Der Niedergang der Diskussionskultur führt zum Niedergang der Gesellschaft?

DaishoCB

Lieutenant
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Ich habe eine These und würde gern Eure Meinung hören.

"Der aktuelle Niedergang der Diskussionskultur führt zum Niedergang unserer Gesellschaft"

Was meine ich damit?

In der Vergangenheit war das Ziel einer Diskussion einen bestmöglichen Konsens zu finden. D.h. man begab sich mit einem Standpunkt in die Diskussion, war aber bereit selbigen zu ändern oder aufzugeben, sollte sich eine allgemein bessere Position im Verlauf der Diskussion ergeben oder klar werden. Es ging nicht vorrangig darum "zu gewinnen" sondern man wollte einen gemeinsamen Standpunkt finden welche für alle Beteiligten ein Optimum darstellt, ein Kompromiss.

Dies hat sich nach meinem Dafürhalten geändert. Aktuell gibt es auf Grund verschiedener Entwicklungen einen Tendenz zum "my way or the highway", ergo ich habe recht und ich will nur zeigen wieso, Kompromiss ade.

Für mich geht dieser Trend mit der Demokratisierung der Medien einher. In der Vergangenheit hatte nicht Jeder "sprechenden Zugang" zu den Medien (Zeitung, Fernsehn, Radio, Print). D.h. nicht Jedem war es möglich seine "Meinung" nach belieben und OHNE Faktenprüfung einem Massenpublikum kundzutun. Man konnte nicht einfach etwas behaupten und es in die Weltschleudern denn es war z.B. dem journalistischen oder publizistischen Vorfilter ausgesetzt. Es gab extreme Positionen aber diese waren deutlich weniger repräsentiert als aktuell der Fall weil der "Anreiz" dafür einfach nicht gegeben war,

Heute kann via Twitter, Whatsapp, FB oder was auch immer, Jeder behaupten was er möchte und es wird, solange es sich für diese Medien "rechnet" (Likes, Clicks, Kommentare, Werbebanneranzeigen, DAU-WAU-MAU etc.) wird es immer weiter verstärkt. Und es werden auf Grund der Filterblase leider häufig vereinfachte Extrempositionen verstärkt, da diese sich "rechnen". Sie erzeugen Likes, viele Kommentare und dadurch einfach "Geld", weil sie "kontroverse" sind. Im Gegenzug dazu ist einen inhaltlich und wissenschaftlich fundierte Position sehr lang und bietet wenig "kontroverse" weil alleine die Auseinandersetzung mit einer solchen Position Zeit benötigt und oft nur "fachliche" Diskussionen fördert. Eine solche ist aber nicht "rentabel" da sie weniger Geld bedeutet.

Dadurch kommt es zu einem Phänomen das nicht der Inhalt relevant ist, sondern das ein Thema "laut" ist (kontrovers) was mittels der Filterblase dazu führt das nur noch solche Themen und Positionen im Mittelpunkt stehen welche eine extreme Position vertreten. Und da man nicht mehr an einem Konsens interessiert ist, sondern am "gewinnen" gibt es keine gemäßigte Mitte mehr denn diese widerspricht der [0|1] Sichtweise der Extreme und dem daraus resultierenden Gewinnen (des Streits als auch der Platformbetreiber).

Wenn es jedoch nur noch Extreme Meinungen gibt und eine (Selbst-) Definition über Abgrenzung zum Anderen und seiner Position, dann kommt es zu einer Bildung von "Randgruppen" welche sich immer weiter isolieren und abkapseln. Entsprechend zerbricht die Gesellschaft, da diese Gruppen weder sich, noch ihre Meinung, in der Gesellschaft/Demokratie vertreten sehen. Sie wenden sich ab.
Gleiches passiert aber auch in der "Mitte", welche resigniert da es scheinbar zu keinem Konsens mehr kommt und die Bequemlichkeit der Flucht in andere Bereiche, andere Themen oder eine kompl. Aufgabe des Interesses und ein Wechsel zum Hedonismus (Netflix&Chill) weniger "anstrengend" und "frustrierend" ist als ein Diskurs zu Extrempositionen.


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Seht ihr dies auch so? Wo seht ihr erfolgreiche Gegenbeispiele, oder wie könnten selbige aussehen?

