Da die für mich interessanten Themen eingeschlafen sind, in den weniger interessanten Themen das CB-Regime mehr angst verbreitet, als ich 2005 in Afghanistan und 2006 im Irak hatte, dachte ich mir, ich eröffne auch mal so einen Thread. Da die Anforderungen, einen Thread im PuG zu eröffnen ähnlich hoch sind, wie das Betreten der Skunk Works auf der Nellis AFB, sehe ich das mal als nächsten Meilenstein für meine bescheidenen Deutschkenntnisse.
Überall in Europa dominiert aktuell das Geld. Ob Stuttgart 21, der neue Personalausweis, (zivile) Atomnutzung oder andere Themen, Hauptargument und Problem vieler Projektgegner sind immer die Finanzen. Wo aber die oben genannten Projekte und sicher auch viele andere Projekte zumindest einen prinzipiellen Nutzen erkennen lassen, schert sich kaum jemand um etwas, dass zumindest nicht weniger Geld kostet, dafür aber tatsächlich keinen Mehrwert bringt - europäische Rüstungsprojekte, vor allem von EADS, und Beispielhaft der Transporter A400M.
Da viele Leute erfahrungsgemäß wenig Ahnung haben, aber dennoch mitdiskutieren wollen, hier ein paar Links zu dem Thema zum Einlesen;
http://de.wikipedia.org/wiki/Airbus_A400M
http://www.welt.de/print/die_welt/w...zierung-fuer-Militaerflieger-A400M-steht.html
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/airbus526.html
Bei der Tagesschau kann man sich auch unten zu älteren Beiträgen durchklicken und somit einen wunderbaren und ziemlich objektiven Gesamtüberblick erhalten.
Für alle, die daran scheitern, eine kurze Zusammenfassung:
Der A400M soll für jedes halbwegs namhafte europäische Land das Rückgrat im militärischen Lufttransport bilden. Abgelöst werden sollen vor allem in Deutschland und Frankreich uralte und leistungsmäßig deutlich schlechtere C-160 Transall.
Entwickelt und gebaut werden soll das Ganze dann von Airbus Military, einer Airbus Tochter und damit letztendlich EADS.
Dass man die alten C-160 ersetzen muss, steht völlig außer Frage. Nicht nur, dass die Transall schon über ihre Lebensdauer hinaus verbraucht wurden, sie wurden auch unter den Gesichtspunkten des Kalten Krieges bzw. einem eventuellen Krieg in (Mittel)Europa entwickelt. Ladekapazität und Reichweite sind also perfekt, wenn man mal wieder z.B. Polen einnehmen möchte, aber für einen Flug nach Afghanistan muss man in mehreren Ländern zwischenlanden, die nicht mal eine eigene Wikipedia-Seite haben.
Anforderungen für die A400M waren im Groben;
- einen Schützenpanzer/selbstfahrendes Artillerigeschütz/mehrere kleinere Panzer/mehrere Jeeps
- über mehrere tausend Kilometer
- diese teilweise auch vollautomatisch im Tiefflug
- schnell
- mit Start und/oder Landung auch auf schlecht oder unbefestigten Flugplätzen
transportieren können.
Die ersten Ausschreibungen und Anforderungen sahen soweit auch ganz gut aus, wenngleich ich hier noch einmal die bekannten Alternativen vorstellen möchte;
1) Iljuschin Il-76 aus Russland, auch neu lieferbar:
ein absolutes Arbeitspferd, ein Stück größer als der A400M, aber trotz der Düsentriebwerke änhlich gut für die Aufgaben geeignet, u.a. eben auch für unbefestigte Flugplätze. Deutlich größere Nutzlast, in neueren Versionen auch mit moderner (westlicher) Avionik und westlichen Triebwerken. Die Il-76 gibt es auch in allen möglichen anderen Varianten, die für europäische Länder interessant sind - vom Tanker über AWACS bis hin zum Seeaufklärer.
plus Antonow An-70, Neuentwicklung (damals, als ein Flugzeug wie der A400 gesucht wurde), vergleichbare Daten wie der jetzige A400M, nur eben schon Mitte der 90er Jahre flugfähig
-> Diese Alternative wurde nicht weiter verfolgt, da Russland generell keine Lizenzen für Ersatzteile vergibt, man also im Fall der Fälle aufgeschmissen wären, solange man sich an internationales Recht hält. Dazu natürlich auch ein gewisser Gesichtsverlust. Dafür hätte man, gerade Ende der 90er, Anfang 2000, Il-76 und An-70 für einen absoluten Bruchteil an Geld bekommen, genaue Zahlen habe ich nicht, aber ich bezweifle, dass man pro Flugzeug mehr als 40% einer A400M hätte zahlen müssen - heute, wo die A400M-Kosten explodieren, sähe das natürlich noch krasser aus.
