Mehr Demokratie wagen!

Idon schrieb:
(...)
Erkläre doch erstmal warum die Sozialleistungen nicht auch von meinen Steuergeldern getragen werden, bevor du hier wieder neue große Sprüche klopfst. (...)
Es sind nicht "Deine" Steuergelder, wie oft denn noch. Du bist doch Jurist oder so was ähnliches, wenn es "Deins" wäre, weshalb holst Du Dir es nicht zurück? ;-) Mmh, scheint wohl doch nicht Dir zu gehören.

Zur Info...

"Als Steuer (früher auch Taxe) wird eine Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung bezeichnet, die ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen steuerpflichtigen Personen – was sowohl natürliche als auch juristische Personen einschließt – auferlegt." (aus Wikipedia)

Also lass doch bitte das bildzeitungssprachliche "meine Steuergelder", es ist albern und falsch.

Ich sehe das Gesamtsystem, ich kann darin sehr gut leben und habe Demut gegenüber dem Umstand gesund in einem westlichen Industrieland außerhalb von Kriegszeiten geboren worden zu sein.

Für einen Erfolg müssen in der Regel Leistungswille und Leistungsfähigkeit gleichermaßen vorliegen, wobei die Leistungsfähigkeit eben nicht jedem gottgegeben ist. Ausbleibender Erfolg ist deshalb kein 100%tiger Beleg für Unwilligkeit und Faulheit. Auch diese Differenzierung sollte man von einem Mann Deines Standes erwarten dürfen.

Die Sozialleistungen sind ein großer Teil des Haushalts der öffentlichen Hand, keine Frage. Sie bewahren viele Menschen vor der Verwahrlosung und(!) sorgen im Großen und Ganzen für ein friedliches Zusammenleben. Ohne sozialen Frieden kann eine Gemeinschaft oder eine florierende Wirtschaft nicht existieren. Betrachte es als unausweichliche Instandhaltungskosten. Ein bisschen Demut hat beim Blick aufs Ganze und seinem persönlichen Fortune noch niemanden geschadet.
 
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@Binalog

Ich habe, obwohl ich Jurist bin, nur begrenztes Wissen und vielen juristischen Fachgebieten. So wie jeder andere Jurist auch. Oder kann dein Urologe einen Hirntumor entfernen?

Der von dir zitierte Absatz widerspricht überhaupt nicht meiner Aussage, dass es sich dabei auch um meine Steuergelder handelt. Meine Steuern - egal auf welche Art entrichtet - fließen in den allgemeinen Topf des Bundes, des Landes und der Kommunen und werden von dort auf die verschiedensten Ausgabepositionen verteilt.
Kurzum: Wäre ich der einzige Steuerzahler und würde keine Steuern mehr bezahlen, wäre kein Steuergeld mehr für die diversen Töpfe da.

Ich habe einerseits nie behauptet, meine Steuern wären die einzigen, noch habe ich behauptet, dass meine Steuern ausschließlich in Sozialausgaben münden. Genau das passiert aber zu einem gewissen Anteil.

Insoweit sehe ich meine Aussage nach wie vor als korrekt an.



Es geht doch nicht darum, dass ich dem anderen die Butter auf dem Brot nicht gönne. @Mustis hat das ja besser formuliert als ich: Ich finde die Verteilung unfair. Und damit meine ich nicht das, was bei mir abgeht, sondern das, was bei anderen nicht ankommt, die arbeiten, aber eben trotzdem nichts oder nur sehr wenig haben.

Gleichzeitig erhalten die, die können und nicht wollen - und das sind nicht alle! - öffentlichkeitswirksam Leistungen und Boni.



Meine Demut sammle ich an anderen Orten. Ich fahre fast jedes Jahr nach Verdun. Warst du schon einmal in Wolgograd? Bist du schon mal über französische oder italienische Landstraßen gefahren und hast dich gefragt, warum die Leute in so abgeranzten Buden wohnen? Wie oft achtest du auf alte Menschen, die sich im Supermarkt minutenlang überlegen, ob sie sich eine Packung Käse für EUR 1,49 kaufen können? Besuchst du ab und an einfach so ältere Menschen in Seniorenheimen, weil die sonst niemand besucht?