Grüße,
Daisho
 
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Ich sehe das etwas anders. M.E. kommt es auf den Einzelfall an, ob die Diskussion eines Konsens bedarf oder nicht.
Das war früher nicht anders. Wo ich dir aber Recht gebe ist die Diskussionskultur und die Diskussionstiefe selbst. Heutzutage wird alles immer schnelllebiger und oberflächlicher. Leute nehmen sich - und das ist kein Vorwurf - viel weniger Zeit, die Thematik zu durchdringen. Das geht schon bei der Presse los. Schnell, kurz, knackig, nächstes Thema. Man nimmt sich gar nicht mehr die Zeit, Positionen auszutauschen, weil die Fülle der Themen einfach immer mehr zunimmt. Es gilt der Slogan "never mind the Details". Hinzu kommt, dass "jeder Experte ist und zu allem eine Meinung hat, die er leichter verbreiten kann", als früher (das betrifft den Bereich Twitter, FB, Foren, etc.) Dadurch nimmt die Qualität der Diskussion zusätzlich ab. Insofern gebe ich Dir Recht. Ich sehe darin aber auch keinen Untergang der Gesellschaft. Die Diskussionen werden nur breiter und weniger zielführend und führen weniger zu Ergebnissen, andererseits werden auch mehr Positionen ausgetauscht und Ansätze als solche diskutiert, was mitunter, wenn mal ein Ergebnis erreicht wird, zu einer breiteren und ausgewogeneren Lösung führen kann. Schädlich finde ich nur fehlende Kultur und Umgangsformen. In der Anonymität werden Meinungen viel aggressiver und weg von der Sache geführt. Die Tonalität ist schärfer geworden. Das kann negativ sein, v.a. wenn Leute eigentlich nicht diskutieren wollen, sondern nur trollen, muss es aber nicht mal zwingend. Manchmal kommt man mit etwas Schärfe auf zu besseren Ergebnissen, als ewig freundlich, aber ziellos rumzulamentieren.
Solange ein steuerndes Korrektiv existiert, kann man immer noch gute Ergebnisse erreichen.
Hängt sicher aber auch viel vom Thema ab.
 
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Smartin schrieb:
Die Diskussionen werden nur breiter und weniger zielführend und führen weniger zu Ergebnissen, andererseits werden auch mehr Positionen ausgetauscht und Ansätze als solche diskutiert, was mitunter, wenn mal ein Ergebnis erreicht wird, zu einer breiteren und ausgewogeneren Lösung führen kann. [...]Manchmal kommt man mit etwas Schärfe auf zu besseren Ergebnissen, als ewig freundlich, aber ziellos rumzulamentieren.
Eine interessante Position, kannst Du mir hier ein oder zwei Beispiele nennen wo Du dies vorgefunden hast?

Smartin schrieb:
Solange ein steuerndes Korrektiv existiert, kann man immer noch gute Ergebnisse erreichen.
Hängt sicher aber auch viel vom Thema ab.
Wer oder was ist dieses Korrektiv? Wer übernimmt diese Funktion deiner Meinung nach aktuell?

Grüße,
Daisho
 
Was viele vernachlässigen ist die Relevanz. Selbst viele aktuell populäre und öffentlich dargestellte Diskussionen und „shitstorms“ sind nur Brot und Spiele und mit Verstand betrachtet komplett irrelevant. Schönes Beispiel sind gerade die heiß diskutierten Äußerungen des JUSO-Vorsitzenden. Hat keine Relevanz. Aber seit Tagen ist es DAS Thema.

Ich erlaube es mir inzwischen zu bestimmten Dingen keine Meinung zu haben – einfach weil die Meinung ebenso irrelevant wäre.

Ich würde es begrüßen wenn die Diskussionskultur sich entsprechend wandelt. Früher wurde sowas im kleinen Kreis in der Familie, unter Freunden, bei Feiern oder am Stammtisch besprochen. Durch das Internet ist die ganze Welt ein Stammtisch. Nur die wenigsten Themen wären es aber wert an so einem Stammtisch besprochen zu werden. Wenn nun jeder mal filtert ob das was da diskutiert wird für einen selbst irgendeine Bedeutung haben kann – dann kann man entsprechend seinen Beitrag hinzugeben oder nicht. Und genau hier geschieht zu wenig Filterung durch den einzelnen. Die Masse an themen – die Breite und Tiefe der Angebote führt eher dazu, dass hektisch zu jedem Thema irgendwas abgelassen wird – und sei es nur ein „Daumen hoch“.

Im Normalfall ist das der Diskussion vollkommen abträglich. Nicht mal unbedingt weil das gesagte falsch oder richtig ist – sondern weil es die Person nicht tangiert.
 
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DaishoCB schrieb:
Eine interessante Position, kannst Du mir hier ein oder zwei Beispiele nennen wo Du dies vorgefunden hast?