2) Boeing C-17 aus den USA, Lieferung neu ab ~2000, eventuell später, aber nicht später als 2005:
großer strategischer Transporter, deutlich größer als die A400M, dafür aber universeller Einsetzbar, darauf werde ich aber weiter unten noch eingehen. Das derzeit beste, was man als strategischen Transporter bekommen kann, wenn man das Budget dafür hat.
plus C-130, seit 50 Jahren im Dienst vieler Luftstreitkräfte, unter anderem auch schon bei anderen eurpäischen Ländern. Grob mit dem A400M vergleichbar, nicht genau das, was man wollte, aber ausreichend erprobt und relativ günstig in verschiedensten Varianten verfügbar. Nicht die perfekte Lösung, aber besser als das, was jetzt noch vom A400M übrig ist.
-> Gerade die C-17 sind extrem begehrt. Großbritannien hat einige davon geleast und auch Deutschland mietet immer wieder welche von der RAF oder der USAF an, wobei das weniger geworden ist, seit Deutschland stark auf die An-124 der Volga-Dnepr setzt. Die Alternative wurde aber abgelehnt, weil die C-17 zu teuer und zu groß wären und die C-130 zu alt und nicht das, was man möchte. Außerdem würde man damit ja keine "einheimischen" Firmen stützen.
Die Entscheidung fiel dann politisch auf das, was von einst so großen Namen wie Messerschmitt, Dornier und Focke-Wulf übrig ist - EADS mit seinen diversen Tochterfirmen.
Seit nunmehr Ende der 80er Jahre wird also von diesem europäischen Konsortium versucht, ein Propellerflugzeug zu entwickeln. Natürlich fordert die Politik und das Militär immer eine Eierlegendewollmilchsau, Kostenexplosionen sind also völlig normal und nachvollziehbar.
Mittlerweile gibt es aber ein größeres Problem;
das Flugzeug fliegt zwar, zumindest als Prototyp, doch können die meisten angeforderten Fahrzeuge nicht mehr transportiert werden. Panzerhaubitze 2000, Marder und Co. werden also auch in Zukunft von privaten An-124 der Volga-Dnepr durch die Gegend geflogen werden müssen (vgl. http://soldatenglueck.de/2010/05/27...ins-einsatzgebiet-afghanistan-verlegt-bilder/ ).
Das ist aber auch gar nicht so schlimm, denn die Reichweite ist so weit zusammengeschrumpft, dass man nicht mehr ohne Zwischenlandung nach z.B. Afghanistan kommt.
Die vollautomatische Tiefflugmöglichkeit wurde zumindest bei den deutschen Maschinen mit der Vertragsunterzeichnung von gestern auch gestrichen.
Was bleibt ist ein modernes Propflugzeug, welches zwar über einige gute Eigenschaften verfügt (u.a. Benutzung von unbefestigten Pisten, Vielseitigkeit), aber über kein wirkliches Allsteinstellungsmerkmal und schon gar nichts, was die exorbitanten Kosten rechtfertigt.
So viel zur Einleitung.
Jetzt beginnt das, was ich interessant finde und annehme, dass sich nur deshalb niemand beschwert, weil sich mit dem Thema kaum jemand beschäftigt. Ich glaube ja nicht mal, dass sich viele die Einleitung durchgelesen haben, geschweige denn, sich weiter mit dem Thema informiert haben.
Ursprünglich hat Deutschland 73 Flugzeuge bestellt, diese Zahl war schon recht niedrig. Deutschland verfügt zwar auch nur über ~90 Transall, ist aber mittlerweile international tätig, braucht also dringender Luftfrachtkapazitäten als z.B. 1985.
Mittlerweile hat Deutschland noch 53 Maschinen geordert, auch, um den Gesamtpreis nicht zu weit zu erhöhen.