Für Demut brauche ich sicher nicht Chantalle, die sich mit 20 Jahren drei Kinder von fünf Typen hat machen lassen. Oder Mirko, der keinen Job findet, weil er fehlerfrei nicht mal seinen Namen schreiben kann - weil er lieber FIFA zockt und damit zufrieden ist.




Ich habe selbst mal staatliche Leistungen erhalten. Als ich in meinem Leben ganz unten angekommen war. Und ja, meine Veranlagungen sind sicher großzügiger als bei vielen anderen. Aber ich habe währenddessen doch recht viele Leute kennengelernt. Und die, die es nicht geschafft haben, haben das alle aus zwei Gründen nicht geschafft: 1) Sie waren tatsächlich (sehr) krank. Zu krank. 2) Sie wollten das Ergebnis nicht wirklich.

Das ist Maßstab. Und die 2. Gruppe meine ich mit meinen Ausführungen.

Mein Maßstab wird auch immer wieder durch das bestätigt, was mir Bekannte und teilweise auch Kommilitonen aus verschiedenen Ämtern so berichten. Wie gesagt: Alles im Raum Süddeutschland. Das kann in Berlin oder NRW natürlich ganz anders aussehen...
 
Idon schrieb:
Doch, doch.

Es gibt ja erstens Kindergeld, zum Beispiel für Essen, und zweitens bekommt die EUR 150,00 jeder.

Also wofür denn nun exakt? Neben womöglichen Aufwendungen für gestiegene Preise gibt es ja auch eine ganze Reihe an Ersparnissen: Keine persönlichen Termine mehr beim Jobcenter, weniger Nachweispflichten etc.
Ich denke, du weißt selbst, was das Leben kostet.

Die Ausgaben, die du erwähnst, sind ohnehin mit Kleckerbeträgen bemessen.

Ich empfehle da mal einen Blick in die Aufschlüsselung des gesamten ALG2 Betrages nach Zugehörigkeit zu den entsprechenden gewährten Bedarfen.

Du vergisst bspw auch den Mehrbedarf an digitalen Endgeräten, die zwar so loblreisend mit 500 Millionen Euro beziffert wurden, eigentlich für SuS zur Verfügung gestellt werden sollten, jedoch bis heute gerade einmal 42.000 von möglichen 1,5 Millionen Geräten den Weg zu deren Nutzern gefunden haben.

Wie man es dreht und wendet. Wir sind wahrscheinlich längst über den Bezug zum eigentlichen Threadthema hinaus.

Diese ganze Diskussion um Pandemie, Politik und wer wo wie mehr Zuwendungen benötigt, erfordert einen eigenen Beitrag.

Ganz davon ab. Wer hier Kurzarbeitergeld erwähnt und sich nicht bewußt ist, dass man eben jenes ebenso mit Leistungen aus SGB II aufstocken kann, sollte bei dem Thema Zuschuß und dessen Rechtfertigung vielleicht besser nicht mitreden.

Natürlich lässt sich ein bisher geführter Lebensstandard so nicht mehr halten. Aber wo ist das dann schon noch der Fall, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht.

Gruß
🌻 Markus
Schönen Sonntag Euch allen weiterhin
 
Binalog schrieb:
Bei uneingeschränkten Volksentscheiden gäbe es hierzulande dank BILD & Co. demnächst wieder Todesurteile.

Die hier Anwesenden, welche meinen die Weisheit mit den Löffeln gefressen zu haben, sollten daran denken, dass auch sie außerhalb ihres Fachbereichs mit Wasser kochen. Falls sie es überhaupt zum Kochen bringen.
Das ist der Punkt. Über Volksentscheide wird die Macht theoretisch zu den Bürgern, praktisch zu den Medien und denen, die sie kontrollieren, umverteilt. Und das sind Deutschland- und Weltweit eine sehr beschränkte Anzahl an Menschen, die ihrerseits nicht demokratisch gewählt sind.