Wer oder was ist dieses Korrektiv? Wer übernimmt diese Funktion deiner Meinung nach aktuell?

Grüße,
Daisho
Das ist meine tägliche Erfahrung. Wenn man 2 Leute fragt, bekommt man zwei Antworten. Wenn man offen fragt bekommt man so viele Antworten, dass die Lösung in weite Ferne rückt. Überall steckt ein Fünkchen Wahrheit drin, aber auch Antworten, die einseitig sind. In der Presse wird teilweise sehr oberflächlich berichtet. Einerseits wegen des zeitlichen Drucks. Andererseits um zu polarisieren. Eine ausgewogene alle Aspekte berücksichtigende Darstellung, die mitunter noch differenziert, führt zu weniger Aufmerksamkeit und Diskussionen. Denn wenn alles bereits durchdacht ist und diskutiert wurde, braucht man auch eigene Punkte nicht mehr anbringen, was m.E. zu weniger Aufmerksamkeit führt. Daher wird polarisiert und verkürzt, einseitig berichtet, um "Stimmung" zu machen. In den Kommentaren werden dann mitunter weitere Positionen und Hintergrundinformationen ergänzt, wodurch sich eigentlich erst ein Gesamtbild ergibt. Ob das bewusst gemacht wird (ich meine ja und nein; manchmal sind die Themen so speziell, dass der Pressemensch vielleicht keinen kompletten Überblick hat, auf der anderen Seite sage ich dann soll er auch nicht darüber schreiben).

Ein praktisches Beispiel für die Schärfe ist zB politische Diskussionen. Einerseits hat man "Gelaber", Fragen werden nicht beantwortet, sondern ausweichend beantwortet, bloß nicht konkret werden. Das nervt viele Menschen einfach nur noch, weil es nicht zum Ergebnis führt und weil man sich einer "Labermeinung" auch nur schwer selbst anschließen kann. Daher sehen es Leute mitunter erfrischend an, wenn ein anderer genau sagt, was er denkt (was aber m.E. eher selten ist und oft eher populistische Züge hat und auch nicht zwingend besser ist). Denn der Abwägende und viele Meinungen Bedenkende und Berücksichtigende wird immer eher ausweichend antworten müssen, da es halt oft nicht die eine unumstößliche Meinung und Lösung gibt (wenn man verschiedene Positionen berücksichtigen muss). Derjenige, der nicht verschiedene Meinung unter einen Hut bringen muss, kann klarer kommunizieren und damit auch polarisieren. Kann gut sein, kann schlecht sein. Kommt halt auf die "Meinung" an und wie man dazu steht bzw. wie gefährlich diese ist.

Mit Korrektiv meine ich vermittelnde Menschen. Das können einfach Dritte sein, die steuern in einer Diskussion eingreifen und Punkte aufgreifen oder kommentieren/ bzw. Partei ergreifen oder ggf. auch Moderatoren.

Was mir selbst auch auffällt, ist dass die Diskussionskultur von weniger Toleranz und Empathie geprägt ist, und oft das alleinige, eigene Interesse maßgeblich ist.
 
@Niyu
Das ist eine interessante Sichtweise. Und ich stimme Dir zu wenn es um die "Medienkompetenz" und entsprechende Filter geht. Auch die Position zum "globalen Stammtisch" teile ich.

Zum Thema eine Meinung haben/sich bilden bin nicht sicher ob ich Dich richtig verstehe.

Glaubst Du das eine Meinung zu haben unnötig ist oder irrelevant, weil Du der Meinung bist an der Diskussion bzw. der finalen Entscheidung keine Teilhabe hast?

An deinem Beispiel der Enteignungsdiskussion der JUSOs. Diese hätte einen erheblichen Einfluss auf mich und mein Leben (sollte enteignet werden) und ich habe sehr wohl eine Meinung, jedoch glaube ich nicht das diese aktuell in irgend einer Weise produktive wahrgenommen oder berücksichtigt werden würde. Daher tue ich sie nicht kund.


@Smartin Wie ein Vermittler aussehen kann ist klar, die Frage ist mehr wer übernimmt deiner Meinung nach aktuell diese Rolle?
 