Und hier beginnt das Interessante:
EADS Chef Gallois (http://www.focus.de/finanzen/boerse...t-seinen-star-zur-disposition_aid_469892.html) drohte öffentlich damit, das Projekt zu beenden, wenn sich die beteiligten Staaten nicht an den Mehrkosten von, bis dahin, läppischen 7 Milliarden Euro beteiligen würden. Oder im Computerbase-Jargon: Dafür könnte man mal eben Stuttgart 21 bauen, jeden Tag 10 Castortransporte über ein Jahr lang nach Gorleben fahren oder jedem Bundesbürger täglich einen neuen Personalausweis bis zu seinem Tode bezahlen.
Man stelle sich zum Vergleich einfach mal vor, man hätte Qantas, Singapore Airlines, Emirates etc. gesagt, sie sollen sich gefälligst an den Mehrkosten des A380 beteiligen, sonst würde man das Projekt einfach beenden.
Im Gegenteil, Airbus hat wohl ziemlich viele Zugeständnisse machen müssen, damit die A380 doch noch abgenommen werden.
Nachdem also politisch geklärt wurde, dass die Mitgliedsstaaten die Mehrkosten übernehmen (bis auf einen recht kleinen Teil der Gesamtsumme, die EADS übernehmen wird, sofern sich weitere Besteller finden), u.a. durch verringerte Bestellungen bei gleichem Gesamtpreis und dem Verzicht auf z.B. die automatische Tiefflugautomatik, verzichten die Mitgliedsstaaten weiterhin auf jegliche Vertragsstrafen und Schadensersätze, welche aus der verspäteten Lieferungen resultieren könnten.
So hätte Deutschland eventuell die Kosten für die Anmietung von An-124 von Volga-Dnepr geltend machen können.
Einen festen Liefertermin gibt es immer noch nicht. Und nachdem EADS die Welt schon beim A320 Nachfolger, beim A380, beim A350 und bei der A400M in schöner Regelmäßigkeit überrascht hat, bin ich mir sicher, dass bis ~2014 noch weitere interessante Überraschungen folgen werden.
Das ist übrigens auch einer der Gründe, weswegen in den USA niemand Airbus-Tankflugzeuge möchte. Die USAF braucht die Tanker bald und nich erst 2030 und auch wenn Boeing (genau so wie jede andere Firma) auch mit Verzögerungen zu kämpfen hat, so wurde doch zumindest eine prinzipielle Termintreue bei Rüstungsprojekten bewiesen.
Wie seht also ihr die ganze Sache? Wusstet ihr davon oder hört ihr jetzt das erste Mal von der Thematik? Glaubt ihr, dass man dafür in Deutschland auch auf die Straße geht?
Findet ihr es in Ordnung, dass ein mehr oder weniger privater Konzern nicht nur droht, solch ein Projekt zu beenden, sondern auch noch jegliche anfallenden Mehrkosten auf die Mitgliedsstaaten verteilen möchte? Und wie steht ihr dazu, dass die Soldaten mal wieder diejenigen sind, auf deren Rücken die Politik und mehr oder weniger fähige Firmen ihre Kämpfe und Probleme austragen?
Ich würde auch gerne noch einen Schritt weiter gehen, wobei ich nicht weiß, ob das in einem allgemeinen Forum wie CB viel Sinn hat. Wie hättet ihr das Problem gelöst? Ich persönlich fände es z.B. nützlich, wenn man innerhalb der EU oder der europäischen NATO einen Pool aus großen strategischen Transportern anlegt - egal ob nun nur C-17 oder auch C-5 oder An-124 - der gemeinsam finanziert wird und auch entsprechend genutzt werden kann, da ja viele Operationen doch gemeinsam stattfinden. Luxemburg und Belgien haben z.B. je eine halbe A400M gekauft (ich hoffe, EADS schafft es, ein ganzes Flugzeug auszuliefern und nicht z.B. zwei rechte Hälften
). Glaubt ihr, sowas wäre machbar? Oder sollte doch lieber jedes Land weiterhin sein Süppchen kochen, auch wenn dann z.B. Deutschland keinen direkten Zugriff auf strategische Transporter hat?
Letztendlich könnte man auch noch, wenn man es denn einwerfen mag, über andere EADS Projekte reden, bei denen es ähnlich lief. Zum Beispiel NH-90, Eurofighter, Tiger. Nicht, dass jemand verwarnt wird, nur weil er das in einem Post erwähnt.
Kurze Anmerkung: Die A400M wird zwar von der Politik und EADS als strategischer Transporter bezeichnet, dafür fehlen aber die Spezifikationen. Davon bitte nicht täuschen lassen.