Zwar gibt es einen gewissen journalistischen Kodex, an Brexit, Trump und Konsorten sehen wir ja, wie viel davon übrig ist. Jornalisten als Angestellte sind bei ungewünschter Haltung ihre Stelle schnell los.
 
@B.XP

lol. In Zeiten des Internets noch mehr Unsinn als davor. Jeder Trottel kann in Deutschland einen Blog eröffnen und berichten, was er will. Es gibt haufenweise Zeitungen und Blätter, nicht alle gehören zu größeren Verlagen, nicht alle Verlage gehören zu Medienhäusern.
 
Mustis schrieb:
Darin sehe ich das Problem...
Das ist ja auch ein Problem, nur sind daran nicht die (Sozial-)Leistungsempfänger Schuld.

Idon schrieb:
Dann endet das wie in manchen Countys der USA.
Natürlich können auch Entscheidungen fallen die nicht alle Beteiligten zufriedenstellen. Volksentscheide oder Begehren sind erstmal nur ein Instrument zur demokratischen Teilhabe und für (mehr) Bürgerbeteiligung. Mithin aus meiner Sicht auch ein gutes Mittel gegen Politikverdrossenheit.

Ich kenne mich mit der amerikanischen Umsetzung zu wenig aus um mich dazu äußern zu können.

Tomislav2007 schrieb:
Wie sollte das eigentlich ablaufen, wenn wir Volksentscheide einführen würden ?
Gibts ja schon kommunaler Ebene.
Hier in Berlin wird das Verfahren als „Volksgesetzgebung“ bezeichnet, ich verweise dazu mal auf die Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Volksgesetzgebung_in_Berlin

Praktisch läuft das für erstmal unbeteiligte Menschen so; gefühlt überall an frequentierten Stellen stehen Infostände der jeweiligen Initiativen die Unterschriften sammeln und über ihr Anliegen aufklären, manchmal gibts zusätzlich Briefwurfsendungen und/oder Plakate im Straßenbild, die regionalen Nachrichten berichten – kurz, das Thema ist immer im Gespräch, das Anliegen ist nahezu unmöglich ignorierbar – irgendwann später gibts einen feststehenden Termin (oder nicht), dann kann im (Bezirks-)Rathaus/Bürgeramt abgestimmt werden (oder nicht).

Die formalen Regelungen zu Volksentscheiden für D ist hier nachlesbar, mit Landesgesetzen vergleichbare Bundesgesetzgebung gibt es mWn (noch) nicht, weil leider immer eine bestimmte Partei blockiert hat.
 
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@Idon - das mag theoretisch richtig sein, faktisch haben die meisten Blogs aber nicht mal ansatzweise die Reichweite von etablierten Massenmedien.
 
Hallo

SE. schrieb:
Gibts ja schon kommunaler Ebene.
Auf kommunaler Ebene ist es etwas anderes, wo nur hin und wieder über etwas entschieden werden muss was nur die Anwohner direkt betrifft, als wenn...

Tomislav2007 schrieb:
Sollte das Volk dann über alles entscheiden ?
Die Politik trifft so viele Entscheidungen, die meisten bekommen wir gar nicht mit, wenn wir als Volk über alles entscheiden wollen dann kommen wir aus dem informieren und abstimmen gar nicht mehr raus, das ist ein Vollzeitjob.
...das gesamte Volk bei allem mit zu reden/bestimmen hätte.

Grüße Tomi
 
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@Tomislav2007
Dem stimme ich im Grunde zu, mit der Einschränkung, daß zumindest evaluiert werden sollte ob und welche weiteren Möglichkeiten auf Bundesebene für mehr Beteiligung durch Bürger möglich sein könnten. Bürgerräte sind ein aktuelleres Thema in Hinblick auf direkte Demokratie. Das alle Bürger bei allem immer mitreden halte ich ebenso nicht für zielführend.
Letztlich ist es für viele Menschen aber eben nicht genug „nur“ im festen Wahlzyklus ihr Kreuz abgeben zu können, dem muss, finde ich, auf irgendeine Art begegnet werden. Einen perfekten Plan habe ich auch nicht.
 
