Leserartikel Computer der DDR

Computer bestimmen unseren Alltag, egal ob in der Hosentasche, als Tablet, am Handgelenk oder im Smarthome.

Hier geht es zu Teil 2

In der Geschichte der Menschheit sind sie eine der jüngsten Erfindungen, mit ersten Einsätzen im Zweiten Weltkrieg. Siehe Konrad Zuse mit Z3 und seine S1 oder S2, die für Berechnungen von Gleitbomben genutzt wurden. Infolgedessen wurden weltweit die ersten Analog-Digital-Wandler eingesetzt.
Wobei der Z3 der erste Computer war und die S1/S2 fest programmierte Spezialrechner.
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Hier die Z4 im Deutschen Museum München

Während der erste Transistor in den Bell Laboratories 1947 gebaut wurde, gab es schon 1942 bei Telefunken Experimente mit Duodioden, die von Herbert Mataré durchgeführt wurden. Dabei fiel Ihm auf, dass die Spannung an der einen Diode, den Strom an der anderen beeinflusste. Dies führte u.a. zur Idee der Transistoren.

Wie man sieht, wurde ein Teil der Technik unter deutscher Führung entwickelt.
Aber Berlin stand 1945 in Trümmern, Zuse und andere hochkarätige Wissenschaftler waren geflohen und die Deutschen brauchten vorläufig keine Computer.


Und so begann trotzdem in den 50er Jahren der Großrechnerbau in der DDR

Ab 1951 forscht man am VEB Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik "Carl von Ossietzky" an Transistoren. Innerhalb der nächsten 24 Monate entstehen die sogenannten Spitzentransistoren und es werden Pläne entwickelt, um die Halbleiter in der Automatisierung zu nutzen.

Mitte des Jahrzehnts entsteht mit dem OPREMA bei Carl Zeiss Jena der erste eigene Computer.
Die OPtik-REchen-MAschine wurde gebraucht, um Linsensysteme zu berechnen. Objektive waren seit über 75 Jahren einer der Hauptartikel aus den Carl Zeiss Werken.
Ein- und Ausgabe erfolgten über Steckkarten und Fernschreiber.
Zu diesem Zeitpunkt nutzte man Relais, anstelle von Transistoren, von einer annehmbaren Serienproduktion oder Miniaturisierung war man noch weit entfernt.
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Relais im Zuse Z3(?) im Deutschen Museum München

Um die Lebensdauer der Relais zu erhöhen, wurden diese nur im Spannungsfreien Zustand geschaltet, für gewöhnlich liegt ja sonst dauerhaft eine an und das Relais unterbricht nur die Weiterleitung.
Die zwei gebauten Geräte waren 10 Jahre in Benutzung und wurden dann verschrottet.
In der Bundesrepublik entstand der erste Großrechner der Zuse KG ebenfalls für eine Firma der Optikindustrie – die Ernst Leitz GmbH. Mit nur 2.200 Relais war er wesentlich kleiner als sein DDR-Pedant, mit einem Kaufpreis von 300.000 DM (ca. 760.000 € im Jahr 2021) aber kein Schnäppchen.
Funfact: die Kabellänge der Leitungen betrug 500 km bei 55 m² und ein einzelnes Exemplar ersetzte die Arbeit von 120 Menschen.

Techn. Daten Zuse Z3 gegen OPREMA
Zuse Z3ENIAC (USA)Colossus (England)Zuse Z4OPREMAZRA1
RelaisRechenwerk: 6001.500Rechenw.: 1.50016.626
Speicher: 1.400Speicher: 700
Elektronen-röhren17.4681.500 (später 2.500)770
Dioden7.20012.000
Taktfrequenz5,3 Hertz200µs40 Hz100 HertzCa. 1 kHz
Rechengeschw.100 Operationen/s1,5 – 2,0x des OPREMA
Addition3 Zyklen0,2 ms0,1 s120 ms3,8 – 7 ms
Subtraktion4-5 Zyklen0,2 ms
Multiplikation16 Zyklen2,8 ms0,4 s800 ms7 -8 ms
Division18 Zyklen24 ms0,75 s800 ms14 ms
Wurzelziehen20 Zyklen>300 ms1.200 ms


Die Nachfolger der OPREMA – ZRA1 und 2

Bereits 1956 lief die Fertigung eines Nachfolgers an, der ZRA1 (Zeiss Rechenautomat 1). Mittlerweile nutzte man die moderneren Elektronenröhren, Dioden und Ferritkernspeicher. Letztere würde man heutzutage als Register bezeichnen.
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Ferritkernspeicher im Deutschen Museum München

Als Hauptspeicher diente ein Trommelspeicher, der mit 12.000 U/min rotierte und über 24 – 28 KB verfügte. Zum Vergleich die Selbstbau Rechner der DDR verfügten Ende der 80er über 16 KB RAM.
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Quelle: Wikipedia
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Quelle: andi_sco (Link zum Rechner) - 16 KByte RAM (trotz Texas Instruments RAM ein DDR Produkt)


Das Haupteinsatzgebiet war wieder der Wissenschaftliche Bereich und die Rechengeschwindigkeit betrug 150 – 200 Operationen pro Sekunde, je nach Quelle auch weniger.
Ein Nachfolger wurde zwar fertig gestellt und genutzt, die generelle Entwicklung wurde aber eingestellt und nach Robotron verlagert.