Ich hoffe, es entsteht eine interessante Diskussion und vielleicht erfährt der eine oder andere ja von Dingen, gegen die er auch sein will, aber bisher gar nicht wusste, dass es sie gibt.
Falls ich etwas verwirrend oder unklar geschrieben habe, könnt ihr euch natürlich ebenfalls gerne äußern, ich versuche dann, entsprechend nachzubessern.
Überall in Europa dominiert aktuell das Geld. Ob Stuttgart 21, der neue Personalausweis, (zivile) Atomnutzung oder andere Themen, Hauptargument und Problem vieler Projektgegner sind immer die Finanzen. Wo aber die oben genannten Projekte und sicher auch viele andere Projekte zumindest einen prinzipiellen Nutzen erkennen lassen, schert sich kaum jemand um etwas, dass zumindest nicht weniger Geld kostet, dafür aber tatsächlich keinen Mehrwert bringt - europäische Rüstungsprojekte, vor allem von EADS, und Beispielhaft der Transporter A400M.
Da viele Leute erfahrungsgemäß wenig Ahnung haben, aber dennoch mitdiskutieren wollen, hier ein paar Links zu dem Thema zum Einlesen;
http://de.wikipedia.org/wiki/Airbus_A400M
http://www.welt.de/print/die_welt/w...zierung-fuer-Militaerflieger-A400M-steht.html
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/airbus526.html
Bei der Tagesschau kann man sich auch unten zu älteren Beiträgen durchklicken und somit einen wunderbaren und ziemlich objektiven Gesamtüberblick erhalten.
Für alle, die daran scheitern, eine kurze Zusammenfassung:
Der A400M soll für jedes halbwegs namhafte europäische Land das Rückgrat im militärischen Lufttransport bilden. Abgelöst werden sollen vor allem in Deutschland und Frankreich uralte und leistungsmäßig deutlich schlechtere C-160 Transall.
Entwickelt und gebaut werden soll das Ganze dann von Airbus Military, einer Airbus Tochter und damit letztendlich EADS.
Dass man die alten C-160 ersetzen muss, steht völlig außer Frage. Nicht nur, dass die Transall schon über ihre Lebensdauer hinaus verbraucht wurden, sie wurden auch unter den Gesichtspunkten des Kalten Krieges bzw. einem eventuellen Krieg in (Mittel)Europa entwickelt. Ladekapazität und Reichweite sind also perfekt, wenn man mal wieder z.B. Polen einnehmen möchte, aber für einen Flug nach Afghanistan muss man in mehreren Ländern zwischenlanden, die nicht mal eine eigene Wikipedia-Seite haben.
Anforderungen für die A400M waren im Groben;
- einen Schützenpanzer/selbstfahrendes Artillerigeschütz/mehrere kleinere Panzer/mehrere Jeeps
- über mehrere tausend Kilometer
- diese teilweise auch vollautomatisch im Tiefflug
- schnell
- mit Start und/oder Landung auch auf schlecht oder unbefestigten Flugplätzen
transportieren können.
Die ersten Ausschreibungen und Anforderungen sahen soweit auch ganz gut aus, wenngleich ich hier noch einmal die bekannten Alternativen vorstellen möchte;
1) Iljuschin Il-76 aus Russland, auch neu lieferbar:
ein absolutes Arbeitspferd, ein Stück größer als der A400M, aber trotz der Düsentriebwerke änhlich gut für die Aufgaben geeignet, u.a. eben auch für unbefestigte Flugplätze. Deutlich größere Nutzlast, in neueren Versionen auch mit moderner (westlicher) Avionik und westlichen Triebwerken. Die Il-76 gibt es auch in allen möglichen anderen Varianten, die für europäische Länder interessant sind - vom Tanker über AWACS bis hin zum Seeaufklärer.
plus Antonow An-70, Neuentwicklung (damals, als ein Flugzeug wie der A400 gesucht wurde), vergleichbare Daten wie der jetzige A400M, nur eben schon Mitte der 90er Jahre flugfähig
-> Diese Alternative wurde nicht weiter verfolgt, da Russland generell keine Lizenzen für Ersatzteile vergibt, man also im Fall der Fälle aufgeschmissen wären, solange man sich an internationales Recht hält. Dazu natürlich auch ein gewisser Gesichtsverlust. Dafür hätte man, gerade Ende der 90er, Anfang 2000, Il-76 und An-70 für einen absoluten Bruchteil an Geld bekommen, genaue Zahlen habe ich nicht, aber ich bezweifle, dass man pro Flugzeug mehr als 40% einer A400M hätte zahlen müssen - heute, wo die A400M-Kosten explodieren, sähe das natürlich noch krasser aus.