SE. schrieb:
(...)
Letztlich ist es für viele Menschen aber eben nicht genug „nur“ im festen Wahlzyklus ihr Kreuz abgeben zu können, dem muss, finde ich, auf irgendeine Art begegnet werden. Einen perfekten Plan habe ich auch nicht.
Wem ist es in welcher Form nicht genug im Wahlzyklus die Stimme zu erheben?

In vielen Gemeinden werden verzweifelt Mandatsträger gesucht, u. a. weil man dem Vorgänger ein totes Tier an die Tür genagelt hat.

Ich meine, dass diejenigen, die solche "Vorwürfe" bringen (ist nicht gegen Dich gerichtet) nicht mal 1 % der jetzt schon vorhandenen Möglichkeiten ausgenutzt haben:

  • Teilnahme an Wahlen?
  • Engagement in politischen Organisationen?
  • Bewerbung um ein öffentliches Amt?
  • Kontakt zur Abgeordneten?
  • Leserbriefe?
  • Vereinsgründung?
  • Klageweg gegen unliebsame Entscheidungen?
  • (...)?

Viele dieser Leute suchen m. E nach einem Schuldigen für ihre aus Unzulänglichkeiten geborenen Unzufriedenheit.

"Gesetze interessieren mich nicht, Hauptsache es geht anderen schlechter als mir!"

Das hat m. M. n. Nullkommanix mit politischer Willensbildung/-beteiligung zu tun.
 
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Hallo

Binalog schrieb:
Wem ist es in welcher Form nicht genug im Wahlzyklus die Stimme zu erheben?
In der Regel den Wählern deren gewünschte Partei die demokratische Wahl nicht gewonnen hat, hauptsächlich sind das Wähler aus dem linken und rechten Spektrum.
Die brüllen dann das wir nicht in einer Demokratie leben und fordern Volksentscheide, die übersehen dabei aber das die damit auch nicht viel mehr erreichen würden.
Ich nenne diese Menschen einfach nur schlechte Verlierer.

Grüße Tomi
 
Idon schrieb:
Natürlich ist es zum Teil mein Steuergeld.
Nein; du hast überhaupt kein Steuergeld. Es ist das Steuergeld des Staates, da kannst du dich noch so sehr herum winden - es ändert alles nichts.

Auch solltest du Steuer und Sozialabgaben zu unterscheiden lernen, sind das nämlich zwei unterschiedliche Punkte.
So ist es nebenbei auch völlig unsinnig, davon zu palavern, du würdest z.B. Rentner durchfüttern - es ist schlicht nicht zutreffend. So werden deine Abgaben an die gesetzliche Rentenversicherung die 660€ im Monat wohl nicht überschreiten....

Idon schrieb:
Das sind KEINE Einzelfälle.
Doch, sind sie - Einzelfälle, die du pauschalisierst mit der unfundierten sowie realitätsfernen Behauptung, dass dies auf die meisten(!) zutreffen würde. Deine Märchenwelt also einmal mehr, die du hier aufzubauen versuchst und mal wieder mit nichts belegen kannst.

Idon schrieb:
Das sind in den Jobcentern, in die ich Einblicke habe...
Also in keine.
Supi. Märchenstunden brauchen wir hier nicht.
 
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Ich sehe das auch problematisch. Anstatt die (fragwürdigen) Entscheidungen selbst treffen zu können wird mittels Stimmungmache und alternativen Fakten versucht die Bevölkerung auf die eigene Seite zu ziehen. Was oft dazu führen wird das die Seite gewinnt die am lautesten schreit. Viele sind da eben doch zu leichtgläubig oder haben schlichtweg kein Intesse sich wirklich mit dem Thema auseinander zu setzen und nehmen lieber was ihnen vorgekaut wird (siehe Brexit).
Dagegen finde ich aber das alte griechische Scherbengericht sehr symphatisch wo das Volk in regelmäßigen Abständen den unfähigsten oder korruptesten Politker wählen kann der dann verbannt wird...
 
