@Cyberdunk
Ich trinke meinen Whisk(e)y meist mit dem Mund - auf andere Arten bleibt das Geschmackserlebnis doch ziemlich oft auf der Strecke - wobei ich (tatsächlich) den ein oder anderen Tropfen, der mal am Flaschenhals herunterläuft, mit dem Finger auffange und mir unter die Nase reibe
Davon ab, um deine Frage dann doch zu beantworten:
The way it's meant to be!
Der Master Distiller hat sich schon etwas dabei gedacht, das jeweilige Getränk so abzufüllen, wie es ist. Ob 40% oder knapp unter 70% (El Maximo, As we get it, etc.) ist mir dabei vollkommen egal.
Früher habe ich mit Verdünnen experimentiert, es dann aber einfach sein gelassen. Ich will mir keine Tabelle machen müssen um zu führen, in welchem Verdünnungsverhältnis welcher meiner vielen Whiskies sich geschmacklich und im Geruch auf welche Art und Weise verändert - zudem Verdünnen in den meisten Fällen doch eher zu negativen statt positiven Ergebnissen führt. Dein Lieblings-Softdrink wird auch nicht geschmacksintensiver, wenn du Wasser hinzuführst, er wird... naja, das Gegenteil. Wenn dir der Geschmack unverdünnt zu stark ist, dann solltest du dir einfach einen anderen Whisky suchen, der dir "so, wie er ist" schmeckt.
Noch ein Tipp:
Wenn du schon mit Wasser verdünnst, dann bitte mit raumwarmen Wasser! Deine Rezeptoren auf der Zunge arbeiten bei Körpertemperatur am Besten. Je kälter ein Getränk oder eine Speise wird, desto schwächer wird der Eigengeschmack - das gleiche gilt übrigens auch für Hitze. Ich will damit nicht sagen, dass du ab sofort alles in deinem Leben (auch Eis/Whisky) auf 35°C erwärmt zu dir nehmen sollst, da neben dem reinen Geschmack auch die Haptik und das Wohlgefühl (beides gut allgemein beim Eis anwendbar) eine Rolle spielen.
Erfahrungsgemäß funktioniert Whisky "neat", also ab Zimmertemperatur, einfach am Besten. Es empfiehlt sich auch, den Whisky im Nosingglas (bitte keine Tumbler verwenden) mit der Hand komplett am Bauch zu umschließen und längere Zeit zu schwenken, damit der Whisky durch die Temperatur der Hand weiter erwärmt werden kann. Das kann man ruhig mal zwei, drei Minuten tun, bevor man überhaupt an den ersten Schluck denkt. Dabei immer mal wieder am Nosingglas riechen und sich mit den Aromen des Whiskies vertraut machen. Mit der Zeit (mit steigender Wärme und Gewöhnen der Nase an den Alkohol) kommen immer weitere Gerüche zum Vorschein.
Und schon wird das Ganze wieder zur Wissenschaft... naja, ganz so schlimm ist es nicht, aber es ist - zumindest für mich und eigentlich den Großteil der Whiskytrinker weltweit - mittlerweile einfach ein eingespieltes Ritual, was man mit einem Whisky tut, vom Zeitpunkt ab des Öffnens der Flasche bis hin zur ersten Berührung mit der Zunge. Da gehört das im Glas schwenken und immer wieder am Nosingglas riechen einfach dazu.
Der nächste Schritt:
Im Mund? Ex und weg? Ja, ne...
Auch hier natürlich, jeder macht das so, wie man selbst es für am Besten hält, aber auch hier gibt es eben gewisse Leitfäden, die einem den Genuss am Whisky (tatsächlich an jedem genussorientierten Getränk) steigern.
Zu erst sollte keinesfalls ein zu großer Schluck genommen werden, da wir hier immerhin mit einem gewissen Alkoholgrad arbeiten und das die Rezeptoren selbstverständlich betäubt. Weniger ist daher mehr - gemessen würde ich grob sagen: zwischen 0,05 und 0,1cl.
Befindet sich der edle Tropfen dann im Mund, wird er dort behalten - und zwar mindestens für 20 Sekunden, gerne auch deutlich länger. Dabei wird er immer wieder von links nach rechts, von oben nach unten, von vorne nach hinten durchgespült und mit der Zunge im Mund verteilt. Zusätzlich wird zwischendurch ein wenig Luft durch die Lippen gezutzelt - dadurch entfaltet sich der Geschmack des Whiskies umso stärker. Ebenfalls immer wieder zwischendurch wird am Nosingglas gerochen und das Erlebnis in der Nase mit dem Erlebnis im Mund miteinander verknüpft.
