Mit Metroid Prime 4: Beyond erhalten wir nach 18 Jahren (!) endlich den nächsten Teil der Metroid-Prime-Reihe. Prime 1 und Prime 2 sind absolute Klassiker; Prime 3 hat leider einige Schwächen und konnte daher nicht mit seinen Vorgängern mithalten. Kann Prime 4 an die Erfolge von Prime 1 und Prime 2 anschließen?
1. Story und Writing
Im Tutorial-Abschnitt des Spiels bekommen wir es mit einem außerirdischen Artefakt zu tun, das uns auf den Planeten Viewros teleportiert. Um den Planeten verlassen zu können, müssen wir fünf Schlüssel sammeln, um in den Chrono Tower zu gelangen, damit wir von dort vom Planeten teleportieren können. Die Prämisse des Spiels ist durchaus funktional, wird jedoch – dazu später – von erheblichen Pacing-Problemen (insbesondere dem „Open World“ Hub des Spiels) und dem schlechten Character-Writing kompromittiert. Die
Intro-Cutscene mit McKenzie dürfte hierbei schon durch Social Media und Co. bekannt sein und sonderlich besser wird das Millennial Character Writing im Spiel auch nicht. Da das Spiel mitunter stark auf die gestrandeten Crew-Mitglieder setzt und diese sich mit Samus unterhalten, wirkt es dezent seltsam, dass Samus in Prime 4 stumm ist.
2. Aufbau und Spielwelt
Der Anfang des Spiels ist sehr gut gemacht. Das Startgebiet auf Viewros – Fury Green – sieht atemberaubend aus und der erste Dungeon auf Fury Green sowie der zweite Dungeon – Volt Forge – haben Spaß gemacht. Die ersten Stunden im Spiel sind fantastisch. Danach kommt aber das große Problem des Spiels: Sol Valley – die große (leere) Wüste, die als Hub World des Spiels dient. Das Spiel ist nämlich nicht als klassisches Metroidvania aufgebaut, sondern eher wie ein klassisches 3D-Zelda, in denen man durch eine Hub World von Dungeon zu Dungeon reist. In Sol Valley verstecken sich nicht nur einige Upgrades, sondern auch grüne Kristalle, die man für „Green Energy“ zerstören muss, für die man seinerseits weitere Upgrades bekommt.
Als Fortbewegungsmittel in Sol Valley dient Vi-O-La – ein futuristisches Motorrad. Das ist auch zwingend notwendig, weil Sol Valley groß ist und es einiges an Zeit kostet, um von Dungeon zu Dungeon zu kommen. Dennoch verschwendet man aufgrund des Sammelns von Green Energy und Upgrades sowie den erforderlichen Reisen viel Zeit in Sol Valley, denn das Spiel erfordert auch einiges an Backtracking. Da man in Sol Valley zudem auch von Kämpfen gegen Monster abgelenkt wird und es diverse Ladebildschirm-Cutscenes gibt, wird die Spielzeit unnötig gestreckt, was zu erheblichen Pacing-Problemen führt.
Mir leuchtet nicht ein, warum sich Nintendo für diese Spieldesignwahl entschieden kann. Ich kann mir nur denken, dass der Grund darin liegt, die Spielzeit zu strecken. Das Spiel hat nämlich nur fünf Dungeons und benötigt – je nach Vollständigkeitsgrad – nur 10 bis 15 Stunden Spielzeit. Dabei wirken die Dungeons leider sehr repetitiv und überstrapazieren zudem die Gastfreundschaft. Es wäre besser gewesen, mehr Dungeons zu haben, die zudem kürzer wären. Ich verstehe auch nicht, warum man ab dem dritten Dungeon kaum Außenabschnitte eingefügt hat, um die feindliche Außenwelt mit einzubeziehen. Gerade der Umstand hat den ersten beiden Dungeons – Fury Green und Volt Forge – im stilistischen Sinne eine eigene Identität gegeben. Schließlich finde ich es auch bedauerlich, dass das Spiel extrem linear ist: Es gibt einen einzigen vorgegebenen Weg, der auch kein Sequence Breaking ermöglicht. Dabei ist es gerade die Stärke einiger Metroidvanias, Sequence Breaking zu berücksichtigen.