Idon schrieb:
Um in HartzIV, ALG II, zu rutschen muss man auch erstmal ALG I ausgeschöpft haben.
Naja ... es gibt bei ALG I 60% des letzten Nettogehaltes ... Ich arbeite nur Teilzeit, aber bei mir wären das momentan knapp €500,- ... und da lohnt der weg zum Arbeitsamt eigentlich nicht, da ich danach ja eh noch zum JC muss, um aufzustocken.

Jeder kann sich in etwa ausrechnen, wo er mit ALG I landet, und ob er zusätzlich aufstocken muss, damit es reicht. ALG I ist Einkommensabhängig ... und wenn das letzte Nettogehalt (nach AV) nicht mindestens 40% überm HartzIV-Satz lag, dann bedeutet ALG I Aufstockung ... also doch Hartz4 (inkl. der Massnahmen ... und auch der Schikanen, wenn der Sachbearbeiter mal schlecht gekackt hat).
Ich kenne Aufstocker, die vom JC in Ruhe gelassen werden ... aber das sind (leider) nicht besonders viele ... der Rest muss dann halt mal Sonderurlaub nehmen, nur weil das JC sie mal wieder während ihrer Arbeitszeiten herbeizitiert hat.
Tomislav2007 schrieb:
Welche kompetenten Berater hätte den das Volk wenn wir Volksabstimmungen hätten ?
Zum Beispiel (unabhängige) Wissenschaften und (unabhängige) Medien, die auch ohne ideologische Einfärbung über die Erkenntnisse Ersterer breichten.
In Deutschland scheinen wir beides leider nicht zu haben ... sonst würden eure Argumente ja nicht funktionieren.

Ein gültiger Arbeitsvertrag bedeutet garantiert nicht, dass ein Mensch "richtige" Entscheidungen treffen kann.
Es gibt aber sicherlich Menschen, die denken, dass das vom Posten abhängig ist.
Einen AV zu haben, sagt nichts aus ... aber Verantwortung zu tragen und in einem Unternehmen Entscheidungen zu treffen, das qualifiziert ... und drückt sich (der Theorie nach) in einem anständigen Gehalt aus.
Knüpfen wir also das Abstimmungsrecht an den Gehaltsscheck ... wer mehr als 24k (netto) im Jahr verdient, der darf abstimmen ... der Rest hat zu schweigen, und die Folgen des eventuell egoistischen Abstimmungsverhaltens zu tragen. Da sind dann gleich mal die gut 25% Niedriglöhner raus.

Ihr wisst hoffentlich, dass man ein solches System nicht mehr Demokratie nennen dürfte ... denn es wäre nunmal eine Oligarchie bzw. Timokratie. Wenn ihr das haben wollt, dann ist das euer Bier ... aber bitte bezeichnet euch dann nicht mehr als Demokraten.
Buttkiss schrieb:
Dagegen finde ich aber das alte griechische Scherbengericht sehr symphatisch wo das Volk in regelmäßigen Abständen den unfähigsten oder korruptesten Politker wählen kann der dann verbannt wird...
Das ist wirklich schwierig.
Es gibt genügend Zeugnisse darüber, wie Politik mit Scherbengericht funktioniert hat ... da ist mir unsere repräsentative parlamentarische Demokratie weitaus lieber.
Es ist in dieser zeit regelmäßig passiert, dass das Scherbengericht von den mächtigen Familien genutzt wurde, um unbequeme Emporkömmlinge loszuwerden.
Gerade das Scherbengericht wurde hundertfach für den Machterhalt missbraucht ... Entscheidungen, die dem Machterhalt einzelner dienen, sind leider oft eine ganze Flugbahn von "gut" oder "sinnvoll" entfernt.
Also ist auch das Scherbengericht eben kein Weg zu guten, sinnvollen oder situationsangemessenen Entscheidungen.
Leider trifft das aber auf alle möglichen Entscheidungsstrukturen zu ... solange sie dem Machterhalt einzelner dienen können, werden sie auch zu diesem (ausschließlichen) Zweck missbraucht werden.