Zur 1. Generation zählt auch der PRL (Programmgesteuerter Rechner für Lochkarten), fertig gestellt 1959 und mit 2.600 Röhren ausgestattet, war er bei Erscheinen schon veraltet und wurde durch den R100 ersetzt.
Ein Exemplar steht heute in der technischen Sammlung Dresden.
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Elektronenröhre der Zuse Z22 im Deutschen Museum München

Die zweite Generation betritt die Bühne

Während die erste Generation noch auf Relais und Elektronenröhren setzte, nutzte die DDR für die R100 bereits Germaniumtransistoren mit 100 kHz Takt, dabei ist der Rechner vom Aufbau her „nur“ ein PRL im Transistorgewand.
Die genaue Bezeichnung lautet Lochkartenrechner (LKR) R100, denn als Ein- und Ausgabemedium fungierten die Lochkarten, von denen ca. 6.000 Stück pro Stunde verarbeitet werden konnten.
Aufgebaut aus 3.000 Transistoren und 6.700 Dioden konnten bis zu 1.000 Operationen pro Sekunde berechnet werden.
Dieser Großrechner wurde u.a. für Lohnabrechnungen und wissenschaftliche Berechnungen herangezogen.

Eine Weiterentwicklung war der R300

Die R300 (Link zur CB Retro Ausgabe 37) basierte auf der amerikanischen IBM 1401 und verarbeitete weiterhin Lochkarten als Eingabemedium. Während der IBM Rechner aber 800 Karten pro Minute verarbeiten konnte, wurden bei dem Ostdeutschen Produkt 300 angestrebt, daher die entsprechende Ziffer im Namen.
Angetrieben wurde er von 18.500 Bipolartransistoren (150 kHz) und bei einem Takt von 100 kHz schafften die Großrechner 5.000 Operationen pro Sekunde.
Als Hauptspeicher kamen Ferritkernspeicher zum Einsatz, mit 10 – 40 KByte, die Zugriffszeiten lagen bei 3 -10 µs.
IBM verkaufte mehr als 12.000 Stück seines Rechners, in der DDR kam man nur auf ca. 350 Einheiten.
Eine Umrechnung des Kaufpreises in €uro ist schwierig, da die Mark der DDR nicht offiziell gehandelt wurde. Legt man interne Berechnungen von 1988 zu Grunde, würden die 300.000 Mark pro Rechner ca. 62.000€ im Jahr 2021 bedeuten.
Zusammen mit dem Rechenzentrum standen 5,5 Millionen Mark auf der Rechnung (1,13 Mio. €), nur durch eine hohe Auslastung amortisierten sich die einzelnen Standorte.

Die Rechenzentren

Da die neuen Großrechner strenge klimatische Bedingungen benötigten, wurden Standardisierte Rechenzentren entworfen, die auch für kommende Generationen nutzbar waren.
Arbeitsplätze des R300 (Bild Universität Halle-Wittenberg).jpg

Arbeitsplätze des R300

Zentraleinheit des R300 (Bild Universität Halle-Wittenberg).jpg

Zentraleinheit des R300
Quelle: beide Universität Halle-Wittenberg


Per Klimaanlage wurden die Räume auf 23°C gehalten, die Luft zirkulierte dabei über Zwischendecken am Boden und an der Decke. Die Heizung funktionierte dabei nicht darüber, sondern über Fernwärme, z.B.
Selbst die Lochkarten mussten mehrere Stunden vor der Nutzung a-klimatisiert werden.
Auch nutzte die DDR hier bereits einen Vorläufer des Internets. Mehrere R300 wurden über Leitungen miteinander verbunden, die aber nicht direkt über Telefon und Modem kommunizierten. Der Mitarbeiter wählte das Gegenstück an und ein Lochbandleser las die Daten ein und schickte sie über die Fernleitungen an das Gegenstück. Die Technik ermöglichte eine Übertragung von 120 Zeichen pro Minute.
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Magnetbandstrecke mit 8 MB aus dem späteren ESER Programm und Baugleich zu dem Telefunken TR 4 mit MDS 252 Speicher