DaishoCB schrieb:
Wie ein Vermittler aussehen kann ist klar, die Frage ist mehr wer übernimmt deiner Meinung nach aktuell diese Rolle?
Die Frage war zwar nicht an mich gerichtet, aber einen Teil der Antwort hast du in deinem Eingangspost schon gegeben.
Moderatoren können regulativ eingreifen ... beschränken sich aber meist auf die rechtliche Absicherung der Plattformbetreiber, die sie beauftragt haben.
Ansonsten sind es einzelne Diskussionsteilnehmer, die immer wieder auf einen Konsens hinarbeiten, oder sich am "normalen HickHack" einfach nicht beteiligen.
Es gibt also auf deine Frage eigentlich nur eine Antwort ... dieses Regulativ kann und sollte jedes Individuum in sich selbst sehen ... jeder kann diese Rolle spielen ... die meisten haben nur eben nicht die Macht, notfalls mit der Axt zu moderieren..

Ich versuche das selbst (es geling mir garantiert eher selten), aber ich bemerke auch bei mir, dass irgendwann ein Punkt erreicht ist, an dem ich mich aus der Diskussion zurückziehen muss, bis sich die Betonköpfe gegenseitig zerstäubt haben und man wieder vernünftig diskutieren kann.

Tatsächlich läuft es mir insgesamt zu oft auf eine Diss-kussion hinaus ... A disst B disst C disst A ... Inhalt egal.
Bei Themen die mir persönlich nicht wichtig sind, ist das nicht schlimm ... aber wenn ich an einem Thema Interesse habe, dann finde ich es nur Schade. Denn mit solcher Lektüre ist nichtmal meiner eigenen Meinungsbildung zu dem Thema wirklich gedient.

Ich lese und versuche herauszufinden, wie die Diskussion bisher lief ... und erst wenn mir das gefällt, würdige ich die Diskussion mit einem Beitrag.
Das kann man jetzt als Kompliment verstehen ;)
ich hoffe es kommt auch so an.
 
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Ich biete mal als alternative Betrachtungsweise statt der Kategorie "Aufstieg/Niedergang" die eher wertfreie Kategorie "Veränderung" an.
Wenn man mit diesem Begriff über das nachdenkt, was Thema dieses Threads ist, dann ist es einfach ein Teil der gesellschaftlichen Weiterentwicklung ... natürlich können wir daran nicht alles positiv bewerten, Veränderung bedeutet immer auch einen Verlust, sie bedeutet aber auch immer einen Gewinn.
Natürlich ist die breite Diskussionsspanne, die das Internet bietet auch dafür verantwortlich, dass man viele verschiedene Diskussionsweisen antrifft ... vielleicht leidet manchmal die Qualität darunter (aber wer sollte das objektiv bewerten?), ganz sicher geht es stellenweise weniger zivilisiert oder genormt zu ... aber in jedem Fall gibt es auch "Lichtblicke" .... und dank der Meinungsoffenheit und freien Zugänglichkeit, ist die Bandbreite dieser Diskussionen auch um einiges größer, als die der streng wissenschaftlichen Diskurse.

Die Ansprüche an einzelne Beiträge muss man natürlich etwas zurückschrauben, mit einem streng wissenschaftlich geführten Diskurs wird das Netz nie vergleichar sein ... aber genau durch diese "Freiheit" (von den Notwendigkeiten des institutionalisierten Wissenschaftsdiskurses) gehen Menschen eben auch verworfenen Theorien nach ... oder welchen, die in dem Bereich einfach niemand angeht, weil daran im aktuellen Diskurs gerade kein Bedarf besteht.

Alle dachten, DAS sei unmöglich ... aber dann kam Einer, der wusste das nicht, und hat DAS einfach gemacht ;)

Natürlich gibts auch eine Menge Leute, die "dummen Ideen" nachgehen ... aber das Internet hat nur dafür gesorgt, dass man das wahrnehmen kann, auch wenn es nicht im Sichtbereich passiert ... geben tuts sowas schon ewig ... das Rad war für viele Zeitgenossen der Erfinder wahrscheinlich auch eher eine dumme Idee ... :lol:
 
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DaishoCB schrieb:
"Der aktuelle Niedergang der Diskussionskultur führt zum Niedergang unserer Gesellschaft"
Mag sein, ich glaube eher „Veränderung“ statt „Niedergang“ passt besser. Vielleicht auch weil ich zu sehr Optimist bin und dystopische Mutmaßungen deshalb ablehne.
Da du dich (auch) auf Online-Medien beziehst setze ich da mal an, die üblichen Social-Media Angebote nutze ich nicht aktiv, deshalb klammere ich die auch mal aus. Mir ist dennoch bewusst was da so stattfindet.