Das trifft natürlich auf Volksentscheide genauso zu, wie auf Wahlen.
Allerdings könnten Volksentscheide etwas dagegen tun, dass sich ein Teil der Bevölkerung regelmäßig übergangen fühlt, was zu Politikverdrossenheit und in dessen Folge zu NOCH weniger Motivation führt, sich überhaupt mit politischen Themen auseinanderzusetzen.
Denn die Folge dieser Mangelnden Motivation könnte sein, dass die Menschen im Fall der Fälle (wenn sie dann wirklich mal befragt werden) sich einfach nur Positionen anschließen können, von denen sie glauben, dahinter stünden neutral dargebotene Informationen, und nicht wirtschaftliche und politsche Individualinteressen.

Ganz neutral halte ich Volksentscheide in größeren Zusammenhängen aber auch noch aus einem anderen Grund für fragwürdig. Die Abstimmungen zu Maastricht in Dänemark haben gezeigt, dass Volksentscheide solange widerholt werden, bis ein Ergebnis vorliegt, welches den ohnehin Mächtigen auch in den Kram passt. Die Dänen haben Maastricht zwei mal knapp abgelehnt ... ein mal gab es eine dünne Mehrheit für Maastricht ... und eine weitere Befragung gab's dann nicht mehr.
Wenn direkte Demokratie SO umgesetzt wird, dann ist sie abzulehnen.
 
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DerOlf schrieb:
Knüpfen wir also das Abstimmungsrecht an den Gehaltscheck ... wer mehr als 24k (netto) im Jahr verdient, der darf abstimmen ... der Rest hat zu schweigen, und die Folgen des eventuell egoistischen Abstimmungsverhaltens zu tragen. Da sind dann gleich mal die gut 25% Niedriglöhner raus.

Ihr wisst hoffentlich, dass man ein solches System nicht mehr Demokratie nennen dürfte ... denn es wäre nunmal eine Oligarchie bzw. Timokratie. Wenn ihr das haben wollt, dann ist das euer Bier ... aber bitte bezeichnet euch dann nicht mehr als Demokraten
Ich kann dir nicht genug danken für die treffenden Worte, die du dafür gefunden hast.

Sehr gut ausgedrückt. Chapeau.

Gruß
🌻 Markus
 
DerOlf schrieb:
Ihr wisst hoffentlich, dass man ein solches System nicht mehr Demokratie nennen dürfte
Komisch, die Athener nannten es auch eine Demokratie. Auch heute noch wird es atteische Demokratie genannt. und wer durfte da gleich nochmal so wählen?

Woher kommt eigentlich der Irrglaube, in einer Demokratie dürfte alles und jeder wählen, damit es sich auch Demokratie nennen darf? Das ist nichtmal in der heutigen Zeit in DE der Fall...
 
@Mustis:
Demokratie (altgriechisch δημοκρατία dēmokratía „Herrschaft des Staatsvolkes“, von δῆμος dḗmosStaatsvolk“ und κράτος krátos „Gewalt, Macht, Herrschaft“) bezeichnet heute Herrschaftsformen, politische Ordnungen oder politische Systeme, in denen Macht und Regierung vom Volk ausgehen (Volksherrschaften)
https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratie
Bei den Athenern umfasste das "Staatsvolk" lediglich "freie Bürger der Stadt Athen", wodurch automatisch 3/4 der Bevölkerung vom Wahlrecht ausgeschlossen waren ... denn die waren nunmal nicht "frei" (dazu musste man männlich und nicht im Besitz eines anderen Mannes sein).