2) Boeing C-17 aus den USA, Lieferung neu ab ~2000, eventuell später, aber nicht später als 2005:
großer strategischer Transporter, deutlich größer als die A400M, dafür aber universeller Einsetzbar, darauf werde ich aber weiter unten noch eingehen. Das derzeit beste, was man als strategischen Transporter bekommen kann, wenn man das Budget dafür hat.
plus C-130, seit 50 Jahren im Dienst vieler Luftstreitkräfte, unter anderem auch schon bei anderen eurpäischen Ländern. Grob mit dem A400M vergleichbar, nicht genau das, was man wollte, aber ausreichend erprobt und relativ günstig in verschiedensten Varianten verfügbar. Nicht die perfekte Lösung, aber besser als das, was jetzt noch vom A400M übrig ist.
-> Gerade die C-17 sind extrem begehrt. Großbritannien hat einige davon geleast und auch Deutschland mietet immer wieder welche von der RAF oder der USAF an, wobei das weniger geworden ist, seit Deutschland stark auf die An-124 der Volga-Dnepr setzt. Die Alternative wurde aber abgelehnt, weil die C-17 zu teuer und zu groß wären und die C-130 zu alt und nicht das, was man möchte. Außerdem würde man damit ja keine "einheimischen" Firmen stützen.
Die Entscheidung fiel dann politisch auf das, was von einst so großen Namen wie Messerschmitt, Dornier und Focke-Wulf übrig ist - EADS mit seinen diversen Tochterfirmen.
Seit nunmehr Ende der 80er Jahre wird also von diesem europäischen Konsortium versucht, ein Propellerflugzeug zu entwickeln. Natürlich fordert die Politik und das Militär immer eine Eierlegendewollmilchsau, Kostenexplosionen sind also völlig normal und nachvollziehbar.
Mittlerweile gibt es aber ein größeres Problem;
das Flugzeug fliegt zwar, zumindest als Prototyp, doch können die meisten angeforderten Fahrzeuge nicht mehr transportiert werden. Panzerhaubitze 2000, Marder und Co. werden also auch in Zukunft von privaten An-124 der Volga-Dnepr durch die Gegend geflogen werden müssen (vgl. http://soldatenglueck.de/2010/05/27...ins-einsatzgebiet-afghanistan-verlegt-bilder/ ).
Das ist aber auch gar nicht so schlimm, denn die Reichweite ist so weit zusammengeschrumpft, dass man nicht mehr ohne Zwischenlandung nach z.B. Afghanistan kommt.
Die vollautomatische Tiefflugmöglichkeit wurde zumindest bei den deutschen Maschinen mit der Vertragsunterzeichnung von gestern auch gestrichen.
Was bleibt ist ein modernes Propflugzeug, welches zwar über einige gute Eigenschaften verfügt (u.a. Benutzung von unbefestigten Pisten, Vielseitigkeit), aber über kein wirkliches Allsteinstellungsmerkmal und schon gar nichts, was die exorbitanten Kosten rechtfertigt.
So viel zur Einleitung.

Jetzt beginnt das, was ich interessant finde und annehme, dass sich nur deshalb niemand beschwert, weil sich mit dem Thema kaum jemand beschäftigt. Ich glaube ja nicht mal, dass sich viele die Einleitung durchgelesen haben, geschweige denn, sich weiter mit dem Thema informiert haben.
Ursprünglich hat Deutschland 73 Flugzeuge bestellt, diese Zahl war schon recht niedrig. Deutschland verfügt zwar auch nur über ~90 Transall, ist aber mittlerweile international tätig, braucht also dringender Luftfrachtkapazitäten als z.B. 1985.
Mittlerweile hat Deutschland noch 53 Maschinen geordert, auch, um den Gesamtpreis nicht zu weit zu erhöhen.
