Leserartikel Realisierung Netzwerkverkabelung im Altbestand

Moeller13

Lt. Commander
Registriert
Sep. 2017
Beiträge
1.236
Ausgangslage

Ich bin vor knapp 2 Jahren zu meiner Freundin gezogen. Es ist ein ehemaliger kleiner Hof mit einem großen Wohngebäude. Die Grundfläche beträgt ca. 160m² pro Etage. Wir wohnen zu zweit oben, die Schwiegereltern zu zweit unten. Dazu kommt noch eine angrenzende kleine Werkstatt.
Es existiert für beide Parteien nur ein einziger Internetanschluss, einfach um Geld zu sparen. Der Router steht relativ zentral im Obergeschoss (mein Büro).

Ein paar Monate vor meinem Einzug wurde von Telekom Hybrid (50 Mbit/s) auf einen lokalen Anbieter (VDSL von epcan) gewechselt, da Schwiegervater sich dadurch besseres Internet erhofft hat. Da aber nur von Speedport auf Fritzbox 7590 gewechselt wurde, war der Erfolg eher gering. Welche Leitung es vorher von der Telekom genau gab, kann ich nicht sagen, aber lt. aktuellem Verfügbarkeitscheck der Telekom können hier nur 6 Mbit/s per Kupferleitung angeboten werden. Beim lokalen Anbieter sind es immerhin 50 Mbit/s, von denen real ca. 25 Mbit/s ankommen. Allerdings ist die LTE-Abdeckung hier ganz gut, sodass der Telekomanschluss vielleicht sogar besser gewesen ist. Wie gesagt, kann ich es aber nur vermuten, da ich den Telekomanschluss nur vom Hörensagen kenne.

Mittlerweile hatte Schwiegervater schon 2 Repeater (Fritz 1750E) gekauft, da ihm diese im Elektromarkt empfohlen wurden. Der übliche Marketingsprech (vergrößerte WLAN-Reichweite, Mesh etc.) halt. Von der optimalen Einrichtung/Aufstellung etc. hat ihm da keiner was erzählt.


Anfängliche Versuche
Das habe ich mir dann ein paar Wochen angeschaut um zu sehen, was wir hier am besten machen können. Also mal einen Überblick verschafft wer wo welche Geräte hat, die versorgt werden müssen. Es war dann schnell klar, dass unten eigentlich nur Geräte per WLAN versorgt werden müssen, während oben auch einige per LAN verkabelt werden sollen.

Dann stellte sich die Frage, wie wir das ganze realisieren können. Ein großes Aufstemmen der Wände stand definitiv nicht zur Debatte und Leerrohre waren, auf meine Nachfrage hin, auch nicht vorhanden. So haben wir vom Raum in dem der Router steht, nach unten in den Rollladenkasten gebohrt. Dann ein LAN-Kabel durchgezogen, an einen zusätzlichen neuen Repeater (Fritz 3000 im AP-Modus) angeschlossen und die beiden anderen Repeater so konfiguriert, dass sie sich mit dem 3000er verbinden. Soweit so gut, Schwiegereltern waren erstmal glücklich.
An dieser Stelle sei gesagt, dass ich weiß, dass man eigentlich Verlegekabel verwendet, aber es sollte „quick and dirty“ gehen und es funktioniert bisher immer noch einwandfrei. Wird aber garantiert nochmal vernünftig verkabelt.

Dann hatten wir oben noch eine kleine Baustelle, da auf dem Balkon und in der Küche der WLAN-Empfang zu wünschen übrig ließ. Ich sollte mich mal drum kümmern, aber es sollte möglichst günstig sein. Und natürlich sollte es kein großer Aufwand werden. Die meisten Dinge, die viele hier schonmal gehört haben.
Also mal geguckt was alles machbar ist. Kurzzeitig hatte ich mir einen Repeater von unten besorgt, um mal zu testen wie es damit geht. War aber eher mies und fiel somit für mich raus.
Dann habe ich mich nach längerem Überlegen und Abwägen für Powerline (Fritz 1260E) entschieden. Das klappte auch einige Zeit super, bis es nach einigen Wochen/Monaten immer mal wieder Abbrüche bei der DSL-Verbindung gab. Also mal in die Logs der Fritzbox geschaut und auch was gefunden „Die Internetverbindung (DSL) wurde getrennt. Die Störung wurde möglicherweise durch Powerline verursacht“. Ab da war Powerline für mich gestorben und ich verteufle es seitdem (auch wenn es bei einigen schon seit Ewigkeiten perfekt funktioniert).
Als ich den Powerlineadapter aus der Steckdose gezogen hatte, ist mir daneben eine TAE-Dose aufgefallen. Schwiegervater wusste nicht, woher das Kabel dafür kommen könnte und an der TAE vom Router konnte man auch nichts erkennen. Also bin ich mal auf den Dachboden gegangen um zu gucken ob man da was erkennen kann. Und siehe da. Es waren mehrere Leerrohre an diversen Stellen vorhanden. Offensichtlich hatte Schwiegervater diese wohl mit der Zeit vergessen. Das hieß für mich aber „Herzlich Willkommen Heimnetz-Verkabelung“.


