Hallo,
wollte mal auch meinen Senf dazu abgeben...
Optionen 1 - 4: Klingen vielleicht toll, können eventuell im Freundeskreis beeindrucken, jedoch sind dies meines Wissens nach keine anerkannten Ausbildungen auf denen sich eine grundsolide Laufbahn aufbauen lässt.
Option 5 -6: Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung ist eine anerkannte Berufsausbildung, die es mittlerweile seit ca. 1997/1998 gibt. Je nach deiner bisherigen schulischen Laufbahn, falls du nicht ohne hin schon Abitur hast, kann dir so eine Ausbildung nach erfolgreichem Abschluß und vielleicht noch bissel Berufserfahrung die Tür zu einem anschließenden Studium, d.h. Bachelor und später Master oder noch weiter dann Doktor öffnen. Je höher deine Qualifikationen sind, desto höher werden deine Einstiegsgehälter bei den Firmen sein, wenn dir das bewusst ist und du dich entsprechend auch gut im Bewerbungsprozess positionierst. Insgesamt ist auch am Arbeitsmarkt die aktuelle Lage für Arbeitnehmer sehr positiv und eher negativ für Arbeitgeber. Will sagen, wo früher Ende der 90er noch ca. 50 Bewerber für diesen Berufszweig auf 1 freie Stelle fielen, ist eher heute die Lage, dass 100 Recruiter händeringend nach einem Kandidaten für die offenen Stellen eines Arbeitgebers suchen. Das äußert sich darin, dass sie dann die Sozialen Netzwerke, wie LinkedIn und Xing, abgrasen und mehrere 100 Nachrichten am Tag rausballern um an die Leute zu kommen. So gesehen keine schlechte Idee von dir, hier einzusteigen und den Markt zu betreten.
bei Option 5 und 6 würde ich mehr zu 5 als zu 6 tendieren, weil ...
bei beiden Optionen hast du am Ende den FIFA in der Tasche, soweit kein Unterschied.
Bei Option 5 hast du nen dicken Blumenstrauß an Zertifikaten, kurz gesagt dein Lebenslauf könnte sich dann schon fast wie ein Märchenbuch von den Gebrüdern Grimm lesen... :-D Solche Zertifikate gehen meist mit einer Prüfung einher und bestätigen im Grunde nur, dass du am Tag der Prüfung genügend Wissen hattest um dieses Zertifikat zu erhalten. Je mehr Zertifikate du hast, desto mehr kannst du easy nachweißen, da mal an einem besonderen Tag eine gehörige Portion theoretisches Wissen gehabt zu haben. Für einen Personaler deiner zukünftigen Wunschfirma nicht unbedingt die schlechteste Voraussetzung, da sie meist eher nach Auflagen von ihrem Chef und Übereinstimmungen mit deinem Lebenslauf schauen. Bei der tatsächlichen Arbeit spielen dann, je nach Geschäftsmodell dann aber andere Punkte eine wesentlich wichtigere Rolle, als ein paar Papiere. D.h. Zertifikate können dir Türen öffnen, durchgehen musst du dann selbst und danach zählt, was du drauf hast und tatsächlich auch von der Theorie dann in die Praxis umsetzen kannst.
Wo ich noch die Geschäftsmodelle der Firma ansprach... Primär sehe ich 2:
A) Firma arbeitet primär auf dem Dienstleistungssektor, z.B. sie liefert die Manpower und das Know How, aber das Projekt und die Risiken liegen dann eher bei einem Partnerunternehmen, Kunden etc. die für sich eine Software erstellen wollen um vielleicht im Haus selber was zu optimieren oder ihrer eigenen Zielgruppe/Kundschaft einen Mehrwert zu bieten. Hier können auch Zertifikate von dir wichtige Verkaufsargumente sein, da so der Vertriebler deiner Firma in der Lage ist, evtl. dich dann teurer als Spezialisten/Experten seiner Kundschaft anzubieten. Es ist dann auch anzunehmen, dass du in fremden Teams arbeiten wirst, die hauptsächlich aus Mitarbeitern des Kunden bestehen und du dann der Keyplayer und Experte bist, der ggf. dann angezapft wird, weil du halt schon mal durch deiner Zertifizierung zumindest die theoretischen Grundlagen nachweißen konntest.
B) Firma arbeitet primär im Produktsektor, d.h. sie hat ein eigenes Portfolio an Softwareprodukten, dass gepflegt, gewartet oder sogar Softwareprodukte komplett neu entwickelt. Da bist du eher in einem firmeninternen Team und deine mühsam erworbenen Zertifizierungen interessieren eher einen feuchten Furz, nach dem du erfolgreich den Bewerbungsprozess und die Probezeit durchlaufen hast. Auch hier zählt dann schlicht, kannst du theoretisches Wissen tatsächlich aus deinem Hirn und nicht aus einem Zertifikat extrahieren und bist du in der Lage es effektiv praktisch anzuwenden???
