DKK007 schrieb:
Doch:
https://dejure.org/gesetze/StGB/185.html
Und eine Beleidung oder Drohung ist eben keine Meinung, sondern eine Straftat.
Eine Beleidigung ist eine Meinung UND eine Straftat aber kein Offizialdelikt. Wenn man ins Detail geht, versteht man auch, wo hier an der Schraube gedreht werden soll:
Beleidigung ist ein Antragsdelikt. Unter einem Antragsgelikt versteht man eine Straftat, der grundsätzlich nur auf Antrag des Geschädigten von den Strafverfolgungsbehörden nachgegangen wird. Und es ist ein Bagatelldelikt. Die allermeisten Anzeigen wegen Beleidigung werden wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Das Gegenstück dazu wäre ein Offizialdelikt.
Muss man hier wirklich ausführen, was mit den Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden geschieht, wenn man aus dem Antragsdelikt ein Offizialdelikt macht, das von Staatswegen aus verfolgt werden muss?
Damit man sich nicht so im theoretischen Raum bewegt, wiederhole ich meine Frage an dich:
Wie viele Straftaten begeht ein durchschnittlicher Mensch in seinem Leben? Also ich bisher keine.
Wie viele Beleidigungen begeht ein durchschnittlicher Mensch in seinem Leben? Zähle ich zusammen, wie oft ich schon beleidigt wurde, komme ich locker auf eine dreistellige Zahl. Zur Anzeige gebracht habe ich Beleidigungen noch nie. Was kümmert es mich, wenn andere sich derart zur Schau stellen?
Aber die Zeiten ändern sich wohl.
Wenn du hier die Strafverfolgungsbehörden automatisiert beschäftigen möchtest, wird man in der Öffentlichkeit wohl keine Polizei mehr sehen, die sitzen dann alle vor dem PC, Formulare ausfüllen usw. Junge, mach das, das wird der Hammer. Ich gehe mal davon aus, die Beliebtheit der Regierung geht durch die Decke, wenn da demnächst Strafanzeigen zu hunderttausenden zugestellt werden.
Wie gesagt, wer Facebook nutzt und sich dann über mangelnden Datenschutz beschwert, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Facebook - Privatunternehmen. Nutzt persönliche Daten für Werbung.
Strafrecht, Staat, Steuerfinanziert - soll persönliche Daten und Meinungsfreiheit schützen, den Rechtsstaat funktionsfähig halten, vom Volk gewählte Repräsentanten usw.
Wenn nun der Staat die persönlichen Daten und Meinungsfreiheit nicht mehr schützt, dann wars das mit der Demokratie, denn niemand sonst wäre dazu in der Lage.
phil. schrieb:
[...]Deutschland ist eine Demokratie, hier gibt es ein frei wählbares Parteiensystem im Gegensatz zu China - Fakt. Somit ist der Vergleich falsch.
Hier wird über ein Entwurf und nicht undemokratisch durchgebrachtes Gesetzt diskutiert.
Das sehe ich auch so. In Demokratien, wo der Rechtsstaat nicht mehr voll funktionsfähig ist oder starke öffentlich rechtliche Sender regierungsnah Berichten, im Bundestag Gesetze wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen werden, die vom eigenen wissenschaftlichen Rat als Grundgesetzwidrig betrachtet werden, aber nicht vor einer Prozessdauer von 8-12 Jahren durch alle Instanzen berichtigt werden können, oder zugelassene Oppositionsparteien nicht gleichbehandelt werden, da hat man noch längst keine chinesischen Verhältnisse. Üblicherweise spricht man da von einer defekten Demokratie. Je länger die Defekte Bestand haben, desto wahrscheinlicher wird ein Kontrollverlust in Teilbereichen der Gesellschaft, in Krisenzeiten ein Systemwechsel. Deutschland folgt hier dem Lehrbuch, welches für solche Zeiten ein Anwachsen der radikalen Ränder voraussagt, welche die politische Mitte aufreiben.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist ein schwacher Versuch, die Auswirkungen der Erosion der politischen Mitte aufzuhalten oder zumindest in der veröffentlichten Meinung in ihrer Wirkung zu beschränken. Die Menschen haben sich die letzten 10-15 Jahre nicht geändert, aber offenbar hat sich einiges an Enttäuschung angesammelt.
Von mir aus soll man hier noch eine Weile an den Symptomen arbeiten und die jetzt schon überlastete Justiz auch noch mit Beleidigungen zu schütten. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung dadurch legt, eher das Gegenteil, die Strafen werden zur Radikalisierung beitragen.
Auch aus dem Lehrbuch der Demokratie: Die Regierung soll Integrativ arbeiten . . . tut sie das? Versucht das Gesetz, Menschen die ihre Wut nicht politisch korrekt aus drücken, politisch zu integrieren oder per Strafgesetz zu stigmatisieren?
Sei es drum, ich bedanke mich bei der Moderation, die hier ganz zwanglos vorgeführt hat, wie man zivilisiert Argumente austauschen kann. Ganz ohne Meldepflicht, Passwortherausgabe, Strafverfolgung, Netzwerkdurchsetzungsgesetz.
Übrigens, gerade bei den Nachrichten gefunden:
https://www.focus.de/politik/deutsc...u-beamtenbund-schlaegt-alarm_id_11494961.html
[...]60 Prozent der Deutschen hielten den Staat aber schon jetzt bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere mit Blick auf Bildung und innere Sicherheit, für überfordert, sagt Silberbach. „Das ist ein Alarmsignal. Das kann uns alles um die Ohren fliegen, wenn wir nicht die Kurve kriegen und die Daseinsvorsorge auf solide Beine stellen“, so der Gewerkschafter. „Da braucht sich niemand wundern, wenn die Aggressionen gegenüber dem Staat und seinen Repräsentanten, zu denen auch die Menschen im öffentlichen Dienst zählen, immer heftiger werden.“
Ein Bauantrag in Berlin dauert im Schnitt 12 Jahre von der Antragsstellung bis zu Genehmigung, während die Menschen keinen Wohnraum mehr finden, von den langen Wartezeiten bei Kapitalverbrechen von der Anklage bis zur Prozesseröffnung ganz zu schweigen. Derzeit mehr als 12 Monate was immer häufiger zur Entlassung von Straftätern führt, weil die Fristen nicht eingehalten werden usw. So sieht es jenseits der Twitter und Facebook Scheinwelten aus.
Was ich mir zu Weihnachten wünsche: Eine automatische Strafverfolgung wegen Zensur/Unterdrückung der Meinungsfreiheit gegen die Redaktion/Verlag/Moderator bei jeder gelöschten Meinungsäußerung, die
NICHT zu einer Strafanzeige geführt hat und daher offenbar rechtswidrig erfolgte. Vor dem Gesetz sind doch alle gleich.
Ich habe mir nur etwas Freizeit vertrieben und mich nun ausreichend geäußert, viel Spaß noch allen in dem immer merkwürdigeren, besten Deutschland.