Fun Fact: 1968 wurde der noch vorhandene Turm der Potsdamer Garnisonskirche gesprengt, um Platz für ein Rechenzentrum mit drei R300 zu schaffen. Einst feierte die NSDAP hier die Eröffnung des Reichstages, ganz im Geiste des Kaiserreiches. Die SED wollte jedoch damit abschließen und mit dem Rechenzentrum den Sozialismus voranbringen.
Das mehrere Gemeindemitglieder dem Widerstand um den 20. Juli angehörten, gehört zur Tragik des Lebens.
Bundesarchiv_Bild_183-J31422,_Potsdam,_zerstörte_Garnisonkirche.jpg

Quelle: Wikipedia

Video: Mikroelektronik - was bringt sie (DDR 1981)

Weitere Daten folgen
 
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Danke für diesen tollen Artikel!
Der ist eine Erwähnung wert. @SV3N
 
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Sehr interessant, danke für die Arbeit, gerne mehr, wöchentlich? :stacheln: Fehlt ja jetzt ne Sonntagsausgabe, finde ich immer noch sehr schade.
 
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Danke für den Artikel. Wird morgen zum Kaffee näher studiert :-)
 
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Tramizu schrieb:
Danke für diesen tollen Artikel!
Der ist eine Erwähnung wert. @SV3N
Ein richtig schönes Brett hat @andi_sco da für uns gezimmert.

Wandert als Wochenendlektüre morgen natürlich auf die Startseite.

Danke für diesen tollen Content.

Danke auch an @Tramizu fürs Bescheid geben.

Liebe Grüße Sven
 
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Tolle Arbeit, die morgen um 8:30 Uhr auf der Startseite zu finden sein wird. :)

Liebe Grüße Sven
 
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Wow super Stoff, sehr informativ. Ein großes Dankeschön an @andi_sco. :) MFG Piet
 
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Rechenzentrum mit Fenster! Hab ich erst einmal gesehen, im Deutschen Bundestag. Besser in einem der Zahlreichen dazugehörigen Nebengebäude. Fenster sind überflüssig, seitdem es keine Menschen mehr braucht die rund um dir Uhr an den Dingern stehen und aufpassen müssen. Aber selbst zu der Zeit waren Fenster eher die Ausnahme. Die Coputerheinis saßen immer im Keller/UG, oder das RZ war im Gebäudekern, wo die einzigen Fenster, wenn es sie Gab zum Flur hin waren, sodaß die anderen Angestellten die tolle Technik bewundern konnten.
 
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Richtig Geil und Informativ! Danke für diesen fantastischen Beitrag!
 
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Danke für den Artikel, mal etwas anderer Lesestoff am Samstag Vormittag :)
 
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Sicher, dass die Ferritspeicher als Register genutzt wurden?
Meines Wissens nach war der eher als RAM genutzt wegen seines recht kompliziertesn Zugriffs.
Als Registerbits wurden Relais in Selbsthaltung genutzt.
 
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Besten Dank für den super Artikel, sehr informativ, die Anfänge sind schon sehr interessant, gerade auch von der DDR gerne mehr dazu.
 
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andi_sco schrieb:
So hatte ich das rausgelesen
Das interessiert mich jetzt, wo hasten das rausgelesen?
Also nen Link zu nem Artikel wär schön wenn vorhanden.
Aus dem Zettelchen im Bild aus dem Museom gehts ja nicht hervor.

Die Formuleierung lautet ja so:
andi_sco schrieb:
Letztere würde man heutzutage als Register bezeichnen.
Zu der Formulierung muss dich ja was gebracht haben.
 
Die acht Schnellspeicher (heute würden wir "Register" sagen) sowie für die Logikelemente waren in ca. 8500 Ferritkernen untergebracht
robotrontechnik.de
Ergänzung ()

Zusätzlich zum Hauptspeicher gab es acht so genannte Schnellspeicher (Prozessorregister in heutiger Terminologie), in denen oft benötigte Operanden gespeichert werden konnten
Zu Schwierigkeiten kam es jedoch mit dem als Hauptspeicher vorgesehenen Scheibenspeicher. Dafür kam 1958 der von Nikolaus Joachim Lehmann an der TH Dresden entwickelte Trommelspeicher mit einer Kapazität von 4096 48-Bit-Worten zum Einsatz
Quelle: Wikipedia
 
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Vielleicht hat ja jemand das Buch "Die Geschichte der Mikroelektronik/Halbleiterindustrie der DDR" und kann was daraus erzählen?

Erscheinungsdatum: 2003
Funk Verlag
164 Seiten
 
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