Ja, wer lauter schreit hofft auf mehr Klicks und/oder Likes. Soweit so klar. Aus meiner Wahrnehmung heraus, sind das aber oft (kleine) geschlossene Blasen. Der sogenannte „Shitstorm“ ist meist keiner, sondern wird zu einem stilisiert um „Einnahmen“ zu generieren.
In der Online-Welt für „Medien“ ist der Konkurrenzdruck enorm. Nicht nur andere internationale Konkurrenten, Community-Plattformen sondern auch privat agierende Menschen mit ihren Blogs, Channels (etc.) sind vermeintlich immer einen Schritt voraus. Das dann auf zugespitzte Überschriften gesetzt wird kann ich nachvollziehen, finde den aber damit (oft) einhergehenden Qualitätsverlust nicht nachvollziehbar.

Da dann zu selektieren und qualitative „Medien“ zu finden ist eine wunderbare Kompetenzübung für jeden Internet-User. Es gibt tatsächlich Plattformen bei denen Click-Bait nicht dominiert.

Zu den Schreihälsen in Communitys folgendes. Die sind völlig normal.
Auch hier liegt es an einem selbst herauszufinden auf welcher Plattform über welches Thema sinnvoll kommuniziert werden kann. Eine Plattform für „alles“ gibts meiner Meinung nach nicht. Wirkliche themenspezifische Fach-Foren sind da oft hilfreich, im deutschsprachigen Raum sind die allerdings rar gesät, aber auch vorhanden. Suchmaschine hilft.
Anders als andere hier im Thread behaupten glaube ich, dass sich eine Community in erster Linie selbst regulieren muss, Moderatoren sind die letzte Instanz um Störenden beizukommen.
Ich verstehe oft nicht, auch gerade hier bei CB, warum immer wieder offensichtlichen „Trollen“ dermaßen viel Raum zur Entfaltung durch die Community gelassen wird. Diese störenden oder „toxischen“ Beiträge einfach zu ignorieren wäre wesentlich besser. Aber nein, oft finden sich sogar mehrere User die in die Falle tappen und Beiträge schreiben.
Auch abseitige Themenbereiche können meiner Erfahrung nach super diskutiert werden ohne (emotional) zu eskalieren.
 
Eine sehr gute Beobachtung, "Niedergang" ist sehr wertend. "Veränderung" ist hier sicherlich passender, da wertfrei. Jedoch finde ich die angesprochene Veränderung an vielen Punkten eben nicht als positiv (meine Sicht).

Klar ist es gut, dass man heute ohne Probleme zwischen Goldfischzucht und Stringtheorie hin und her springen kann. Es ist ebenfalls schön, dass hier der Zugang zu Wissen und ggf. auch "globalen Experten" deutliche einfacher und demokratischer ist als in der Vergangenheit. Was mich eben persönlich stört ist die fehlende Tiefe und oft die mangelnde Präsentation von "pro & contra" in einem neutralen Ton.

Vielleicht ist es gerade die von Euch angesprochene Vermischung der einzelnen Medien (Social / Print / TV etc.) welche ständig auf einander bezugnehmen und dadurch wie erwähnt immer "noch schneller", "noch aktueller" sein wollen oder gar müssen. Dadurch wird die Auseinandersetzung mit dem Thema scheinbar "flacher" und undifferenzierter was sich dann auch in der Art der Kommentare etc. niederschlägt.

DerOlf schrieb:
Ich versuche das selbst (es geling mir garantiert eher selten), aber ich bemerke auch bei mir, dass irgendwann ein Punkt erreicht ist, an dem ich mich aus der Diskussion zurückziehen muss, bis sich die Betonköpfe gegenseitig zerstäubt haben und man wieder vernünftig diskutieren kann.

Das ist genau einer der Punkte, welchen ich pers. etwas negativ finde denn mitweilen ist es schwer hier wieder zu einer "normalen" Diskussion zurückzugelangen. Und der Diskurs wird augenscheinlich (zumindest initial) durch diese extremen Positionen geprägt.

DerOlf schrieb:
Natürlich gibts auch eine Menge Leute, die "dummen Ideen" nachgehen ... aber das Internet hat nur dafür gesorgt, dass man das wahrnehmen kann,

Hier stelle ich mir die Frage, natürlich darf jeder privat verfolgen was keinem Anderen schadet, aber leider ist es schwer zu sagen wo die Grenze ist, ab welcher es Anderen schadet. Beispiel Flat-Earther ... gefühlt hat hier noch keiner physisch zu Schaden gekommen, aber diese Verbreitung wider aller Fakten kann geschehen weil man scheinbar nur laut schreien muss.
Ähnliches sehe ich bei Themen "Impfung", wo ich glaube das leider nicht Jeder für sich entscheiden sollte, da es hier Gefahren für Andere gibt...
Nun will ich diese Leute nicht zensieren, aber ich finde es fraglich das diesen Positionen eine Platform gegeben wird, welche Ihnen früher (vor der Demokratisierung der Medien) nicht zur Verfügung gestanden hätte.
Und dadurch das sich diese Leute leider nicht auf eine sachliche Diskussion einlassen und sich z.B. Fakten verweigern, sehe ich hier drin ein Problem.