Vor einiger Zeit wurde die Sklaverei (zumindest offiziell) weltweit abgeschafft und seit 1919 dürfen in Deutschland sogar Frauen wählen.
Vom Athener Modell sind wir sehr weit entfernt. ... und dieses Modell würde heute wohl auch keiner mehr als freiheitlich demokratisch bezeichnen. Von athenischer Demokratie spricht man, weil das System eben schon die Grundzüge der Demokratie trug ... was allerdings fehlte, ist das Freiheitliche, welches uns heute so wichtig ist. "FDGO" passt zu Athen um 400 v.Chr nicht besser, als zu China heute.
Ich würde trotzdem gerne helfen, Wahlverweigerer mit stinkenden Teertampen in die Wahllokale zu treiben und das Vorbild dazu stammt definitiv aus dem antiken Athen :lol:
 
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DerOlf schrieb:
Es ist in dieser zeit regelmäßig passiert, dass das Scherbengericht von den mächtigen Familien genutzt wurde, um unbequeme Emporkömmlinge loszuwerden.
Bei damals nötigen Mehrheiten von mindestens(!) 6.000 Stimmen ist die Annahme, irgendwelche Familien hätten dahingehend etwas ausgenutzt, eben nichts weiter als das: Eine eher haltlose Annahme.

Wenn das so "regelmäßig" passiert sein soll, wie von dir behauptet, müsste das ja auch historisch belegt sein. Warum nur ist es das aber nicht?
 
DerOlf schrieb:
Bei den Athenern umfasste das "Staatsvolk" lediglich "freie Bürger der Stadt Athen",
Na ja und heute halt nur Deutsche Staatsbürger ab 18 bis Lebensende. Etwas vereinfacht gesagt. Das "Staatsvolk" mag heute weiter gefasst sein, deswegen wäre es dennoch eine Demokratie, wenn das Staatsvolk enger gefasst wäre. Die 18 Jahre sind so willkürlich wie eine Einkommensgrenze, denn warum sollte ein 17 Jähriger nicht wahlberechtigt sein, ein 100 Jähriger aber schon? Würde der deutsche Staat also eine solche Grenze für die Wahlberechtigung einführen, wären wir noch immer eine Demokratie...

Ich sehe darin keine Timokratie, denn Einkommen =/= Vermögen. Ich kann 100.000€ Einkommen haben und dennoch kein Vermögen weiter.

Und bevor jetzt wieder wilde Anschuldigungen kommen: Ich sage nirgends, dass ich das will. Ich sage nur, dass man sowas absolut noch eine Demokratie nennen kann und darf...
 
Mustis schrieb:
Ich sage nirgends, dass ich das will. Ich sage nur, dass man sowas absolut noch eine Demokratie nennen kann und darf...
Ich habe dir auch nirgends vorgeworfen, du würdest so etwas wollen.

Aber:
Wenn wir Demokratie so fassen, dass sie auch die athener Demokratie einschließst, dann war auch Karl der Große demokratisch gewählt (und nach ihm noch viele andere). Deutschland wäre demnach seit ca. 800 n.Chr eine Demokratie und eigentlich waren schon die germanischen Stammesfürsten demokratisch gewählte Führer.

Zu meinem Verständnis von Demokratie passt das leider absolut nicht.

Demokratische Entscheidungen sollten ALLE mit einbeziehen, die ihre Folgen zu tragen haben ... und genau das war im antiken Athen, bei den germanischen Stammesfürsten und bei den deutschen Königen und Kaisern eben NICHT der Fall. Da hat eine kleine Elite über das Schiksal eines ganzen Volkes entschieden.
Ich habe ein echtes Problem damit, solche Entscheidungsstrukturen als demokratisch zu bezeichnen, denn sie sind eben allenfalls Aristokratisch.
Athen hatte da noch den Vorteil, dass wenigstens alle freien Männer wählen durften ... und nicht nur die mit der passenden Abstammung oder genügendem EInkommen und Vermögen.

Der Grund für die Altersbegrenzung ist nebenbei der gleiche, den hier einige gegen Volksentscheide vorbringen. Minderjährigen wird ganz allgemein nicht zugetraut, qualfizierte Entscheidungen zu treffen.
Wenn die Festlegung der Grenze beim Alter willkürlich ist, was wäre es dann beim Sozialstatus?
 
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