Hier besteht übrigens ein weiterer Grund darin, wieso ich keinesfalls dazu raten kann, Whisky zu verdünnen. Sobald sich dieser im Mund befindet, steigt die Speichelproduktion stark an. Was glaubst du, was passiert, wenn sich dieser mit dem Whisky verbindet? Richtig, er verdünnt ihn - und zwar enorm. Wenn du nun schon im Vorfeld mit Wasser verdünnt hast, so wird aus einem 50%-Whisky ganz schnell nur noch 30% oder gar noch weniger. Von daher, bitte nochmal: trinkt den Whisky unbedingt so, wie der Master Distiller ihn abgefüllt hat UND befolgt die von mir beschriebenen Methoden, den Whisky im Mund zu behalten und zu kosten. Das erübrigt sämtliches Vorab-Verdünnen mit Wasser und entfaltet den Geschmack vollends. Alles andere (Verdünnen, Eiswürfel, kurz im Mund und direkt wegschlucken, etc.) ist leider nur Gepansche und nimmt dem Whisky alles, was ihn ausmacht.
Soll das Getränk dann (bitte in die richtige Richtung ^^) den Mundraum verlassen, so sollte man auch hier wieder keinesfalls "zack und weg" den Schluck abkippen, sondern ihn möglichst langsam über den hinteren Teil der Zunge in den Rachen heruntergleiten lassen. Danach mit der Zungenspitze zwischen den Zähnen, Lippen, Wangentaschen etc. hin und herfahren, als würde man den Whisky versuchen, in's Zahnfleisch bzw. in die Schleimhäute einzureiben.
Wieso? Tut es - und riecht gleichzeitig nochmal am Glas, dann wird es schnell klar. Der Abgang wird somit exponenziell verstärkt und wieder haben wir den Vorteil, mit einen nur kleinen Schluck Whisky eine Ewigkeit an Geruchs- und Geschmacksexplosionen (da steckt das Wort Sex drin

) zu verbringen.
Alles in Allem kann man so - ohne, dass man auch nur eine Sekunde auf Genuss verzichten müsste - locker 15 Minuten mit einem 2cl gefüllten Glas verbringen - mit üblichen 4cl problemlos 30 Minuten.
Das Ganze steht und fällt nicht mit "schlechten" oder "guten" Whiskies, aber befolgt man diese Angaben, so kristallisieren sich gute Whiskies umso stärker von schlechteren heraus. Ein eher unspektakulärer Whisky ala Glenfiddich 12, Cardhu 12, Bushmills 10, etc. wird durch diese Methode nicht deutlich besser, da er (leider) einfach nicht mehr zu bieten hat - schlechter wird er dadurch aber keinesfalls.
Geht man allerdigns nur einen kleinen Step rauf zu irgend einem beliebigen Whisky mit eigenem Brennerei-Charakter oder mit z.B. Sonderreifung in einem speziellen Fass, so hebt man diese Charakteristiken umso stärker mit den beschriebenen Methoden hervor und hat einfach mehr davon.
Nochmal kurz zusammengefasst:
1. Whisky bei Zimmertemperatur unverdünnt in's Nosingglas, kein Tumbler, zwischen 2cl und 4cl
2. Whiskyglas in der Hand (oder gern beiden) umschlossen halten und schwenken, damit dessen Temperatur ansteigt
3. Beim Schwenken immer wieder daran riechen - gerne mehrere Minuten lang, damit Temperatur des Whiskies ansteigen kann und die Nase neben dem Alkohol alles mögliche erfassen kann
4. Kleiner Schluck, 0,05cl bis 0,1cl (maximal), im Mund behalten
5. Den Schluck mindestens für 20 Sekunden, gerne auch deutlich (!) länger im Mund behalten und hin und herspülen, sodass sich der Whisky mit a) Speichel und b) Luft im Mund verbinden kann
6. Ruhig auch ein wenig Luft zwischen den Lippen durchzutzeln, um dem Whisky weitere Luft zum Verbinden zu schenken.
7. Immer mal wieder am Glas riechen um gleichzeitig zum Geschmack im Mund die Nase mit dem vollen Aroma erfüllen zu können
8. Den Whisky beim Herunterschlucken möglichst langsam über die hintere Partie der Zunge in den Rachen gleiten lassen. Die lehre Mundhöhle mit der Zunge reiben, die verbleibenden Whisky-Rückstände mit der Zungenspitze in das Zahnfleisch und die Backentaschen/Schleimhäute einreiben.
9. Den Abgang genießen, solange man möchte
10. Bei 2. oder 3. wiederholen, bis das Glas leer ist - dann bei 1. wieder von vorn beginnen
Für JEDEN, der das bisher nicht so getan hat: bitte versucht es mal. Es sind 10 simple Schritte, die niemandem weh tun. Ihr werdet begeistert sein. Einerseits werdet ihr eure liebsten Whiskies komplett neu erleben und andererseits habt ihr so noch deutlich länger etwas vom Whisky, als wenn ihr ihn verdünnt und dann meint, "mehr" davon trinken zu können/müssen.
Liebe Grüße und: slainte mhath