3. Gameplay
Wie für Metroid Prime üblich, besteht das grundlegende Gameplay aus zwei Teilen: Einerseits Combat und andererseits Traversal/Puzzles. Die Bosskämpfe machen hierbei durchaus Spaß, weil sie sehr mechanisch aufgebaut und daher jeweils ein Puzzle für sich sind. Dennoch – und gerade bei normalen Gegnern – dürfte das sog. „META“-Gameplay (Most Effective Tactics Available) in normalen Kanonenschüssen und
Strafing bestehen. Das Kämpfen gegen normale Monster kann daher durchaus lästig werden, weil der Puzzle-Anteil fehlt – das gilt umso mehr bei Horde Defense Abschnitten. Das ist auch gerade aufgrund des notwendigen Backtrackings problematisch, weil man gerade im Combat keinen wirklichen Character-Progress spürt.
Die Puzzle-Abschnitte, die überwiegend aus Traversal-Puzzles bestehen, machen hierbei schon deutlich mehr Spaß und erfordern, dass man eine Vielzahl von Fähigkeiten einsetzt. Auch, wenn es teilweise Abschnitte gibt, in denen man sich ggf. wundert, was genau man machen soll, ist der Puzzle-Teil des Spiels gut und völlig in Ordnung. Das Problem hieran liegt leider ebenfalls in dem schlechten und durch Sol Valley verursachten Pacing des Spiels. Die Hub World verschwendet einfach zu viel Zeit als dass man wirklich langfristig Lust hätte, zu alten Gebieten zurückzukehren, um dort seine neuen Fähigkeiten auszuprobieren.
Negativ anmerken muss ich leider, dass das Spiel auch beim Gameplay auf die Companion Characters der gestrandeten Crew setzt. So muss man diese nicht nur beschützen, sondern braucht sie auch für das Öffnen bestimmter Türen oder für Traversal Puzzles. Gerade in dem Punkt scheint dem sonst gut gemachten Spiel auch Polish zu fehlen. Zumindest ich habe im letzten Fünftel des Spiels erleben müssen, dass der Companion Character an der Stelle verbuggt ist, was dann natürlich für einen sog. Softlock geführt hat. Das hat dazu geführt, dass ich rund eine Stunde Spielzeit verloren habe und danach wenig Lust verspürt hatte, das Spiel noch selbst zu beenden. Die Spielabschnitte nach diesem Punkt habe ich mir daher im Stream angesehen.
4. Monetarisierung
Nintendo begeht mit Prime 4 erneut die Sünde des physischen DLC. Es gibt für das Spiel drei Amiibo, die unterschiedliche Sachen freischalten. Das Sylux-Amiibo (20 EUR) schaltet eine Post-Credits-Cutscene frei, die man sonst nur erhält, wenn man das Spiel zu 100 % abschließt. Das Samus-Amiibo (ebenfalls 20 EUR) sorgt dafür, dass man in Sol Valley ein Radio nutzen kann und dadurch Musik in Sol Valley abspielen kann – ansonsten ist Sol Valley faktisch stumm. Anders als zunächst in Social Media verbreitet, erhält man auf das Radio keinen Zugriff, wenn man das Spiel zu 100 % abschließt. Beim 100%igen Abschluss erhält man lediglich weitere Songs – das Amiibo selbst bleibt weiterhin notwendig. Mit dem Samus & Vi-O-La Amiibo (30 EUR) kann man Skins für Vi-O-La freischaltet. Prime 4, auf Switch 2 zumindest ein 70 EUR Titel, bietet mithin zwei DLCs für insgesamt 50 EUR, um das volle Spielerlebnis freizuschalten. Meiner Meinung nach ist das mindestens genauso dreist wie der Mega-Dimension-DLC für Pokémon Legends Z-A, der aller Voraussicht nach bereits Bestandteil des Grundspiels war und dann erst zur weiteren Monetarisierung (und/oder weil man das Spiel sonst nicht rechtzeitig fertigstellen konnte) aus dem Grundspiel ausgeschnitten wurde.
5. Fazit
Ich hatte aufgrund der erheblichen Pacing-Probleme tatsächlich Schwierigkeiten damit, das Spiel abzuschließen. Mir ist schlicht und ergreifend die Motivation abhandengekommen. Prime 4 kann definitiv nicht an Prime 1 und Prime 2 anschließen – es reicht nicht einmal für den Anschluss an Prime 3. Ich kann daher nicht verstehen, warum das Spiel auf Metacritic einen so guten Userscore (derzeit 8,4) erhält. Mich persönlich hat Prime 4 leider sehr enttäuscht. Von mir bekommt Prime 4 daher – um es mit den Worten einer meiner Lieblings-Streamer auszudrücken – eine
„A 6 might be too generous.“ / 10.