Welche Schritte glaubt Ihr könnten hilfreich sein um den allg. Diskurs so zu verändern, dass wir hier positiv interagieren könne? Stimmt Ihr der Forderung nach mehr Moderation (wie auch geartet) zu? Seht ihr hier das Individuum mehr in der Verantwortung?
 
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DaishoCB schrieb:
@Niyu
Zum Thema eine Meinung haben/sich bilden bin nicht sicher ob ich Dich richtig verstehe.

Glaubst Du das eine Meinung zu haben unnötig ist oder irrelevant, weil Du der Meinung bist an der Diskussion bzw. der finalen Entscheidung keine Teilhabe hast?

An deinem Beispiel der Enteignungsdiskussion der JUSOs. Diese hätte einen erheblichen Einfluss auf mich und mein Leben (sollte enteignet werden) und ich habe sehr wohl eine Meinung, jedoch glaube ich nicht das diese aktuell in irgend einer Weise produktive wahrgenommen oder berücksichtigt werden würde. Daher tue ich sie nicht kund.
Ich versuch es nochmal anders zu erklären:

Das Thema – hier: Enteignung würde dich betreffen – und damit ist eine Meinung dazu schon wichtig.
Aber: Es wird hierbei außer Acht gelassen WOHER die Aussage kommt und in welchem RAHMEN. Die Äußerung kommt von einem JUSO-Vorsitzenden und hat damit keine Tragkraft. Es ist keine Diskussion der aktuellen Regierung – und damit in der Realität garkein Thema.

Die Diskussion darüber ist also letztlich nur eine Diskussion um zu diskutieren. Ohne das ein Konsens oder ein „Gewinn“ dieser Diskussion zu irgendwas führen würde. Und das ist das was ich meine: Es gibt viele Themen die richtig und wichtig sind – aber der Rahmen der Diskussionen macht diese irrelevant – weil Sie nicht dort geführt werden wo Sie im Falle einer Übereinkunft etwas bewirken würden.

Ich finde an dem JUSO-Thema kann man so eine Diskussion wunderbar beispielhaft nachempfinden.

JUSO sagt etwas: Ein Shitstorm bricht herein. Es gibt für und wider. Beleidigungen. Schreie nach Rücktritt. Etc. Es geht dabei garnicht mehr um das Thema sondern nur noch sich über das Thema zu profilieren. Am Ende wurde alles gesagt und nichts getan und das nächste Thema kommt. Das geschieht im kleinen in einem Forum wie hier genauso wie auf Bundesebene – und dort sind es dann Brot und Spiele.

Die Regierung ist froh aus dem Fokus zu sein für die Dinge die tatsächlich gerade beschlossen werden.
 
@Niyu Danke, dass hatte ich in etwa so verstanden, wollte nur sicher gehen.
Ja die Frage bleibt, ob der Rahmen der richtige ist und ob das Resultat der Diskussion ueberhaupt Anwendung findet.
ABER bei solchen Themen im allg. glaube ich das ggf. ein wenig haengen bleibt. Dh. es werden Teilpositionen in abgeschwaechter Natur dann vielleicht doch uebernommen, aber das geht etwas am Thema vorbei und mehr in die Richtung: "(Wie) funktioniert demokratische Mitbestimmung in Deutschland/Europa"...
 
Es sollte auch nur ein Beispiel sein. Wir können jedes x-beliebige Thema hernehmen.
Nehmen wir die Diskussion über die Diskussionskultur hier. Ganz Allgemein:

Egal ob wir jetzt feststellen, dass die Diskussionskultur unsere Gesellschaft tatsächlich bald zerstört - oder diese bereichert - oder alles dazwischen. Es hat am Ende keinen Effekt. Wir haben ein paar Nullen und Einser in einem Forum über Computer hinterlassen. Nicht falsch verstehen: Ich will das ganze nicht torpedieren auch wenn das grad sehr danach klingt.