Auch verschiedene Mischformen der 2 Spielarten (A oder B) sind durchaus möglich. Da du sicherlich beim Arbeiten in Teams sein wirst, ist z.B. eine SCRUM Zertifizierung schon mal gut, weil SCRUM als Prozess sehr häufig in verschiedenen Firmen in unterschiedlichen Ausprägungen in den Teams angewandt wird. D.h. hier schon theoretisches Wissen darüber zu haben, wird sich positiv auswirken. AWS und Azure Zertifikate können sich auch positiv auswirken, weil heißt Cloud und wenn ich auf so Buzzwords, wie Industrie 4.0 und Agriculture 4.0 schaue, die viel wolkige Sachen beinhalten, dann da auch ein GO GO GO! Interessanterweise gibt es hier auch weitere vom Staat initiierte Bewegungen inkl. Fördermittel und so weiter. Wenn wir schon von Cloud sprechen, dann hast du da auch viel mit Linux zu tun, selten laufen Windows Server im wilden Netz der Netze. Also das Linux Zertifikat LPIC 1 ist da schon interessant. Was noch so bei den Cloud Sachen bei den aktuellen Trends interessant ist, wäre das Thema CyberSecurity ... heute in der Cloud, morgen schon geklaut ... gerade bei Industrie 4.0 ein Kernding, wo es sich lohnt auch da mal die Fühler auszustrecken.
Die SAP HANA Sache ist in meinen Augen schon sehr speziell, was deinen Handlungsspielraum etwas einschränken könnte, ich würde es nicht machen, egal ob mich jetzt die ganzen SAP Consultants da gerade lynchen möchten oder nicht.
Abschließend möchte ich dich noch auf etwas hinweisen:
Als Softwareentwickler kommst du oft in Situationen, wo du den gleichen Stresspegel haben wirst, wie ein Pilot von einem Jumbojet, der versucht, seine vollbesetzte Boeing bei stürmischen Wetter in der Nacht auf einem halbfertigen BER mit kurzer Landebahn und nur durch kleine Leuchtfeuer beleuchtet, sicher zu landen.
Je nach Organisation deines künftigen Arbeitgebers, Arbeitsweise deines Teams, Qualität des Softwarecodes und einer ganzen Reihe von anderen inneren und äußeren Einflüßen wirst du diese Situationen häufiger oder seltener erleben. Mach dich darauf gefasst, das ist kein Job, den du einmal lernst und dann die gleichen Handgriffe jeden Tag stupide ausführst, denn ...
Softwareentwickler sind im übertragenen Sinne in der Lage das Sonntags-Kreuzworträtsel der New York Times in mehreren Sprachen zu lösen und sie werden dafür bezahlt, es jeden Arbeitstag laut Vertrag ca. 7-8 Stunden lang zu tun! Das ist nicht zu vergleichen mit Susi Sorglos und Karl Zumsel, die am Feierabend mal ihr Abendessen bei Instagram posten und ihre Urlaubsclips auf TikTok pushen. Das Business ist verdammt hart!
Im Endeffekt arbeitet täglich dein Hirn nahe 100% am Anschlag ... Depressionen, Burnouts, Alkoholismus, Drogen und andere Süchte sind nicht wirklich selten anzutreffen. Beziehungsprobleme bis hin zur Scheidung, soziale Isolation und Kommunikationsprobleme können da auch schon mal nen fetten Strich durch deine aktuelle Lebensplanung machen. Und wenn du bemerkst, dass du seit Tagen zwar regelmässig als Ritual das stille Örtchen aufsuchst, aber keinen Bob mehr erfolgreich in die Bahn legen konntest, dann wird es höchste Zeit nach "Progressiver Muskelrelaxation nach Jacobsen" zu googeln, denn du bist kurz davor in diesen Strudel reinzurutschen!
Das Gegenteil davon ist dann der Adrenalinkick und Höhenflug, den du erleben kannst, wenn du ein unlösbares Problem im Code knackst, die Software wie Butter läuft und der Kunde dir Lobeshymnen in Form von E-Mails und Messengern zukommen lässt. Bonis vom Arbeitgeber sind auch möglich, ne gute Quote stärkt deine Position in der Firma, du wandelst dich zum Leistungsträger und macht dann Gehaltsverhandlungen zu nem Vergnügen, statt betteln zu müssen. Dann kannst du dich unter Umständen wie Reinhold Messner fühlen, der so eben einen der 8000er dieser Erde ohne Sauerstoffgerät bestiegen hat.
Worauf ich hinaus will ... schau nicht nur auf das verlockende Geld, sondern schau auch auf dich und was du kannst, was du bist und wie du in Stresssituationen reagierst. Denn Softwareentwickler sind Gehirnakrobaten, ihr Handwerkszeug ist Wissen, ihr täglich Brot sind Probleme, sie arbeiten nicht mit Muskelkraft, außer das einige 10mal am Tag eine volle Red-Bull Dose exen und pures Koffein durch ihre Adern fließt. Tatsächlich wurde ich schon mal schief angeschaut, weil ich im Büro nur Wasser trinke. Der größte Teil der Arbeit sind Gedanken und wie Entwickler das dann in Code gießen...
Und ein Mantra habe ich noch für dich: Es gibt keine unlösbaren Probleme, sondern nur versteckte Lösungen und die zu finden, das ist die eigentliche Herausforderung! Jeden Tag!
Bist du dazu bereit? wenn ja, dann leg los, denn du wirst jeden Tag neues lernen und anwenden.
Und Frage an die anderen, hattet ihr schon mal das Vergnügen, abends um 20 Uhr nach einem 10 Stunden Einsatz, bei einer C-artigen Sprache, wie C, C++, Java, C# im Code auf das griechische Fragezeichen zu treffen, weil die CI Pipeline euch mit ner freundlichen E-Mail anschrieb und der liebe Kollege im Feierabend schon für sich eine stille Kündigung aussprach? Wohlgemerkt die Produktion im 24/7 Betrieb steht still und der Kunde ruft nach einem Update, denn Zeit ist Geld!