Jirko schrieb:
Natürlich gibt es da objektive Maßstäbe
Das gilt vielleicht für ein Schallereignis, aber kaum für die Klangwahrnehmung.
Rtings hat ja selbst eingeräumt, dass es solche Bemühungen bisher (zumindest in diesem Umfang) noch nicht gab und man sich in sowohl Forschung als auch Entwicklung noch uneinig ist, wie solche Messstände überhaupt auszusehen haben.
Selbst die Messung des Frequenzgangs ist heikel genug, weil nicht mal klar ist, ob man das menschliche Hörermpfinden bzw. die Wahrnehmung eines Kopfhörers überhaupt mit einem Kunstkopfmikrofon abbilden kann. Rtings konstituiert mit seinen Messungen eine Norm, die nicht von Grund auf auf der menschlichen Wahrnehmung beruht, sondern die Impulswiedergabe auf einem HMS von Head Acoustics ermittelt. Die Problematik hierbei: allein das Messinstrument ist nur eine Annäherung an das menschliche Hörsystem. Der Schall, den wir wahrnehmen, durchläuft über Außenohr und Ohrkanal eine komplexe, individuelle Filterung, die bei einem Kunstkopf aus technischen Gründen nur
simplifiziert und
gemittelt rekonstruiert wird. Die Summe dieser Effekte wird dann von der gemessenen Impulswiedergabe abgezogen, um den (vermeintlich) tatsächlichen Frequenzgang eines Kopfhörers zu erhalten. Wobei wir dann wieder beim nächsten Problem wären. Und zwar: was ist linear? Und vor allem: unter welchen akustischen Bedingungen? Rtings verwendet (nach Stand 2017) eine modifizierte Harman-Kurve, die im Bass* nach der eigenen Wahrnehmung und im Treble nach der Diffusfeldmessung des Kunstkopfes korrigiert wurde. Ob das so allgemein anwendbar ist und sich auch auf das individuelle Subjekt (mit abweichender Physis sowie Trageposition) übertragen lässt, ist äußerst fraglich.
*
Welcher aufgrund der Fehleranfälligkeit interessanterweise auch nicht mehr per HMS, sondern per InEar-Mikrofon mit blockiertem Ohrkanal ermittelt wird.
Und das wären allein die Unstimmigkeiten bezüglich der Frequency Response.
Rtings geht ja noch weiter und misst sogar Imaging und Soundstage, wobei z.B. davon ausgegangen wird, dass ein Kopfhörer wie ein gutes (in 30° aufgestelltes) Paar Lautsprecher in einem guten Raum klingen soll. Als Referenz dient das Impulsverhalten des Kunstkopfes, welches den Dokumentationen zufolge in einer Lagerhalle(!) vor einem M-Audio BX8(!) gemessen wird. Über die weitere Zusammensetzung der Messergebnisse braucht man dann eigentlich kein Wort mehr zu verlieren...
Um es auf das Wesentliche zu reduzieren:
- jeder Kopfhörer, der über mehrere Messungen gemittelt am besten zum umstrittenen Messaufbau Rtings passt, bekommt eine Spitzenwertung
- jeder Kopfhörer, der von deren Idealkurve (nicht die, deines eigenen Gehörs!) abweicht, wird abgewertet
- insbesondere die Ermittlung der Soundstage ist fragwürdig, macht jedoch ganze 20% des "Cricital Listening" aus und wird damit sogar stärker gewichtet, als der Treble
Mit einer nachvollziehbaren Beurteilung der Klangqualität hat dieses Vorgehen für meine Begriffe nicht viel gemein. Der ganze Aufwand bringt irgendwo auch nichts, wenn der Normalsterbliche die Variablen nicht richtig interpretieren kann. Bleibt letztlich also nur blindes Vertrauen. Vertrauen, welches man genau so gut auch jemandem schenken könnte, der die Kopfhörer ganz praktisch miteinander verglichen hat.