Die (semi-) professionelle Lösung

Zuerst musste ich prüfen wo die Leerrohre im OG enden könnten. Schnell hatte ich alle fünf Orte ausfindig gemacht (TV-Ecke, Büro meiner Freundin, Ecke zwischen Balkon und Küche, Küche, Schlafzimmer).
Als nächstes kam dann die Planung der Hardware. Der Innendurchmesser der Leerrohre ist nicht groß und ich wollte mir die Möglichkeit offen halten duplex zu legen. Also habe ich nach Verlegekabel mit max. 6mm Durchmesser gesucht und auch eins gefunden (Draka Cat 7 Verlegekabel UCHOME SS26 S/FTP PiMF, weiß, 100m). Dazu dann passende Keystone-Module (DIGITUS Keystone-Modul Cat-6A Geschirmt) und Anschlussdosen (DIGITUS Anschlussdose Für Keystone-Modul - 2 Port) sowie Aufputzrahmen (Digitus DN-93803 Aufputzrahmen weiss). Bei der TV-Ecke musste das Kabel neben das Sat-Kabel in das Leerrohr, also einen passenden Sat-Adapter bestellt (kwmobile 6X Keystone Modul F-Buchse). Dazu passend ein wenig Werkzeug (Netzwerk Werkzeug, Seitenschneider, iFixit Set).

Als Standort für Patchpanel und Switch hatte ich den Abstellraum ausgemacht, da er direkt neben meinem Büro ist (wo TAE und Router sind) und alle Kabel durch einen Schacht auf den Dachboden geführt werden können.
In dem Raum gibt es allerdings keine Möglichkeit für einen 19“ Schrank. Deshalb hatte ich kurzzeitig sogar überlegt alles auf den Dachboden zu verfrachten. Da das Dach allerdings ungedämmt ist und somit die Temperaturen sehr hoch im Sommer bzw. sehr niedrig im Winter sind, war mir das zu unsicher. Die Luftfeuchtigkeit sowie Staub und Dreck spielen dann natürlich auch eine Rolle. Somit habe ich mich nach 10“ Schränken umgeguckt. Bei Digitus habe ich dann das passende gefunden. Einen 6 HE-Schrank, 12 Port Patchpanel für Keystone-Module, 10“ Fachboden und 10“ 4-fach Steckdosenleiste. Als Switch kam ein Netgear GS108 zum Einsatz, den ich noch hier rumfliegen hatte. Ergänzend noch ein paar kurze Patchkabel zum Verbinden des Panels mit dem Switch.
Kleine Anekdote: Der Schrank kam ein wenig verbeult an, sodass ich einen Preisnachlass von 60% bekommen hab. Mit ein wenig dengeln, konnte ich den Schrank wieder halbwegs grade biegen. In seiner Funktion ist der nicht eingeschränkt.

Als dann alles hier war, habe ich mich dran gemacht die Kabel zu ziehen. Das war teilweise gar nicht soo einfach, da die Rohre eben nicht gerade verlaufen, sondern auch Biegungen haben, aber das ist ja klar.
In die Küche konnte ich kein Kabel ziehen, da es auch nach etlichen Versuchen nicht durch das Rohr ging. Weder von unten, noch von oben. Und ins Schlafzimmer haben wir auch keins gelegt, da es direkt neben meinem Büro ist und der WLAN-Empfang für unsere beiden Handys ausreicht.

Es war übrigens auch mein erster Kontakt mit Netzwerkverkabelung, Verlegekabel, Keystones und so weiter. Also musste ich mich erstmal ein wenig rantasten, wie das alles so funktioniert.

Nach dem Verlegen der Kabel habe ich mich an die Keystones und die Anschlussdosen gemacht. Somit war schonmal alles fertig, was in den jeweiligen Wohnräumen war. Auch das mit dem Koax und dem Verlegekabel gleichzeitig in einer Dose klappte super.
Dann jeweils ein wenig Kabelreserve auf dem Dachboden gelassen und die anderen Enden in den Abstellraum geführt. Dort den Schrank an die Wand gedübelt, die Keystones angebracht und alles im Schrank verstaut.
Zum Testen der einzelnen Verbindungen habe ich das Tool aus dem Werkeug-Set benutzt. Das war auch sehr hilfreich, da doch zwei oder drei Verbindungen nicht ganz sauber waren.
Insgesamt wurden Leitungen zu folgenden Zimmern gezogen: Router-Zimmer, Büro der Freundin, TV-Ecke, Ecke zwischen Balkon und Küche.