Bei dir, bei mir - bei jedem der es liest bleibt natürlich irgendwas hängen. Wie bei allem was man in irgendeiner Form erfährt. Ich glaube aber nicht, dass diese Erfahrung mich für die Zukunft dergestalt begleitet, dass ich im laufe meines Lebens daraus einen nutzen ziehen werde. Es ist damit Zeitvertreib. Ohne das jetzt positiv oder negativ werten zu wollen.
 
Ich finde es immer wieder schade, was Begriffe schon anrichten ... jemand sagt was von Umverteilung ... und irgendein Gaubensverfolgter wird sicher von "Enteignung" sprechen .. die andere Seite kontert dann mit "Eigentum ist Diebstahl" oder mit Metaphern von Raubtieren, Heuschrecken u.s.w.
Der eine ist "von Gier geblendet", der andere "von Neid zerfressen" ... der eine erntet die Früchte seiner harten Arbeit ... der andere denkt, die arbeit wäre nicht mal ein drittel des lohns wert ... und wenn man ganz viel pech hat zitiert noch jemand A. Smith (eine ware ist immer so viel wert, wie der Kunde für sie zu zahlen bereit ist) ... Verständnis für die Position der anderen Seite ist meist Fehlanzeige.

Und schon gibts die art von Diskussionskultur, die man eigentlich nur im Pausenprogramm bei Sportevents zu sehen bekommen sollte.

Die Frage ist nur, wie durchbricht man diesen Kreis?
Schließlich ist kein Mensch immer nur wertfrei ... objektiv schon gleich garnicht.
Man kann sich doch eigentlich nur Mühe geben, und hoffen, dass genügend Andere das auch tun (und zwar mit ähnlicher Intention ... ich bin mir sicher - selbst Trolle geben sich auf ihre Weise Mühe).
 
Wir haben alle ein eigene Auslegung von Begriffen, bei mir ist "Enteignung" jetzt nicht mal negativ belegt, sondern einfach nur der Vorgang wenn etwas vom Privatbesitz mittels staatlicher Entscheidung den Besitzer wechselt. Das kann man gut oder schlecht finden, solange es im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben geschieht (Rechtssicherheit gewahrt wird), ist das ein legitimes Mittel. Welchen Zweck man damit verfolgt und ob man selbigen nun gutheißen mag oder nicht ist wieder Teil der Diskussion.

Aber Ja, gute Frage, wie schafft man hier "neutral" oder "fair" von beiden Seiten zu beleuchten?
 
Ich glaube ja, dass diese Metaphern vorallem verwendet werden um eine „Bürgernähe“ oder „Nähe zum einfachem Volk“ zu simulieren. Zumindest hoffe ich dass das so ist, diese Vereinfachung der Sprache stört mich zunehmend.

Diskussionen müssen nicht „neutral“ gestaltet werden – „fair“ ist eine Diskussion ohnehin wenn respektvoll miteinander umgegangen wird und Argumente statt Polemik ausgetauscht werden. Gut, findet selten genug (öffentlich) statt, auch wahr. Aber, kann man sich ja einfordern, egal ob am (digitalem) Stammtisch oder sonstwo.

Niyu, ich unterstelle mal dieser Thread hier ist sinnvoller als du denkst. Selbst wenn du dir nicht viel mitnimmst, Andere möglicherweise schon. Find ich gut.
 
@DaishoCB
Ich stimme deiner These nicht zu.

Du fehlinterpretierst die Diskussion an sich und schließt daraus dann fälschlicherweise, dass die Diskussionskultur flöten geht. Eine Diskussion ist nur eine von vielen Varianten, miteinander zu "reden". Denk an Befehl+Gehorsam, Smalltalk, miteinander singen/beten, etwas gemeinsam bejubeln. Nichts davon ist Diskussion.

DaishoCB schrieb:
In der Vergangenheit war das Ziel einer Diskussion einen bestmöglichen Konsens zu finden. D.h. man begab sich mit einem Standpunkt in die Diskussion, war aber bereit selbigen zu ändern oder aufzugeben, sollte sich eine allgemein bessere Position im Verlauf der Diskussion ergeben oder klar werden.
Nein, die klassische Diskussion muß keinesfalls darauf ausgelegt sein, einen Konsens in der Sache zu erreichen. Zentraler Punk der Diskussion ist der Austausch von Argumenten. Ein ganz typisches, u.U. beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis einer vorbildlich geführten Diskussion kann das berühmte "we agree to disagree" sein. Dabei sind oft die Argumente beider Seiten formal richtig, also nicht widerlegbar, aber die Wichtung der verschiedenen Argumente unterscheidet sich so sehr, dass in der Sache trotzdem kein Konsens erzielt wird.

