt, der weiß, dass so ein Outfit bei mir wirklich nur Show ist ... aber gerade im Bereich Rock und Punk wäre es mir das wert. Viele der Leute vor der Bühne kennen mich privat ... und die würden so ein Outfit an mir einfach feiern.
 
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Danke für die Erklärung, bisher habe ich „die Klassik“ eher umschifft, die wichtigsten bekannteren Werke kenne ich, oder anders, habe ich schon gehört. Diverse (Kammer-)Konzerte habe ich schon besucht, die aufgeführten Werke waren mir bisher eher egal, viel interessanter finde ich die musikalische Darbietung. Musik ohne für mich sichtbare Spielfreude empfinde finde ich einfach nicht als angenehm, ganz unabhängig von der Stilistik oder technischen Qualität.
DerOlf schrieb:
Anspannung und Entspannung zu tun
Anspannung hab ich nur kurz vorm betreten der Bühne, darauf angekommen bin ich irgendwo zwischen ekstatischem Hochgefühl und totaler Entspannung. Wirklich hörbar fürs Publikum atme ich eher selten, glaube ich, oft werden diese Geräusche vielleicht auch von der Verstärker-Armada überdeckt. Monitore, PA, Amps, irgendwas brummelt immer und bis zu den Zuhörern ist ja oft auch noch etwas mehr „Strecke“. Atemgeräusche ich auf so eine Entfernung nicht mehr, außer die sind bewusst intendiert.
DerOlf schrieb:
...manchmal kann man die Konzentration vorm nächsten Stück ja fast hören.
...und fühlen. Spannendes Moment, immerwieder.
 
SE. schrieb:
Anspannung hab ich nur kurz vorm betreten der Bühne, darauf angekommen bin ich irgendwo zwischen ekstatischem Hochgefühl und totaler Entspannung.
Mit Lampenfieber habe ich auch nur extrem selten Probleme ... vielleicht, weil ich mit 8 jahren zum ersten mal auf einer Bühne stand (als Esel im Krippenspiel).
Meine größte Sorge ist heute eigentlich, dass ich auf dem Weg auf die Bühne nicht auf die Nase falle :lol:
Sobald ich oben bin und mein Instrument in der Hand (oder vor mir) habe, ist alles OK.

Bei Anspannung dachte ich auch eher an die Konzentration darauf, die Musik wie geplant aufzuführen, im Bankontext drauf zu achten, was die andern machen (und entsprechend drauf zu reagieren ... auch wenn das bei mir fast automatisch stattfindet).
Diese Anspannung fällt mit dem Schlussakkord weg ... und dann brauche ich eine kurze "Pause" - auch um mich auf das nächste Stück zu konzentrieren (Tempo, Dynamik usw.).
Bei manchen Stücken signalisierrt das laute Ausatmen auch "jetzt ist Schluss - ihr dürft klatschen, wenns euch gefallen hat" ... das betrifft aber eher Stücke ohne "echtes" Ende oder mit vielen Pausen und "echten" Enden mittendrin.

Ich habe mir (gestern) erstmal wieder die Noten von der Mondscheinsonate besorgt (ich behalte die Noten irgendwie sehr gut, wenn ich sie erstmal drin habe ... Fluch und Segen zugleich, denn ich werde das Blattspiel wohl nie lernen ... bei dritten oder vierten Spielen brauche ich die Noten einfach nicht mehr ... die liegen dann nur aufm Klavier rum).
Da ich momentan mit Metronom übe, sind mir einige Stellen aufgefallen, an denen ich nicht "auf der 1 lande" ... vermurkstes Timing ... also werden die Stellen nun erstmal ganz langsam geübt, damit die Finger das Timing reinkriegen. Bei Tempo 130 und darüber (für die Viertel), ist eine Achtel einfach etwas sehr wenig Zeit, um treffgenau über 3 Oktaven zu springen .... bei Tempo 80 gehts ... auch wenn der Rest dann etwas "schnarchig" klingt - da muss mein Ohr dann mal durch..

Nicht falsch verstehen, ich übe auch ohne Metronom und nutze es meist nur als Tempogeber ... nur mit Metronom zu spielen, halte ich für keine gute Idee ... denn die Dynamik geht dabei auf Dauer halt flöten.
Auch bin ich es einfach nicht gewöhnt ... mit Klick bin ich gestresst und das hört man ... wenn man den Klick stummschaltet, dann spiele ich ihn (ungewollt) tot.
Bei Aufnahmen habe ich viel lieber einen "Ghost-Track" auf den Ohren (z.B. eine Aufnahme der gesamten Band ohne Gesang) ... die Ergebnisse klingen für mch einfach menschlicher.
Ergänzung ()

Ich habe nun auch eine Antwort auf meine erste Frage (Tempo 3. Satz).
144BPM ist als Etappenziel OK (auch weil schon fast erreicht).

Am Ende möchte ich gerne auf stabile ~160BPM kommen ... ist noch nicht das offizielle "presto" ... aber für mich ist das presto genug.
 
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