Als dann alles passte, habe ich das Patchpanel mit dem Switch verbunden und los ging es.
In der Fritzbox wurde alles erkannt und ich konnte den in der Zwischenzeit gekauften Repeater (Fritz 2400) als AP in der Ecke zwischen Küche und Balkon installieren. Das eine Teil aus dem Powerline-Set wurde ebenfalls als AP konfiguriert und im Büro meiner Freundin installiert. Ein kleiner 5-Port Switch kam noch in die TV-Ecke um TV, Blu-Ray Player und AVR einzubinden.

In den Schrank habe ich dann noch meine alte NAS (Buffalo Linkstation 220D) gestellt. Diese wurde mittlerweile durch eine Eigenbau-NAS/Server ersetzt, die ebenfalls im Schrank Platz gefunden hat und zu der ich noch einen separaten Bericht schreiben werde. Auf der ist Unraid installiert mit diversen Docker (Plex, Nextcloud, Wireguard uvm.).

Der Switch ist mittlerweile ebenfalls getauscht und es werkelt nun ein Zyxel GS1100.

Ausblick und Fazit

Als nächstes folgt die Verlegung eines Kabels in die Werkstatt (da ist die Anbindung bisher nur per Repeater realisiert und die Verbindungsqualität ist eher schlecht) und evtl. auch in die große Garage.
Ein Upgrade auf >1Gbit/s ist auch nicht ewig weit weg.
Ebenso werde ich bei Zeiten den AP im Büro meine Freundin austauschen.

Mittlerweile wurden in unserer Straße Leerrohren für Glasfaser verbuddelt. Wann genau der Ausbau/Anschluss erfolgt ist derzeit noch offen, aber ewig wird es nicht mehr dauern. Die Anträge bei der Gemeinde sind bereits in Bearbeitung. Wir hoffen, dass dieses Jahr alles durch ist. Dann können auch die Serverprojekte anlaufen, die ich noch so im Kopf hab und aktuell "on hold" sind.

Das ganze Projekt war zwar am Anfang ziemlich viel zum Nach- und Einlesen in die Materie, aber trotzdem hat es mir sehr viel Spaß gemacht und ich würde es immer wieder machen wollen.
Dabei hab ich so viel gelernt, dass ich einem Freund bereits bei seinem heimischen Netzwerkausbau helfen konnte.
Insgesamt ist es bestimmt nicht perfekt und es gibt garantiert Dinge, die man anders/besser/einfacher/schneller/günstiger oder wie auch immer machen könnte, aber ich bin mit meinem Ergebnis bisher sehr zufrieden.

Dieser Bericht soll auch dazu dienen, jedem Laien (so wie mich) ein wenig Berührungsängste zu nehmen und Mut zuzusprechen es selber zu versuchen. Da hilft dann auch immer dieses Forum hier weiter. Ich hatte mich damals auch durch diverse Threads gewühlt und selber noch einen eröffnet um meine offenen Fragen beantwortet zu bekommen (vielen Dank nochmal an alle, die mir geholfen haben).

So dann. Immer hier mit euren Fragen, Anregungen und natürlich Kritik :)


Fotos
kaputter SchrankTest-Aufbau 1Test-Aufbau 2Verkabelung 1Verkabelung 2Verkabelung im Schrank 1KabeltestVerkabelung im Schrank 2fertiger Aufbauerweiteter Aufbau 1erweiteter Aufbau 2
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: Mr.Zweig, Lumiel, hildefeuer und 8 andere
Hey sieht gut aus. Was den Lüfter angeht hätte ich noch einen Vorschlag: Mach doch in den Boden ein Loch und bauen den Lüfter so ein dass er die Luft von unten ansaugt. Oben hast du ja sowieso ein Loch wo die Kabel rausgehen und die warme Luft abziehen kann. So wie der Lüfter aktuell hängt kannst du das Teil ja nur mit offener Tür betreiben.
 
Der Lüfter ist bisher nur provisorisch dort angebracht, da ich testen wollte, wie sich die Temperaturen der Serverkomponenten verhalten. Mittelfristig wird der noch sauber verbaut, bin bisher nur noch nicht dazu gekommen.
 
Zurück
Oben