Beachte: "Austausch von Argumenten" is eine bidirektionale Angelegenheit. Man darf sich in einer Diskussion nicht aufs Senden von Argumenten beschränken sondern muß auch Argumente empfangen und verarbeiten.

Vieles, was du als Diskussion einordnest (auf Facebook u.ä.) ist schlicht keine Diskussion. Da gehts sehr oft nicht um den Austausch von Argumenten sondern um das Bestärken eines Propheten oder eines Dogmas, indem man ihm möglichst fleißig nachplappert. Claqueure kannst du nicht argumentativ beeinflussen. Da findet also keinerlei Diskussion statt.


Wenn du diskutieren willst, brauchst du einen passenden Rahmen, der Diskussion fördert oder wenigstens zulässt und gleichgesinnte Partner, die ebenfalls diskutieren wollen. Das geht auch online. Allerdings eher nicht dort, wo "jeder Klick ist ein guter Klick" und deshalb "der bekloppteste Beitrag ist der beste Beitrag" die goldenen Regeln sind.

Diskutieren ist außerdem anstrengend. Es setzt geistige Fitness voraus und erfordert Disziplin. Viele Menschen, die in ihrer Freizeit im Web aktiv sind, wollen sich diesen Stress gar nicht antun. Sternchen bejubeln, sich mit Gleichgesinnten gegenseitig verbal auf die Schulter klopfen, Andersgesinnte gemeinsam auslachen und smalltalk sind viel beliebter als Diskussionen - und etwas ganz anderes. Die Diskussionskultur leidet darunter nicht.
 
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mensch183 schrieb:
@DaishoCB

Wenn du diskutieren willst, brauchst du einen passenden Rahmen, der Diskussion fördert oder wenigstens zulässt und gleichgesinnte Partner, die ebenfalls diskutieren wollen. Das geht auch online. Allerdings eher nicht dort, wo "jeder Klick ist ein guter Klick" und deshalb "der bekloppteste Beitrag ist der beste Beitrag" die goldenen Regeln sind.

This. Entscheidend ist die Plattform und dessen Community dahinter. Social-Media Plattformen sind nicht dafür ausgerichtet in einem geordneten Rahmen neutrale und geordnete Diskussionen zu führen (hier herrscht Polemik, Selbstdarstellung, Schnelllebigkeit, Konsum, Unterhaltung, Oberflächlichkeit) - zu divers das Publikum. Die Leute die sich hier in "Diss-kussionen" die Wörter um die Ohren schmeißen lasse ich lieber unter sich. Zu schade um meine Zeit und Nerven.

Dann lieber ein kleines unabhängiges Forum oder eine entsprechende Reddit-Rubrik, spezialisiert auf ein Thema. Hier existiert ein Rahmen in dem eine Diskussion statt finden kann - In der Kommentarfunktion von YouTube, Twitter und Facebook eher nicht oder selten.
 
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Hallo

DerOlf schrieb:
Die Frage ist nur, wie durchbricht man diesen Kreis?
Man könnte damit anfangen...

DerOlf schrieb:
... und irgendein Gaubensverfolgter wird sicher von "Enteignung" sprechen ..
...anders denkende nicht zu verunglimpfen/beleidigen...

DerOlf schrieb:
Schließlich ist kein Mensch immer nur wertfrei ... objektiv schon gleich garnicht.
...was aber oft daran scheitert.

DerOlf schrieb:
jemand sagt was von Umverteilung
Umverteilung ist Diebstahl/Enteignung, was soll es sonst sein wenn man jemandem sein Eigentum gegen seinen Willen weg nimmt ?

Die einzigen die das anders sehen ist eine kleine linke Minderheit, auch wenn diese kleine Minderheit gerade sehr laut brüllt, es ist und bleibt eine kleine Minderheit.
Wir sehen doch gerade wie die Ideen von Kevin Kühnert die SPD in den Umfragewerten noch weiter runter ziehen, er hat der SPD mit seinen Ideen keinen Gefallen getan.
Sollte auch nur eine einzige Wohnung/Firma gestohlen/enteignet werden, werden sich die Befürworter schwer wundern, wie schnell die Firmen abwandern und niemand mehr Wohnungen baut.

Das führt auch zum Niedergang der Diskussionskultur, jeder meint das er seine geistigen Ergüsse aussprechen muss und das Ihm jeder zuhören muss, man darf aber man muss nicht alles aussprechen.

Grüße Tomi
 
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