Und hier beginnt das Interessante:
EADS Chef Gallois (http://www.focus.de/finanzen/boerse...t-seinen-star-zur-disposition_aid_469892.html) drohte öffentlich damit, das Projekt zu beenden, wenn sich die beteiligten Staaten nicht an den Mehrkosten von, bis dahin, läppischen 7 Milliarden Euro beteiligen würden. Oder im Computerbase-Jargon: Dafür könnte man mal eben Stuttgart 21 bauen, jeden Tag 10 Castortransporte über ein Jahr lang nach Gorleben fahren oder jedem Bundesbürger täglich einen neuen Personalausweis bis zu seinem Tode bezahlen.
Man stelle sich zum Vergleich einfach mal vor, man hätte Qantas, Singapore Airlines, Emirates etc. gesagt, sie sollen sich gefälligst an den Mehrkosten des A380 beteiligen, sonst würde man das Projekt einfach beenden.
Im Gegenteil, Airbus hat wohl ziemlich viele Zugeständnisse machen müssen, damit die A380 doch noch abgenommen werden.
Nachdem also politisch geklärt wurde, dass die Mitgliedsstaaten die Mehrkosten übernehmen (bis auf einen recht kleinen Teil der Gesamtsumme, die EADS übernehmen wird, sofern sich weitere Besteller finden), u.a. durch verringerte Bestellungen bei gleichem Gesamtpreis und dem Verzicht auf z.B. die automatische Tiefflugautomatik, verzichten die Mitgliedsstaaten weiterhin auf jegliche Vertragsstrafen und Schadensersätze, welche aus der verspäteten Lieferungen resultieren könnten.
So hätte Deutschland eventuell die Kosten für die Anmietung von An-124 von Volga-Dnepr geltend machen können.
Einen festen Liefertermin gibt es immer noch nicht. Und nachdem EADS die Welt schon beim A320 Nachfolger, beim A380, beim A350 und bei der A400M in schöner Regelmäßigkeit überrascht hat, bin ich mir sicher, dass bis ~2014 noch weitere interessante Überraschungen folgen werden.
Das ist übrigens auch einer der Gründe, weswegen in den USA niemand Airbus-Tankflugzeuge möchte. Die USAF braucht die Tanker bald und nich erst 2030 und auch wenn Boeing (genau so wie jede andere Firma) auch mit Verzögerungen zu kämpfen hat, so wurde doch zumindest eine prinzipielle Termintreue bei Rüstungsprojekten bewiesen.
Wie seht also ihr die ganze Sache? Wusstet ihr davon oder hört ihr jetzt das erste Mal von der Thematik? Glaubt ihr, dass man dafür in Deutschland auch auf die Straße geht?
Findet ihr es in Ordnung, dass ein mehr oder weniger privater Konzern nicht nur droht, solch ein Projekt zu beenden, sondern auch noch jegliche anfallenden Mehrkosten auf die Mitgliedsstaaten verteilen möchte? Und wie steht ihr dazu, dass die Soldaten mal wieder diejenigen sind, auf deren Rücken die Politik und mehr oder weniger fähige Firmen ihre Kämpfe und Probleme austragen?
Ich würde auch gerne noch einen Schritt weiter gehen, wobei ich nicht weiß, ob das in einem allgemeinen Forum wie CB viel Sinn hat. Wie hättet ihr das Problem gelöst? Ich persönlich fände es z.B. nützlich, wenn man innerhalb der EU oder der europäischen NATO einen Pool aus großen strategischen Transportern anlegt - egal ob nun nur C-17 oder auch C-5 oder An-124 - der gemeinsam finanziert wird und auch entsprechend genutzt werden kann, da ja viele Operationen doch gemeinsam stattfinden. Luxemburg und Belgien haben z.B. je eine halbe A400M gekauft (ich hoffe, EADS schafft es, ein ganzes Flugzeug auszuliefern und nicht z.B. zwei rechte Hälften

Letztendlich könnte man auch noch, wenn man es denn einwerfen mag, über andere EADS Projekte reden, bei denen es ähnlich lief. Zum Beispiel NH-90, Eurofighter, Tiger. Nicht, dass jemand verwarnt wird, nur weil er das in einem Post erwähnt.
Kurze Anmerkung: Die A400M wird zwar von der Politik und EADS als strategischer Transporter bezeichnet, dafür fehlen aber die Spezifikationen. Davon bitte nicht täuschen lassen.
Ich hoffe, es entsteht eine interessante Diskussion und vielleicht erfährt der eine oder andere ja von Dingen, gegen die er auch sein will, aber bisher gar nicht wusste, dass es sie gibt.

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